Pullach:Pullacher Inventur

Pullach: Mit Fähnchen und Klebe-Zetteln konnten die Bürger Stärken und Schwächen der Gemeinde markieren.

Mit Fähnchen und Klebe-Zetteln konnten die Bürger Stärken und Schwächen der Gemeinde markieren.

(Foto: Gemeinde Pullach)

Zum Auftakt des Ortsentwicklungsprozesses arbeiten 200 Bürger die Stärken und Schwächen der Gemeinde heraus. Wer will, kann sich auch online beteiligen

Von Konstantin Kaip, Pullach

Die Pullacher wollen die Zukunft ihrer Gemeinde mitgestalten. Das hat die Auftaktveranstaltung der Bürgerbeteiligung zum Prozess des Ortsentwicklungsplanes (OEP) am Montagabend gezeigt: Der große Saal des Bürgerhauses war bis zum letzten Platz besetzt, etwa 200 Menschen wollten bei der ersten Bestandsaufnahme dabei sein. Der Andrang überraschte auch Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (Grüne), die sich "überwältigt vom Zuspruch" zeigte. Und Jan Weber-Ebnet, der den Abend für die Arbeitsgemeinschaft Urbanes Wohnen moderierte, bemerkte anerkennend: "Einen so vollen Saal erleben wir selten."

Weber-Ebnet erklärte den Bürgern, die bereits am Eingang ihren Wohnort auf einer Karte vermerkt hatten, warum man sie eingeladen hatte: "Sie sind alle Experten, Sie wohnen hier und kennen die Gemeinde." In einem ersten Schritt wolle man nun "in die Bestandsaufnahme einsteigen", deshalb wolle man von den Bürgern keine Lösungsansätze, sondern "nur die Stärken und Schwächen im Gemeindegebiet aufgezeigt bekommen". Dazu hatten Weber-Ebnet und sein Team einen großen Ortsplan auf einem Tisch ausgelegt, mit nummerierten roten und grünen Fähnchen. Mit denen sollten die Bürger positive und negative Areale markieren und auf dazugehörigen Zetteln Stichpunkte notieren.

Die Anregungen der Bürger sollen dann vom Planungsbüro Terrabiota aufgegriffen werden. "Wir hoffen, dass unser Blick von außen durch den Blick von innen ergänzt und komplettiert wird", sagte dessen Geschäftsführer Steffen Ufer. Er präsentierte kurz seine erste Analyse: dass das Entwicklungspotenzial der zirka 7,5 Quadratkilometer großen Gemeinde durch ihre geografische Lage und die fehlenden Freiflächen stark begrenzt sei, dass Pullach überwiegend den Charakter einer Gartenstadt habe, dass zwar B 11 und Staatsstraße mit jeweils mehr als 20 000 Fahrzeugen pro Tag sehr stark belastet seien, die Gemeinde aber ansonsten keine Straße habe, auf der täglich mehr als 6000 Autos führen; und dass Pullach mit 43 000 Euro pro Kopf die Gemeinde mit der viertgrößten Kaufkraft in Deutschland sei. Der Einzelhandel sei mit Lebensmitteln über-, mit Drogerieartikeln aber unterversorgt, gab Ufer die Ergebnisse seines Erlanger Partnerbüros wieder. In seiner Voranalyse stellte er schließlich Handlungsbedarf in Sachen Bildung und soziale Infrastruktur, Nahversorgung, Siedlungsentwicklung und Wohnen fest. Positiv bewertete er Energieversorgung, Wirtschaft und das Kultur- und Freizeitangebot. Zwar betonte der Planer, dass seine Analyse ergebnisoffen sei, plädierte allerdings später für einen Neubau der Grundschule, weil der zusätzliche Raumbedarf auf dem bestehenden Grundstück "so nicht zu verwirklichen" sei.

Im Publikum gab es auch Kritik. Manche vermissten Vorgaben und ein "finanzielles Korsett", andere bezweifelten die Verbindlichkeit des Ortsentwicklungsplanes. Der OEP, der laut Vorgabe voraussichtlich in eineinhalb Jahren stehen soll, sei ein "informeller Plan", erklärte Ufer. Als "Richtschnur für die Ortsentwicklung" entfalte er aber oft eine "höhere Verbindlichkeit auch für kommende Gemeinderäte".

An der Karte war das Gedränge schließlich groß. Um 21.30 Uhr war der Ortsplan voller Fähnchen, die Ortsmitte überwiegend in Rot gehalten. Auf den Zetteln an der Wand wurde mehrfach ein Drogeriemarkt gefordert, aber etwa auch, die Seitnerfelder als Grünfläche zu erhalten.

An der Rückwand des Saales hingen Thesen mit Leitzielen zur Zukunft Pullachs, an denen man seine Zustimmung oder Ablehnung signalisieren konnte, zum Beispiel: "Pullach nutzt seine Flächenreserven für ein Wachstum, das Chancen für Kultur, Bildung und Infrastruktur ermöglicht." Die blieben aber wenig aufschlussreich: Denn viele Bürger übersahen die Rubrik "Pullach im Jahr 2030" und interpretierten sie statt als Wunschvision als Einschätzung der Gegenwart. Der Ortsplan mit den Fähnchen soll nun eine weitere Woche im Rathausfoyer ausliegen. An der Bestandsaufnahme kann man sich auch online auf der Homepage der Gemeinde unter pullach.de/ortsentwicklung beteiligen. Dort findet man auch den Ablaufplan des weiteren Prozesses und soll künftig regelmäßig veröffentlichte Ergebnisse kommentieren können.

Erst einmal aber geht die Bestandsanalyse, die bis Ende des abgeschlossen werden soll, weiter: Bei einem Spaziergang durch die Ortsmitte am Freitag, 23. Oktober, von 16 Uhr an und bei einer Radtour durchs Gemeindegebiet am Samstag, 24. Oktober, von 14 Uhr an. Treffpunkt ist jeweils am Kirchplatz.

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