Süddeutsche Zeitung

Pullach:Magische Momente am Isarhochufer

An Harold Voits Zauberschule in Pullach bereiten sich gerade acht Schüler nach vier trickreichen Semestern auf die öffentliche Abschlussprüfung vor

Von Claudia Wessel, Pullach

"Haben Sie etwas gesehen?" fragt Harold Voit. "Nein", sagt man wahrheitsgemäß, obwohl gerade Zauberschüler Andreas Kutschera, im sonstigen Leben Musiker und Musiklehrer, mit einem roten, einem weißen, einem blauen, einem gelben und einem grünen Tuch herumgewedelt hat. An seinem Hals hängt bei seinem Auftritt als "Magic Andi" ein rotes Portemonnaie, in dem, wie er sagt, "die Vorhersage" stecke. Er fragt dann eine Frau aus dem Publikum, heute bestehend aus sieben weiteren Zauberschülern im vierten Semester an Harold Voits Zauberschule in Pullach, welches Tuch sie gerne hätte. Sie wählt das blaue.

"Sie können sich gerne noch einmal umentscheiden", so der Zauberer, damit sie sicher sei, dass er nichts vorbereiten konnte. Sie nehme dann das weiße, beschließt sie. Sie könne auch noch ein paar Knoten bestellen, um ihr Tuch speziell zu kennzeichnen, so der Zauberer. Die Dame wählt zwei Knoten, einen an der einen Spitze, einen in der Mitte. "Wunderbar", sagt der Magier. "Dann stecken wir dieses Tuch nun in dieses blaue Portemonnaie. Sehen Sie, es ist ganz leer." Das Tuch wandert hinein, das Portemonnaie in seine Jackettasche. Und nun kommt die große Eröffnung der Vorhersage: Was ist in dem roten Ledertäschchen an Kutscheras Hals? Mit genüsslicher Langsamkeit zieht er es hervor. Es ist weiß! Er zieht weiter und weiter, bis es ganz heraus ist. Es hat zwei Knoten, an genau den Stellen, die die Frau vorher gefordert hat.

Wir befinden uns ja in einer Zauberschule und da wird natürlich mit allen Tricks gearbeitet. Deshalb musste man vorher einen Zettel unterschreiben, dass man nichts weitersagt von dem, was man eventuell durchschaut. Nach der Vorführung von drei Zaubereien der Schüler kann man nur sagen: Das wäre nicht nötig gewesen. Denn man hat nichts gesehen, also nichts durchschaut, sondern einfach nur die schöne Magie genossen.

Auch die Fähigkeit von Johannes Botzky, Kinderpfleger von Beruf, weiße Bälle nach Lust und Laune mit seinem Zauberstab unter drei Becher und wieder weg zu beamen und sie zum Schluss in dicke Limetten zu verwandeln, ist einfach nur beeindruckend. Trotz Fachfragen aus der Runde der Zauberkollegen hat der Zuschauer nicht die geringste Ahnung, wie all das geschehen konnte und das ist gerade das Schöne. Andreas Wolf, Softwareingenieur in der Qualitätssicherung, kommt als nächstes dran, Titel seiner Darbietung: "Magic Moments mit Andreas". Mit viel Reden über die Magie des Bauchgefühls baut er große Karten auf, mit den Rücken zu den Zuschauern. Dann wählt er einen "Assistenten" aus, der nun rein mit Hilfe von magischen Schwingungen aus den Karten genau die rausfischen soll, die Wolf ihm nennt. Er darf sich dabei auch umentscheiden.

Assistent Benjamin hat auch tatsächlich magische Finger. Er zieht auf Befehl ein Herz Ass, eine Kreuz Vier, einen Karo König hervor. Wie das gehen kann? Mit Zauberei, mehr hat man nicht kapiert.

Der heutige Abend ist Teil einer kleinen Generalprobe für die Abschlussprüfung der Zauberschüler. Sie haben vier Semester, also zwei Jahre lang, bei Zaubermeister und Schulbetreiber Harold Voit gelernt. Einige hatten auch während dieser Studienzeit schon Auftritte. Johannes etwa, der schon seit seiner Jugend die Zauberei als Hobby hat. Ihn kann man zu Geburtstagen, Hochzeiten oder Auftritten in Bars engagieren. Für viele der acht Anwesenden heute Abend aber wird die Abschlussprüfung heftig. Denn sie findet vor rund 200 Zuschauern im Scheinwerferlicht statt, wie Harold Voit erklärt. Im Brückenwirt in Pullach werden alle acht im Februar ihr Können beweisen müssen. Und das ist schon etwas anderes als vor Kollegen.

Die Vorbereitungen laufen bei allen. "Ich wollte mal in die Runde fragen, wer alles was mit Zitrusfrüchten macht", will jetzt Bernhard Hiergeist, von Beruf Journalist, wissen. Eigentlich bisher nur Johannes. Alfred Kothig, seines Zeichens Rentner, berichtet davon, dass er nun doch seine Pläne geändert hat und nicht in einem Feuerblitz auf der Bühne erscheinen will. "Ich hatte mich schon nach Versicherungen erkundigt", berichtet er. Was er als Alternative ersonnen hat, können die Zuschauer dann bei der Prüfung sehen.

Jetzt interessiert uns aber noch eins: Wenn die Zauberschüler wirklich zaubern könnten, was würden sie sich dann fürs kommende Jahr zaubern? Zauberschul-Chef Voit: "Volle Semester". Dass er die "Schwebende Jungfrau" nicht mehr kann, ist ihm dagegen nicht so wichtig. Johannes Botzky, Andreas Kutschera und Benjamin Volk, von Beruf Moderator und Kommunikationstrainer, haben denselben Wunsch: "Viele Aufträge als Zauberer". Andreas Wolf würde sich "innere Ruhe" zaubern, Alfred Kothig einfach 2019 besser als 2018 machen, "in jeder Hinsicht". Schüler Valentin Ruhs möchte "trotz Abi viel Zeit zum Zaubern" haben, Filmemacher Robert Rebele würde seine Magie dafür einsetzen, "dass die Leute mal merken, wie gut es ihnen geht" und das Zauber-Paar Anna-Lena Kahmann und ihr Freund Björn Koalick, beide Sozialpädagogen, möchten "mehr Zeit für das Zauberhafte im Leben, für die Vorstellung, dass alles möglich ist." Bernhard Hiergeist würde seine Kräfte eher praktisch verwenden und folgendes zaubern: "Ein Radl, das nicht geklaut wird."

Die öffentliche Zauberprüfung vor fünfköpfiger Jury, Mitglieder unter anderem vom Magischen Zirkel Deutschland, findet am Freitag, 15. Februar, im Brückenwirt, An der Grünwalder Brücke 1, statt. Einlass 18 Uhr, Zauberei am Tisch 19 Uhr, Show 20 Uhr.

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Quelle:
SZ vom 31.12.2018
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