Den Gerichtssaal im Justizpalast am Stachus betritt Cory G. mit einer Satteltasche in der Hand. Ihr Fahrrad stehe vor dem Haus, sagt sie. Es sei die gleiche Art Rad, mit dem sie 2021 eine nasse Bodenschwelle in Pullach überqueren wollte, dabei stürzte und sich verletzte. Sie fordert Schmerzensgeld in Höhe von 3170 Euro von der Gemeinde und die Feststellung der Schadenersatzpflicht.
Denn G. macht die Gemeinde für den Sturz verantwortlich. Die schwarz-gelben Bodenschwellen, die die ganze Fahrbahnbreite einnehmen und Verkehrsteilnehmer am Rasen hindern sollen, genügten den Anforderungen der Verkehrssicherheitspflicht nicht, heißt es in der Klage. Ein Überqueren mit dem Fahrrad sei bei Nässe lediglich mit Schrittgeschwindigkeit möglich. Die Gemeinde weist die Verantwortung von sich: Bei entsprechender Aufmerksamkeit, Geschwindigkeit und Fahrweise könnten die Bodenschwellen gefahrlos überquert werden.
G. schildert vor der 15. Zivilkammer des Landgerichts München I, dass sie am 18. August 2021 nach einem Sturzregen mit ihrem Fahrrad versucht habe, eine der Schwellen auf der Habenschadenstraße seitlich zu umfahren. Als sie jedoch gemerkt habe, dass der Platz für den Reifen nicht ausreiche, habe sie den Vorgang abgebrochen und sei schräg auf der Schwelle aufgekommen. "Dann bin ich mit dem Vorderrad ausgerutscht auf dem Kunststoff, der ist rutschig." Sie sei auf die Seite gefallen, habe sich Schürfwunden zugezogen, ihre Schulter ein halbes Jahr lang nicht belasten können und unter Schlafstörungen gelitten.
Ihrem Streckentracker lässt sich entnehmen, dass sie an dem Tag mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 20 Kilometer pro Stunde gefahren ist. An der Stelle sei sie jedoch maximal zehn Stundenkilometer gefahren, versichert G. Ihr Rad habe keine Stoßdämpfer, deshalb könne sie nur langsam über solche Schwellen fahren. Es ist ein Klapprad mit 20-Zoll-Reifen.
Der Vorsitzende Richter macht schnell klar, dass er die Aussichten der Klage für sehr gering hält. "Was Ihnen widerfahren ist, ist sicherlich ein blöder Unfall", sagt er. "Aber Sie haben einen Fahrfehler gemacht." Außerdem stelle das Fahrrad mit den kleinen Reifen per se für Erwachsene ein Risiko dar. Die Bodenschwellen seien von der Gemeinde viel mehr im Sinne der Verkehrssicherheit eingeführt worden, als dass sie diese verletzen würden.
Anwohner der Straße beschweren sich über "Kampfradler"
Die fünf Fahrbahnschwellen auf der Habenschadenstraße gibt es seit 2021. Vorangegangen war ein entsprechender Antrag im Gemeinderat und eine Beschwerde der Anwohner der Straße, in der auch explizit auf sogenannte Kampfradler hingewiesen wurde. In der Straße ist generell Tempo 30 erlaubt. Ein Antrag auf Abbau der Schwellen wurde nach Angaben der Gemeinde 2023 vertagt, um das Urteil in dem Fall abzuwarten. In Zukunft sei denkbar, andere Möglichkeiten zur Verkehrsberuhigung zu suchen.
Der Anwalt der G. bemängelt, dass die Schwellen in ihrer derzeitigen Form nicht verkehrsgerecht seien. "Diese temporären Maßnahmen hat man zu dauerhaften Maßnahmen verkommen lassen", sagt er. In Grünwald beispielsweise gebe es betonierte Schwellen, bei denen es deshalb nicht zu derartigen Unfällen kommen könne.
Die Anwältin der Gemeinde sieht das anders. Sicherlich könnten die Schwellen gefährlich sein, aber nur, wenn man schräg darauf fahre. Und wenn es zu rutschig sei: "Zur Not muss man als Radfahrer absteigen!" Der Satz entlockt der Klägerin ein entrüstetes Lachen. Aufgrund der geringen Erfolgsaussichten lässt sie die Klage jedoch schließlich fallen. Sie muss die Kosten des Rechtsstreits tragen.