Zwei Jahre nach dem Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union fällte das Bundeskabinett eine Entscheidung, welche das Leben vieler kroatischer Staatsbürger nachhaltig veränderte: Seit 1. Juli 2015 dürfen sie hierzulande ohne Visum und Arbeitserlaubnis berufstätig werden. „Die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist eine wichtige Errungenschaft. Für die Mehrheit der Menschen ist sie sogar das wichtigste EU-Bürgerrecht“, begründete die damalige Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles diese Entscheidung. Heute leben dem Auswärtigen Amt zufolge mehr als 430 000 Kroaten in Deutschland – mehr als in jedem anderen EU-Staat.
Einer von ihnen ist Dario Ivanusa. „Ja, das hat schon alles sehr erleichtert“, sagt der 37-Jährige. „Die EU hat sicher dazu beitragen, dass Deutschland die Einschränkungen für Kroaten aufgehoben hat.“ Ivanusa leitet die „Mäuseburg“, eine Kinderbetreuungseinrichtung der Arbeiterwohlfahrt in Pullach. Eigentlich stamme er aus Lopatinec, erzählt er. Das kleine Dorf in Nordkroatien liegt zwischen den Grenzen zu Ungarn und Slowenien; dort sei er lange Grundschullehrer gewesen. „Aber es gab wenige Stellen und eine unbefristete Anstellung zu bekommen, war wahnsinnig schwierig. Man musste immer damit rechnen, dass man alle paar Monate versetzt wird.“
Deshalb hätten er und seine heutige Frau sich entschlossen auszuwandern. Deutschland und Kanada seien in der engeren Auswahl gestanden, erinnert sich Ivanusa. Weil er noch aus der Schulzeit etwas Deutsch konnte, die Hürden niedriger waren und die Familie in Kroatien leichter erreichbar, entschieden sie sich letztlich für Deutschland. Im Spätsommer 2015, kurz nach der bundesweiten Arbeitserlaubnis für kroatische Staatsbürger, wagte das Paar den Schritt.
In Pullach startete Ivanusa zunächst als Kinderpfleger. Er bildete sich zur pädagogischen Fachkraft weiter; vor drei Jahren stieg er zum Leiter der „Mäuseburg“ auf, die Krippe und Kindergarten unter einem Dach vereint. Um in Bayern als Grundschullehrer weiterarbeiten zu können, hätte er sich trotz EU-Bürgerschaft wohl den kroatischen Studienabschluss anerkennen lassen müssen, vermutet er – darauf habe er verzichtet. „Wo ich den Kindergartenbereich kennengelernt habe, war mir das dann nicht mehr wichtig, weil ich es auch toll fand.“ Und auch privat sei er gut angekommen: Er und seine Frau, inzwischen junge Eltern, fühlten sich in München wohl, erzählt Ivanusa, der inzwischen fließend Deutsch spricht.
Als Kroate, der den EU-Beitritt seines Landes 2013 bewusst miterlebt hat, weiß Ivanusa die Privilegien der europäischen Gemeinschaft sehr zu schätzen, insbesondere die Arbeitnehmerfreizügigkeit und den freien Reiseverkehr. „Der Beitritt war schon eine Freude“, sagt er. „Durch die EU ist alles einfacher geworden.“ Auf wirtschaftlicher und politischer Ebene befindet sich sein Heimatland seither im Umbruch: 2023 wurde dort der Euro als offizielle Währung eingeführt; auch zum Schengen-Raum gehört Kroatien erst seit vergangenem Jahr. Der wichtigste Aspekt – das Menschliche – sei in den Köpfen und Herzen der Menschen dagegen schon angekommen, glaubt Dario Ivanusa: „Die Europäer stehen miteinander und sie halten zusammen.“
In der Serie „Mein Europa“ stellt die SZ bis zur Wahl des EU-Parlaments am 9. Juni Menschen aus dem Landkreis München vor, in deren Leben die europäische Einigung eine besondere Rolle spielt.

