Pullach:Grüß Gott aus New York

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Künstler senden Videobotschaften ans Pullacher Publikum

Von Udo Watter, Pullach

Nicht zu Unrecht hatten viele Künstler und Veranstalter jüngst den Eindruck, die Politik behandele die Kultur in Corona-Zeiten als Quantité négligeable. Jetzt scheint sich zwar auch im "Kulturstaat Bayern" konkret etwas zu ändern, das hält die Verantwortlichen aber nicht ab, selbst kreative Akzente im Umgang mit der Situation zu setzen. Hannah Stegmayer, Leiterin des Bürgerhauses Pullach, etwa hat sich etwas einfallen lassen. "Wir haben von Künstlern Videobotschaften fürs Pullacher Publikum angefordert." Das heißt, Künstler oder Ensembles, deren Auftritt im Isartal der Pandemie zum Opfer gefallen sind, sollen nun bei den potenziellen Besuchern für ihre, auf kommenden Spielzeiten verschobenen Vorstellungen werben. "Manche habe sich was Witziges einfallen lassen", freut sich Stegmayer. Sie selber betont gern den Wert der Kultur - konsequent, dass die Künstler für die Videos, die auf der Homepage des Bürgerhauses zu finden sind, auch honoriert wurden.

Zu sehen ist dort etwa Christophe Görges, Leiter der Kammeroper München, die Mozarts "Così fan tutte" ursprünglich am 13. Mai im Bürgerhaus aufführen sollte (um ein Jahr verschoben). Er definiert versiert: "Kultur ist genau das Gegenteil von Corona. Es ist ein emotionales Miteinander." Man dürfe als Zuschauer "den Mantel des Alltags an der Garderobe abgeben, um einen wunderbaren Abend zu erleben". Später folgen Ausschnitte aus der Oper. Schauspieler Michael Lerchenberg präsentiert ein Video von einem seiner Valentin-Abende und kommentiert: "Das Nicht-Stattfinden von Theater ist das Thema von 'Sturzflüge im Zuschauerraum', ... wenn der Abend denn stattfindet. Findet er aber statt, dann findet er auch nicht statt - zumindest nicht so wie es geplant ist."

Misha Amory vom Brentano String Quartet sendet Grüße aus New York nach Pullach ("Grüß Gott... here is a short message") und verleiht seiner Vorfreude auf das in den März 2021 verschobene Konzert Ausdruck. Zu hören sind anschließend Mozart-Aufnahmen aus einem Album, das in Europa noch nicht erhältlich ist.

Speziell gemachte (und honorierte) Videobotschaften findet Stegmayer in Ordnung, vom inflationären Streaming hält sie dagegen wenig. "Das kann man langsam nicht mehr sehen und hören. Kunst ist etwas wert." In ihrem Bemühen, Live-Kultur bald wieder möglich zu machen, schwebt ihr auch Unkonventionelles vor: etwa Veranstaltungen zu machen, bei denen erst eine Hälfte des Publikums unter Abstandswahrung im Saal ist, während die andere derweil im Foyer des Bürgerhauses den Auftritt am Bildschirm verfolgt - nach einer Pause sollen dann die Hälften die Plätze wechseln.

Ob das Publikum so etwas annehmen würde? Stegmayer hält große Stücke auf das Pullacher Publikum und seinen Willen, sich für kulturelle Belange einzusetzen. "Unsere Zuschauer sind sehr empathisch. Viele würden ihre Abos spenden." Ein weiterer Gedanke Stegmayers: Konzerte in Kirchen zu organisieren, da dort ja auch wieder Gottesdienste erlaubt seien. Ob das realistisch ist oder nicht - für sie geht es um Essenzielles: "Es darf nicht soweit kommen, dass Kultur verzichtbar wird."

© SZ vom 15.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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