Pullach:Es ist genug für alle da

Pullach: Bärbel Luft, Inge Westner, Wolfgang Bodynek und Helga Felsner (von links) geben in Pullach Lebensmittel an Bedürftige aus.

Bärbel Luft, Inge Westner, Wolfgang Bodynek und Helga Felsner (von links) geben in Pullach Lebensmittel an Bedürftige aus.

(Foto: Claus Schunk)

Seit zehn Jahren versorgt der Isartaler Tisch Bedürftige in Pullach, Baierbrunn und Solln mit Lebensmitteln. Bei der Ausgabe gibt es lange Schlangen

Von Claudia Wessel, Pullach

Es ist gemütlich im Garten hinter dem Gebäude in der Dr.-Gustav-Adolph Straße 14 bis 16 in Höllriegelskreuth. An einigen Tischen sitzen schon Leute bei einem Kaffee und einem Stück Schokoteilchen. An beidem kann man sich bedienen in den Räumen, die von United Initiators mietfrei für den Isartaler Tisch zur Verfügung gestellt werden. Die süßen Teilchen sind in Stücke geschnitten, der Kaffee in einer von der Pullacher Geothermie gespendeten Kaffeemaschine gekocht. Es ist kurz vor 12 Uhr an einem Freitag, dem Tag der Lebensmittelausgabe. Um 12.15 Uhr geht es los mit der Nummernausgabe.

Der Isartaler Tisch hat jetzt mit 111 ehemaligen und aktuellen ehrenamtlichen Helfern seinen zehnten Geburtstag gefeiert. Der Verein, der für Bedürftige aus Baierbrunn, Pullach und Solln eine kostenlose Lebensmittelausgabe organisiert, betreut derzeit circa 200 Menschen, wie der Vorsitzende Johannes Schuster sagt. Die Idee entstand 2008, als der Pfarrgemeinderat der Pullacher Pfarrei Heilig Geist die Gründung einer Lebensmittelverteilung beschloss. Die Caritas und die Kommunalpolitik unterstützten das Projekt. 2009 fanden sich dann engagierte Menschen zusammen, um das Vorhaben zu verwirklichen.

Der damalige Pullacher Bürgermeister Jürgen Westenthanner von der CSU stellte die Verbindung zur Firma United Initiators her, in deren Werkswohnungen die Tafel ein Zuhause fand. Der Lions Club und weitere Spender sorgten für Startkapital und einen Kühltransporter. Mit Lebensmittelgeschäften traf man Vereinbarungen über den Bezug der Waren, die meisten werden gespendet. Teilweise werden auch abgelaufene Produkte verteilt, die die Menschen freiwillig nehmen können. Die meisten Waren sind ja nach Mindesthaltbarkeitsdatum noch genießbar. Als sich gleich nach dem Beschluss auch sehr viele Ehrenamtliche fanden, wurde 2009 der Verein "Isartaler Tisch" gegründet.

Drinnen steht an diesem Freitagmittag schon eine ganze Batterie von Einkaufstrolleys bereit, die die Bezieher der Spenden mitgebracht haben. Die Adresse ist ein Stück von der S-Bahn entfernt, wer seine Lebensmittel hier wegtransportieren will, muss sich gut ausrüsten. Einige Leute sind mit dem Fahrrad da, manche haben auch jemanden, der sie mit dem Auto fährt. Für eine kranke Frau kommt ihre beste Freundin. Sie ist hier schon als Vertreterin bekannt und hat den Ausweis der Kranken dabei. Einige starke Männer haben auch mehrere Einkaufstaschen mitgebracht, die sie dann nach Hause tragen. Vor allem die Leute, die für die ganze Familie Lebensmittel abholen, haben ganz schön zu schleppen.

Kurz vor 12.15 Uhr kommen die Leute herein, es bildet sich eine Schlange an der Nummernausgabe. Dort muss jeder seinen Berechtigungsausweis vorzeigen, bevor er einen Nummerchip bekommt. Zwar mache eine hohe oder niedrige Nummer sicher keinen Unterschied, was die Menge oder Qualität der Lebensmittel betrifft, die man mitnehmen darf, versichert Schuster. "Es ist für alle genug da." Aber damit die Ausgabe eine gewisse Ordnung hat und sich niemand benachteiligt fühlt, geht es nach Nummer. Auch gibt es zwei Gruppen, die erste kommt um 12 Uhr, die nächste um 14 Uhr. Singles bekommen eine Nummernmarke, wer für die Familie oder weitere Angehörige da ist, Zusatzchips.

Dann beginnt erst mal das Warten. Bis es losgeht mit der Ausgabe, machen es sich alle wieder irgendwo gemütlich. 12.30 Uhr ist der offizielle Beginn der Ausgabe, doch heute gibt es eine kleine Verzögerung. Ein Mann kommt an die erste Ausgabestelle, und klopft auf seine Uhr. Es sei doch schon so weit, deutet er an. "Ja, ich weiß auch nicht", sagt die Ehrenamtliche hinter der Theke. Dann leuchtet endlich die "1" an der Anzeige über dem Warteraum auf. Es geht los.

Wenn auch vielleicht mancher Ungeduld spürt - eine junge Frau etwa murmelt vor sich hin: "Alle haben so eine hohe Nummer, ist ja gemein" - , geht alles hier doch sehr ruhig vonstatten. An drei Boxen können die Bezieher ihre Wünsche äußern. An der ersten gibt es Brot, Milch, Reis, Nudeln, Honig, Fleisch. An der zweiten Box ist Gemüse in den Regalen gestapelt, an der dritten Obst und auch Babymilch und eben die abgelaufenen Produkte. Die meisten Leute machen kleine Pausen zwischen ihren "Bestellungen", als sei es ihnen ein wenig peinlich. "Es gibt Leute, die nehmen alles mit", sagt eine Helferin. "Andere sind schon so dankbar, wenn sie nur ein paar Sachen annehmen."

Ein schlechtes Gewissen braucht aber hier keiner zu haben. Ein 34-jähriger Mann hat sich im Garten an einem Tisch niedergelassen. "Ich bin erwerbsunfähig", erzählt er. "Es ist toll, dass es das hier gibt. So koche ich mir auch mal etwas." Eine schwangere Frau, die an den Boxen ebenfalls sehr zögerlich geordert hat, macht vor dem Heimweg auch noch eine Pause im Garten. Und wirkt jetzt ganz entspannt. Ihr Kühlschrank wird diese Woche nicht leer sein.

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