Süddeutsche Zeitung

Pullach:Eine Million Euro für das digitale Klassenzimmer

Die Gemeinde Pullach setzt auf ein Konzept mit Leihgeräten - nicht auf die von der FDP geforderten Laptops für jeden Schüler

Von Michael Morosow, Pullach

Der Platz von Alexander Betz (FDP) ist bei der Gemeinderatssitzung am Dienstagabend im Bürgerhaus unbesetzt geblieben. Vielleicht aber haben ihm die Ohren geklingelt, als der von ihm unterzeichnete Antrag seiner Fraktion, wonach die Gemeinde allen Lehrern und Schülern der staatlichen und kommunalen Pullacher Schulen ein digitales Endgerät kostenfrei stellt, Gegenstand der Beratungen war. Dieser Antrag und insbesondere der darin erhobene Vorwurf an Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund, sie habe es bisher versäumt, sich um die Digitalisierung an den Schulen ausreichend zu kümmern und sich über die entsprechenden Fördermöglichkeiten zu informieren, fiel ihm und seiner FDP-Fraktion jedenfalls krachend auf die Füße.

Genau das Gegenteil ist der Fall, und so konnte sich Betz' Fraktionskollege Michael Reich nicht wohl in seiner Haut fühlen, als der Pullacher Kämmerer André Schneider den Mitgliedern des Gremiums die in zwei Jahren Arbeit gereiften gemeindlichen Pläne für eine Digitalisierung der Pullacher Schulen vorstellte. Schneider berichtete von bereits eingegangenen Förderzusagen und sagte, mit dem erarbeiten Konzept spiele die Gemeinde landkreisweit ganz oben mit. Von einem Versäumnis der Bürgermeisterin kann also keine Rede sein. Sie habe sich über die despektierliche Formulierung im FDP-Antrag geärgert, zumal sich der Autor im Rathaus nicht zuvor über den Stand der Schuldigitalisierung erkundigt habe, sagte Tausendfreund. "Das ist unverschämt." Michael Reich druckste nicht lange rum, sondern sagte an die Bürgermeisterin gerichtet, er könne erkennen, wenn jemand verletzt werde, und er entschuldige sich dafür im Namen der FDP.

Aber auch in sachlicher Hinsicht schmetterte das Gremium das Ansinnen der FDP-Fraktion ab. "Nicht einmal die Schulleiter stehen hinter diesem Antrag", merkte Tausendfreund an, denn wie sie selbst seien diese der Meinung, dass personengebundene digitale Geräte dem erarbeiteten pädagogischen Konzept eher widersprechen. Hätte der FDP-Antrag Erfolg gehabt, dann hätte die Gemeinde 1300 Endgeräte anschaffen müssen - so viele Schülerinnen und Schüler gehen derzeit auf die Grund- und Mittelschule sowie auf das staatliche Gymnasium.

Die Gemeinde Pullach setzt lieber auf ein ganzheitliches Konzept und dabei auf die technische Ausstattung der Schulen, nicht der Schüler, aber auch das geht ins Geld. Am Ende einigte sich das Gremium einstimmig darauf, für den Digitalausbau an den Pullacher Schulen eine Million Euro in den Haushalt zu stellen. 496 000 Euro werden die Kosten für die Grund- und Mittelschule, betragen, wobei mit einer staatlichen Unterstützung, unter anderem im Rahmen des Förderprogramms "Digitales Klassenzimmer" in Höhe von 247 000 Euro gerechnet werden kann. Auf 782 000 Euro werden die Kosten für den Digitalausbau am Gymnasium beziffert, abzüglich staatlicher Förderung verbleiben der Gemeinde 400 000 Euro Ausgaben.

Die 60 Leihgeräte, die die Gemeinde angeschafft hat, schlagen finanziell weniger ins Gewicht als der notwendige Aufbau einer Infrastruktur. Dazu zählen unter anderem Breitbandanschlüsse bis zu den Schulen, strukturierte Gebäudeverkabelungen, interaktive Tafeln, Lehrertablets und mobile Tabletwagen für Schüler. André Schneider erntete von allen Fraktionen Lob für das Konzept, in das er nach eigenen Worten viel Herzblut und Zeit hineingesteckt hat. "Ein sehr gut gedachtes Konzept", sagte etwa Johannes Schuster (WIP). Es gehe nicht nur um technische Ausstattung, sondern auch um ein Medienkonzept, sagte Fabian Müller-Klug (Grüne). Und mit diesem Konzept, so zeigte er sich überzeugt, nehme die Gemeinde Pullach eine Vorreiterrolle ein.

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SZ vom 25.06.2020
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