Pullach:Echtzeit-Protokoll statt Live-Stream

Kommunalwahl 2020

Auch Dritte Bürgermeisterin Cornelia Zechmeister sprach sich gegen die Live-Übertragung der Sitzungen aus, die ihre eigene WIP-Fraktion mit beantragt hatte.

(Foto: Hartmut Pöstges)

CSU, FDP und WIP finden keine Mehrheit für ihren Vorstoß, die Gemeinderatssitzungen im Internet zu übertragen. Die teils erbittert geführten Debatten sollen aber rasch in schriftlicher Form übertragen werden

Von Martin Mühlfenzl, Pullach

Mit Zornesröte im Gesicht steht Michael Reich zu Beginn der Gemeinderatssitzung im Pullacher Bürgerhaus am Mikrofon. Er sei heute "ein wenig auf Krawall gebürstet", sagt der FDP-Gemeinderat. Es sind mehrere Dinge, die ihn so erzürnen: Erstens habe die Verwaltung einen FDP-Antrag zum Glasfaserausbau nicht auf die Tagesordnung gepackt, das empfinde er als "Missachtung". Und zweitens - was schwerer wiege - sehe er die Rechte der Gemeinderäte "sich wie Äther verflüchtigen". Weil das Gremium kurz zuvor angesichts der langen Tagesordnung die Fragestunde für Gemeinderäte ans Ende der Sitzung verlegt hat. Dabei, kritisiert Reich, sei doch das Fragerecht "das letzte Recht, das uns noch verblieben ist".

Es sind wohl Szenen und Äußerungen wie diese, die Fabian Müller-Klug von den Grünen etwas später dazu veranlassen, in der Diskussion über einen weiteren Antrag der FDP, den diese gemeinsam mit den Fraktionen von CSU und der Wählergruppe Wir in Pullach (WIP) gestellt hat, zu intervenieren. Er stelle sich schon die Frage, sagt Müller-Klug, ob es eine gute Idee sei, dass der Gemeinderat die Debattenkultur, die er habe, wirklich nach außen tragen wolle - via Livestream. Denn genau das forderten FDP, CSU und WIP in ihrem Antrag: eine Direktübertragung der Sitzungen im Internet. Der Gemeinderat lehnt das Ansinnen später aber mehrheitlich ab, wie auch eine Audio-Live-Übertragung.

In der vorhergehenden Debatte wurde wieder deutlich, dass der Pullacher Gemeinderat nicht nur ein streitbares, sondern ein sehr streitbares Gremium ist. WIP-Gemeinderat Reinhard Vennekold versuchte, vor allem die Grünen aus der Reserve zu locken. Deren Parteikollegen im Landtag und im Münchner Stadtrat seien große Befürworter der Live-Übertragung von Sitzungen, sagte Vennekold und appellierte an die Grünen und auch die Sozialdemokraten: "Liebe Grüne und SPD, geben Sie sich einen Ruck." Auch eine Spitze gegen Bürgermeister Susanna Tausendfreund (Grüne), die Live-Übertragungen der Sitzungen in der Beschlussvorlage klar ablehnte, konnte sich der WIP-Gemeinderat nicht verkneifen: "Immer wenn man an der Macht ist, will man keine Transparenz."

Tausendfreund selbst stellte klar, dass auch datenschutzrechtliche Gründe gegen einen Livestream der Gemeinderatssitzungen sprächen; zudem hätten bereits mehrere Gemeinderäte und auch Rathausmitarbeiter klargestellt, dass sie nicht wünschten, persönlich im Stream gezeigt zu werden. Und dieses Recht hätten sie auch, sagte Tausendfreund. Unterstützung erhielt sie von Zweitem Bürgermeister Andreas Most (CSU), der sagte, es wäre schon eine "komische Übertragung", wenn nur einige Ausschnitte zu sehen seien. Seine Fraktion habe den Antrag mitten auf dem Höhepunkt der Corona-Krise unterstützt, damals seien alle davon ausgegangen, unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagen zu müssen. "Mit der Live-Übertragung wäre die Herstellung der Öffentlichkeit möglich gewesen", sagte Most. "Aber das Argument ist jetzt weggefallen." Auch Dritte Bürgermeisterin Cornelia Zechmeister (WIP) sprach sich gegen eine Live-Übertragung aus, sie wolle nicht, dass ihre Wortbeiträge aufgezeichnet würden, sagte sie.

Den Weg hin zu einem Kompromiss versuchte die fraktionslose Gemeinderätin Caroline Voit zu ebnen, indem sie vorschlug, statt Live-Bilder oder eines Audio-Streams ein Echtzeit-Protokoll der Sitzung online anzubieten. Dieses Ansinnen fand schließlich die Mehrheit des Gremiums, das die Verwaltung beauftragte, ein entsprechendes Konzept zu erarbeiten. Tausendfreund sagte allerdings, dies werde Zeit brauchen, außerdem sei die Betreuung eines Live-Protokolls aus der Sitzung heraus sicher mit einem personellen Mehraufwand und Kosten verbunden. Michael Reich bedauerte die ablehnende Haltung der Gemeinderäte in Bezug auf den Livestream. Gemeinderäte stünden immer unter Beobachtung, die Internetübertragung sei "nur die neue Form".

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