Pullach:Die Skater dürfen bleiben

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Der Gemeinderat verwirft die Verlegung von Rampen und Halfpipe aus der Ortsmitte zum Gymnasium. Stattdessen soll eine Lärmschutzwand gebaut werden, um die Schließung der Anlage abzuwenden

Von Martin Mühlfenzl, Pullach

Caspar Petrick nimmt den Faden auf und verweist auf den Ortsentwicklungsplan, der kurz zuvor vorgestellt worden ist. Viel sei darin von Senioren und Kindern die Rede, sagt der junge Skater mit fester Stimmte vor den Gemeinderäten und mehr als hundert Zuhörern im Sitzungssaal. "Aber aus Kindern werden irgendwann Jugendliche", sagt er. Und die dürften nicht weiter abgedrängt werden.

Dass sich der Pullacher Gemeinderat am Dienstagabend nach monatelangem Gezerre mehrheitlich durchgerungen hat, einen Bauantrag für Lärmschutzmaßnahmen beim Landratsamt zu stellen und den Skaterpark in der Ortsmitte an der Margarethenstraße zu belassen, hat viel mit dem Einsatz und der Präsenz der Jugendlichen für ihre Sache zu tun. Dies würdigte auch Grünen-Gemeinderätin Renate Grasse: "Die Jugendlichen sind auch Bürger dieses Ortes und wollen in der Mitte bleiben."

"Das ist keine Drohkulisse des Landratsamtes."

Die etwa 60 Jugendlichen, die den Weg in den Sitzungssaal fanden, hatten sich wieder für ihre weißen T-Shirts als unübersehbares Outfit entschieden. "Rettet den Skaterpark", lautet die Botschaft auf ihren Rücken. Denn der, das machte Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (Grüne) deutlich, stehe wirklich vor dem Aus, wenn sich das Gremium jetzt nicht für neue Lärmschutzmaßnahmen ausspreche. "Das ist keine Drohkulisse des Landratsamtes", sagte sie. "Wenn wir heute keine Entscheidung treffen, können wie die Anlage morgen dichtmachen."

Um den Skaterpark im Herzen des Ortes wird seit seiner Eröffnung im Juli 2015 gerungen. Anwohner beschweren sich immer wieder über zu viel Krach, die Halfpipe ist geschlossen, der Park ohnehin nur noch vier Stunden am Tag geöffnet - und das auch nur für Kinder und Jugendliche. Und über allem schwebt seit Monaten die Ankündigung des Landratsamtes, die Anlage zu schließen, wenn die Gemeinde keine Schallschutzmaßnahmen ergreift, wie es im Bürokratendeutsch heißt.

Die Jugendlichen selbst haben stets klar gemacht, die Anlage an diesem Ort erhalten zu wollen. Sie haben sich mit der Schließung der Halfpipe - der besten in ganz Südbayern, wie manche Skater auf Facebook schreiben - ebenso arrangiert wie mit den verkürzten Öffnungszeiten. In den vergangenen Wochen haben sie Unterschriften gesammelt, sich beim Erbauer der Anlage erkundigt, wie diese optimiert werden könnte, um weniger Lärm zu erzeugen. Sie haben Kostenberechnungen angestellt und immer wieder - auch in Gesprächen mit Tausendfreund - gesagt, sie wollten selbst mit anpacken, wenn es zur Sanierung kommt. Vielleicht, sagte Caspar Petrick, müsste dann die Mauer doch nicht sechs Meter hoch werden, wie im Lärmschutz-Gutachten vorgegeben - und die Gemeinde würde sogar Geld sparen.

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Was in der Debatte der Gemeinderäte erneut aufbrach, ist ein "klassischer Interessenkonflikt",wie es SPD-Fraktionschef Holger Ptacek ausdrückte. Das Wohl der Anwohner, sagte er, müsse ebenso berücksichtigt werden wie der Wunsch der Skater. CSU-Sprecher Andreas Most sagte, ihn treibe das "Thema allmählich zum Wahnsinn".

Damit beschrieb er, wie schwer es dem Gremium seit Beginn der Debatte fällt, alle Belange - auch die finanziellen und technischen - unter einen Hut zu bringen. Most brachte erneut die sogenannte Bowl ins Spiel; in den Boden versenkte Elemente, die den Lärm deutlich reduzieren könnten, wie er sagte. Ptacek schlug vor, am Alternativstandort Gymnasium einen provisorischen Skatepark einzurichten, bis an der Margarethenstraße ein neues Jugendzentrum gebaut wird, das dann als Lärmschutz für einen neu errichteten Skatepark dienen könnte. Den Skatern im Sitzungssaal war anzumerken, dass ihnen beide Vorschläge nicht behagten.

Das Jugendzentrum soll neben der Skateanalage entstehen

Vielleicht war es dann die kurze, aber sehr emotionale Rede von Inga Bramm, Teamleiterin im Jugendzentrum, die eine Mehrheit der Gemeinderäte überzeugte, den Bauantrag für Lärmschutzwände zu stellen. "Wir haben viel mit den Jugendlichen gearbeitet, damit sie sich an die Regeln halten und nicht über den Zaun klettern, wenn der Park nicht auf ist", sagt sie. "Ich möchte nicht wissen, was passiert, wenn die Anlage ganz geschlossen wird." Nach der Abstimmung zeigt sich Inga Bramm erleichtert: "Wir sind happy. Und die Jugendlichen haben jetzt nicht das Gefühl, in der Mitte der Gemeinde ist kein Platz für sie."

Die Jugendlichen sollen also im Zentrum bleiben; die Anwohner bekommen Lärmschutzwände, die etwa 220 000 Euro kosten werden. Der Standort weit draußen am Gymnasium wird nicht weiter verfolgt. Die Bowl wird nicht kommen. Und ein Jugendhaus, wie von SPD-Gemeinderat Ptacek gefordert, soll auf dem Areal entstehen. "Das wäre natürlich optimal", sagte Jugendzentrumsleiterin Bramm.

Das sind die Eckpunkte der Abstimmung, die am Ende eines denkwürdigen politischen Prozesses stehen. Die Arbeit aber geht jetzt erst los. Skater Caspar Petrick versprach, bei der Dämmung mitzuhelfen. "Wir haben viel Energie reingesteckt, um das Ding zu erhalten", sagte er - und applaudierte nach der Abstimmung den Gemeinderäten mit seinen Freunden, als sie den Saal verließen.

© SZ vom 27.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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