Süddeutsche Zeitung

Denkmalschutz in Pullach:Ein Türmchen für die Zofe

In Pullach nagt die Zeit an einem Haus, das zu der Villenkolonie gehört, die der Münchner Bauunternehmer Jakob Heilmann Anfang des vorigen Jahrhunderts errichtete. Jetzt lässt die Gemeinde das denkmalgeschützte Gebäude sanieren.

Von Claudia Wessel, Pullach

Die Zofe hatte einen schönen Ausblick. Aus ihrem Zimmer im Türmchen der Villa, die genau an der Ecke Habenschadenstraße und Jaiserstraße in Pullach steht, konnte sie auf die Isar und bis zu den Alpen blicken. Das schöne Haus hatte ein Professor Bauschinger für seine Tochter erworben, wie Stefan Miller erzählt, der als Architekt in der Bautechnik der Gemeinde Pullach arbeitet. Ins Turmzimmer durfte die Hausangestellte ziehen. Gebaut haben die Villa in den Jahren 1907/08 die Architekten Ludwig Stadler und Julius Necker, die im Auftrag von Jakob Heilmann arbeiteten, nach dem in Pullach ebenfalls eine Straße benannt ist.

Mehr als zwölf Millionen Quadratmeter Grund hatte der Münchner Bauunternehmer Jakob Heilmann Ende des 19. Jahrhunderts in Bogenhausen, Nymphenburg, im Isartal, im Würmtal und am Starnberger See in Feldafing erworben. Auf den großen Flächen ließ er historisch und romantisch wirkende Villen errichten, die er an wohlhabende Bürger verkaufen wollte, die das Leben in der engen Stadt satt hatten. Pullach war seinerzeit noch Land, in dem die Bürger quasi eine dauerhafte Sommerfrische erleben sollten.

An der Fassade fehlt Schmückendes

"Es hat nur teilweise funktioniert", weiß Miller. Denn 1914 begann die Wirtschaftskrise und beispielsweise in Gräfelfing standen viele neu gebaute Villen leer. Das Haus an der Habenschadenstraße 14 in Pullach aber hat noch einen Käufer gefunden. Im Vergleich zu vielen der anderen Heilmann'schen Villen sei es relativ schlicht, sagt Miller. "Es handelt sich um Reformstil." Applikationen oder Schmückendes an der Fassade fehlen, stattdessen hat das Gebäude rustikale Elemente, wie etwa den Putz in horizontalem Besenstrich. Aber durch das Türmchen hat es noch einen Hauch von Historismus, den Heilmann in seinen Villenkolonien gerne pflegte.

Die Gemeinde Pullach hat das Haus 1949 erworben, 2016 wurde es unter Denkmalschutz gestellt. Im Juli dieses Jahres hat der Gemeinderat die Sanierung des Hauses beschlossen, wofür 420 000 Euro im Haushalt 2020 vorgesehen sind. Zunächst einmal wird sich die Sanierung auf die äußere Hülle konzentrieren, denn im Haus wohnen noch zwei Mietparteien. Eine inzwischen 90-jährige Frau etwa lebt dort bereits seit 65 Jahren.

Wenn die Außenarbeiten abgeschlossen sind, werde man sich eventuell mit den Mietern über Innensanierung unterhalten, sagt Miller. Sie bekämen dann auch Heizkörper statt Nachtspeicheröfen und einen Anschluss an die Geothermie. Auch die bestehenden energetischen Probleme im Inneren könnten dann gelöst werden, verspricht der Bautechniker. Schützenswerte Dinge gibt es drinnen ebenso wie am Haus generell. So etwa das historische Treppengeländer oder die Türzargen.

Ziel der Sanierung ist laut Miller, so viele unveränderte Elemente aus der Entstehungszeit zu erhalten wie möglich. "Zum Glück wurde an dem Haus im Laufe der Jahrzehnte nicht allzu viel verändert", so Miller. In den Siebzigerjahren wurden aber viele Fenster ausgetauscht. Trotzdem sind noch einige der ursprünglichen Kastenfenster vorhanden.

Viele Fachleute haben schon Untersuchungen angestellt

Zur Vorbereitung der Sanierung haben mittlerweile zahlreiche Fachleute den Stand der Dinge untersucht. Eine Werkstätte für Restaurierung hat etwa Querschliffproben vom Putz genommen, um herauszufinden, was die ursprüngliche Farbe war. Dabei hat man Löcher neben den Fenstern gefunden - ein Hinweis darauf, dass es Fensterläden gab.

Bekannt ist auch, dass sich am Haus Obstspaliere befanden, die wieder hergestellt werden. Der Balkon bestand eigentlich aus Holz, es wurde vor Jahren durch Stahlgitter und Stahlträger ersetzt. Auch diese werden wieder aus Holz gefertigt.

Saniert werden muss ebenfalls das Satteldach der Villa. Original sind ohnehin nur noch die Ziegel auf dem Türmchen und eine kleine Ecke auf einem Vorsprung am Haus. Ein paar Recherchearbeiten stehen den Sanierern allerdings auch noch bevor: "Wir sind noch am Rätseln, wie genau das Dach damals gedeckt war", sagt Miller. Im Ziegelarchiv des Deutschen Ziegelverbands wird man versuchen herauszufinden, welche Art von Ziegeln man 1907 verwendete. Darüber hinaus besteht die Hoffnung, dass man beim Abdecken des Dachs Reste von alten Ziegeln findet. Im kommenden Jahr soll dann die Pullacher Villa wieder im alten Glanz erstrahlen - so wie damals, als die Zofe aus dem Turmfenster schaute.

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SZ vom 05.10.2019/sab
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