Pullach:Brutstätte für die Nazis

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Eine Ausstellung beleuchtet Pullachs Rolle während der NS-Zeit

Von Michael Morosow, Pullach

Als die promovierten Historikerinnen Susanne Meinl und Sonja Neumann vor sieben Jahren mit ihren Recherchen zur Geschichte der sogenannten Reichssiedlung Rudolf Heß in Pullach begannen, einer NS-Mustersiedlung, hatten sie nicht mehr als ein paar alte Fotografien zur Hand. Wenn nun am Donnerstag um 19.30 Uhr im Bürgerhaus die Ausstellung "Trügerische Idylle - Pullach und der Obersalzberg" eröffnet wird, werden die Besucher eine Fülle historischen Materials zu sehen bekommen - Bilder und Dokumente aus Archiven und Privatbesitz.

Die beiden Kuratorinnen Meinl und Neumann vom Pullacher Geschichtsforum haben mit Unterstützung sowohl der Dokumenation Obersalzberg des Instituts für Zeitgeschichte als auch der Gemeinde und erstmals auch des Bundesnachrichtendienstes dem geschichtsträchtigen Ort viele Geheimnisse entrissen. Zur Ausstellung kommt dieses Mal jedoch nicht nur das Museale und Morbide, das sich in vielen Jahrzehnten auf dem 68 Hektar messenden Gelände angesammelt hat. Ein Teil davon war ja bereits 2013 in einer ersten Ausstellung mit dem Titel: "Von der Reichssiedlung Rudolf Heß zur Zentrale des Bundesnachrichtendienstes - Geschichte eines geheimnisvollen Ortes" gezeigt worden. In der neuen Ausstellung wird der Fokus auf die Parallelen zwischen dem Obersalzberg und der Pullacher Reichssiedlung gerichtet als Orte schrecklicher Entscheidungen Hitlers und seiner braunen Gefolgschaft und werden weitere bislang wenig bekannten Fotografien und Schriftstücke gezeigt. Bei ihrer Spurensuche haben Meinl und Neumann nicht nur in Archiven gewühlt, sondern auch Familien der Reichssiedlung befragt. Nicht immer seien ihnen die Türen geöffnet worden, mitunter sei ihnen auch gedroht worden, erinnert sich Meinl.

Wenn ihnen aber geöffnet wurde, dann warteten nicht selten spannende Geschichten auf sie. Wie diese von einer 96-jährigen Witwe, die zusammen mit ihrem Mann in der Siedlung "Sonnenwinkel" lebte. Den Kontakt zu dieser Frau hatte die Gemeinde Pullach hergestellt, nachdem der Sohn bei seiner eigenen Spurensuche im Gemeindearchiv angeklopft hatte. Ihn hatte die Mutter stets im Glauben gelassen, sein Vater habe bei der Reichsbahn gearbeitet. Nun, da ihr Susanne Meinl gegenüber saß, lüftete sie ihr Geheimnis, zum Entsetzen ihres Sohnes. "Der war baff, als er erfuhr, dass sein Vater für die Nazi-Parteikanzlei arbeitete und er mit einer Lüge groß geworden ist", erinnert sich die Kuratorin.

Dass die Nationalsozialisten sich in Pullach einrichteten, ist für Albert A. Feiber vom Institut für Zeitgeschichte kein Zufall. "Man geht dahin, wo der Boden bereitet ist", sagt der stellvertretenden fachliche Leiter der Dokumentation Obersalzberg. Die Gemeinde und vor allem der BND hatten sich lange Zeit ihrer Geschichte nicht gestellt, umso bemühter sind sie jetzt bei ihrer Aufarbeitung. Der ehemalige BND-Präsident Gerhard Schindler (2011 bis 2016) habe eine neue Transparenz gewollt und dazu alle Liegenschaftsakten offengelegt, sagt Meinl.

Die Ausstellung "Trügerische Idylle" ist vom 17. Januar bis 7. Februar täglich von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.

© SZ vom 16.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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