Pullach:Virtuelle Hinweistafeln für die Bischof-Meiser-Straße

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Die Schilder bleiben: Die Mehrheit der Gemeinderäte will an der Benennung der Bischof-Meiser-Straße in Pullach nichts ändern. (Foto: Claus Schunk)

Der Pullacher Gemeinderat will die Rolle des evangelischen Bischofs in der Nazizeit auf der Rathaus-Homepage kritisch würdigen, aber keine Zusatzschilder anbringen. Die Entscheidung über eine Umbenennung der Straße soll im Juni fallen.

Von Tilmann Wensky, Pullach

In der Pullacher Bischof-Meiser-Straße werden keine Schilder angebracht, die auf die Rolle des evangelischen Theologen Hans Meiser während der NS-Zeit hinweisen. Das hat der Gemeinderat am Dienstag beschlossen. Stattdessen sollen entsprechende Texte auf der Homepage der Gemeinde veröffentlicht werden. Gleichzeitig wird weiter über die ursprünglich geplante Umbenennung der Straße diskutiert. Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (Grüne) spricht sich weiter dafür aus, eine Entscheidung soll der Gemeinderat im Juni fällen.

Seit mehreren Jahren ringt der Gemeinderat in Pullach um den richtigen Umgang mit Hans Meiser, der von 1933 bis 1955 Landesbischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) in Bayern war und sich bereits davor antisemitisch geäußert hat. Meiser steht in keiner direkten Beziehung zur Gemeinde. Die Straße wurde 1958 nach ihm benannt, als dort ein Studienseminar der evangelischen Kirche eröffnete. Das Pullacher Geschichtsforum, ein 2012 gegründeter Verein, hatte die Umbenennung der Straße im November 2020 beantragt. Die Mitglieder räumen einerseits ein, dass Meiser die bayerische evangelische Landeskirche vor der Gleichschaltung mit der damaligen Reichskirche bewahrt habe, andererseits habe er wiederholt antisemitische Positionen vertreten. Sein Engagement zur Aufarbeitung der Nazi-Verbrechen nach Kriegsende und die Unterstützung der Opfer wird als ungenügend kritisiert.

Der seinerzeitige evangelische Landesbischof von Bayern, Hans Meiser, bei seiner feierlichen Amtseinführung 1933. (Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo)

Als der Gemeinderat im April 2021 über den Antrag abstimmte, waren sich die Mitglieder einig, dass die Faktenlage rund um die Anschuldigungen gegenüber Meiser ausreiche, den Straßennamen zu ändern. Später erreichte die vierköpfige Fraktion von "Wir in Pullach" (WIP), dass der Beschluss für nichtig erklärt wurde. Anschließend erklärte die zweiköpfige SPD-Fraktion, dass sie ihre Position geändert habe und einer Umbenennung nicht mehr zustimme.

Um zu verhindern, dass mit der Umbenennung die Möglichkeit zu einer kritischen Auseinandersetzung mit Meiser und seiner Rolle im Nationalsozialismus verschwindet, stellten Holger Ptacek (SPD), Renate Grasse (Grüne) und Andreas Most (Pullach Plus) im April 2022 einen zusätzlichen Antrag. Darin fordern sie, dass an der Bischof-Meiser-Straße einsehbare Informationstafeln über die kontroverse Person Meiser angebracht werden. Eine Kooperation mit dem anliegenden Studienseminar der evangelischen Kirche erschien ebenfalls möglich. Mit dem Verfassen der Texte wurde die Historikerin Nora Schulze beauftragt, die eine Biografie über Meiser geschrieben hat.

SPD-Gemeinderat Ptacek wirft der evangelischen Kirche einen feigen Umgang mit ihrer Geschichte vor

Die fertigen Texte lagen am Dienstag dem Gemeinderat vor, der sich allerdings dagegen entschied, sie in Form von Infotafeln auszustellen. Es überwogen Zweifel, ob ausführliche Texttafeln an der Straße die bestmögliche Wirkung erzielen. Als Kompromiss einigte sich die Versammlung darauf, die Texte auf der Website der Gemeinde zu veröffentlichen. Ein QR-Code auf dem Straßenschild könnte zusätzlich zu den Texten führen.

Einige Mitglieder des Gemeinderats zeigten sich enttäuscht, dass die evangelische Kirche nicht bereit sei, die Infotafeln in ihrem Studienseminar aufzustellen. Grasse warf den Zuständigen dort vor, der Ambivalenz Meisers keine Plattform geben zu wollen. "Warum soll es dann Aufgabe der Gemeinde sein?", fragte sie. SPD-Gemeinderat Holger Ptacek kritisierte die Kirche ebenfalls scharf: "Das ist feige, so kann Geschichtsaufarbeitung im 21. Jahrhundert nicht aussehen."

Der Pressesprecher der Vereinigten Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands, Frank Hofmann, widerspricht dem Vorwurf, dass die Kirche die Kontroverse um Meiser abblocke. Nach seiner Aussage ist eine optimale Einsichtigkeit der Informationen am wichtigsten und eher über den Internetauftritt inklusive QR-Code gegeben. Generell würde die evangelische Kirche die Umbenennung der Straße begrüßen, sagte er am Mittwoch der SZ; über den Hintergrund des ursprünglichen Namensgebers solle weiterhin aufgeklärt werden. Hofmann hofft nach eigenen Worten auf eine gute weitere Zusammenarbeit mit der Gemeinde: "Es sollen keine Fronten aufkommen."

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