Pullach:Bürgerbegehren landet vor Gericht

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Die Mehrheit des Pullacher Gemeinderats lehnt die Fragestellung als zu vage ab. Die Gegner der Erweiterung des Chemiewerks von United Initiators wollen das nicht akzeptieren und kündigen eine Klage an.

Von Udo Watter, Pullach

"Unterirdisch." Die Reaktion von Christian Boeck, Sprecher der Bürgerinitiative "Haselmaus" und des Vereins "Schutz des Isartals, war in ihrer Mischung aus Empörung und Kampfeslust erwartbar. "Die haben Angst", sagt er. Die - damit meint er jene Mitglieder des Pullacher Gemeinderats, die das von Boeck mit auf den Weg gebrachte Bürgerbegehren gegen die Ausbaupläne des Chemiekonzerns United Initiators am Dienstag für unzulässig erklärt haben. Die Entscheidung für diesen Schritt fiel nach ausgiebiger Diskussion mit zwölf zu acht Stimmen - eine Mehrheit, für welche die Fraktionen von Grünen, SPD und Pullach Plus, Cornelia Zechmeister und Johannes Schuster (beide WIP) sowie Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (Grüne) verantwortlich zeichneten.

Die ohnehin schon hoch emotionale Auseinandersetzung wird damit auch auf die juristische Ebene gehoben, denn die Vertreter des Bürgerbegehrens fechten diesen Beschluss an. "Wir gehen vor Gericht", erklärte Boeck. Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Unzulässigkeitsbeschlusses von Seiten der Gemeinde obliegt damit dem Verwaltungsgericht München. Bürgermeisterin Tausendfreund und die Gemeinderatsmitglieder, die den Beschluss mittragen, stützen sich auf eine Prüfung des Bürgerbegehrens, die Rechtsanwältin Kerstin Funk von der Kanzlei Döring Spieß vorgenommen hat: "Aus dem Gutachten ergeben sich erhebliche Zweifel an der hinreichenden Bestimmtheit der Fragestellung sowie der inhaltlichen Richtigkeit und Vollständigkeit der Begründung, mithin an seiner materiell-rechtlichen Zulässigkeit."

Auf den Listen, die Boeck am 9. Juli Bürgermeisterin Tausendfreund mit 775 Unterschriften (700 waren notwendig) für das Bürgerbegehren überreicht hatte - lautet die Frage: "Sind Sie dafür, dass die Gemeinde Pullach alle rechtlich zur Verfügung stehenden sowie baurechtlichen und planungsrechtlichen Maßnahmen ergreift, um eine (weitere) Expansion der Chemiefirma (Peroxid) United Initiators in Pullach zu verhindern?" Zur Begründung heißt es, dass die Gemeinde mit einer Ausweitung des Flächennutzungsplans und vergrößertem Bebauungsplan die rechtlichen Grundlagen zur Expansion des Chemiewerks schaffen wolle, was die Basis für zukünftige massive Produktionsausweitungen sei. Als Folge würden sich "sowohl die erschreckende Umweltbilanz, wie auch die entsprechende Gesundheitsbelastung aller Pullacher" weiter verschlechtern.

Tausendfreund betonte die fehlende Bestimmtheit der Fragestellung: "Expansion, was ist damit genau gemeint? Was soll die Gemeinde denn konkret tun, wenn das Begehren zugelassen wird?" Eine klare Alternative wäre etwa die Fragestellung: "Sind Sie dafür, das Bauleitplanverfahren einzustellen?" Auch Renate Grasse (Grüne) begründete ihr Votum für die Unzulässigkeit mit "Unwägbarkeiten", die das Rechtsgutachten herausgearbeitet habe. Andreas Most (Pullach Plus) sprach von "irreführenden Formulierungen und sagte: "Den Bürgern war teils gar nicht klar, was sie da unterschrieben haben." Das manches plakativ oder unklar auf den Listen formuliert sei, meinten auch Michael Reich und Alexander Betz von der FDP, beide selbst Juristen. Sie lehnten den Beschlussvorschlag aber entschieden ab: Betz erklärte, er halte ihn für "rechtlich falsch" und "politisch unklug". Er verwies darauf, dass die Gemeinde bereits 2017 in einem ähnlichen Fall beim Versuch, ein Bürgerbegehren zu einem Wohnbauprojekt an der Heilmannstraße für unzulässig zu erklären, gescheitert sei und damals eine "Watschn" vom Verwaltungsgericht erhalten habe. Er rezitierte aus dem Urteil und zeigte sich sicher, dass die Sache diesmal genauso ausgehen würde. Als erlaubtes "Mittel der politischen Meinungsmache" sei etwa eine plakative Argumentation zulässig. Christine Eisenmann (CSU) lehnte die Beschlussvorlage des Rathauses ebenfalls ab, auch im Sinne funktionierender Demokratie: "Die Sache liegt jetzt in der Hand der Bürger."

Dass die Mehrheit des Gemeinderats das Bürgerbegehren dennoch nicht für zulässig erklärte, hat den Verein "Schutz des Isartals" zu einer aktuellen Stellungnahme verleitet: Darin wird den zwölf Gemeinderäte vorgeworfen, mit ihrem ablehnenden Beschluss gegen "geltendes Recht der Gemeindeverordnung" verstoßen zu haben. Zur Begründung heißt es: Die beiden Fragestellungen, über die der Gemeinderat entscheiden könne - "Liegen genügend Unterschriften vor?" und "Liegt die Fragestellung des Bürgerbegehrens in der Entscheidungskompetenz der Gemeinde?" - seien nicht zu beanstanden.

Betont wird, dass dieser Beschluss auch rein taktischer Natur gewesen sei, um die für den Mittwochabend geplante große Informationsveranstaltung im Pullacher Bürgerhaus im aus Rathaussicht gewünschten Format durchziehen zu können. Christian Boeck und die Vertreter des Bürgerbegehrens geben sich siegessicher: "Allen Beteiligten war dabei auch völlig klar, dass das zuständige Verwaltungsgericht diesen Beschluss unverzüglich wieder korrigieren wird."

© SZ vom 29.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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