KirchenmusikSchräge Töne stören die Romantik

Lesezeit: 3 Min.

Christoph Keller mag die alte Orgel. Doch die klingt schon lange nicht mehr so, wie sie sollte.
Christoph Keller mag die alte Orgel. Doch die klingt schon lange nicht mehr so, wie sie sollte. (Foto: Claus Schunk)

Schmutz und Schimmel beeinträchtigen den Klang der über 120 Jahre alten Orgel in der Alten Heilig-Geist-Kirche in Pullach. Im Herbst soll das besondere Instrument deshalb restauriert werden.

Von Daniela Bode, Pullach

Die Alte Heilig-Geist-Kirche in Pullach ist ein Kleinod. Umgeben von einem kleinen Friedhof liegt das gotische Gotteshaus, dessen Bau Johannes Schuster von der Kirchenverwaltung auf 1492 datiert, besonders schön am Hang zum Isartal. Auch in ihrem Inneren befindet sich ein Schatz: die denkmalgeschützte Orgel von 1902, die der renommierte Münchner Orgelbauer Franz Borgias Maerz konstruiert hat. Weil das Instrument stark verschmutzt und zum Teil beschädigt ist, soll es bald restauriert werden. Denn auch der Klang hat mit der Zeit arg gelitten.

Man erreicht die Orgel durch eine kleine Tür im Inneren der Kirche. Ein paar Stufen geht es die enge Wendeltreppe hoch und schon steht man auf der Empore neben dem größten aller Musikinstrumente, das zugleich das tiefste und höchste, das lauteste und leiseste ist. Von hier oben kann man auf den Kirchenraum blicken, in dem 80 Besucher auf den Bänken Platz finden.

Die Orgel gilt als Königin der Instrumente. Und Christoph Keller liebt seine Königin. Der Kirchenmusiker des Pfarrverbands Pullach-Großhesselohe weiß, dass sie etwas Besonderes ist. Auch wenn die Orgel etwas in die Jahre gekommen ist, man kann sogar sagen, dass sie reichlich angeschlagen ist. Keller zeigt das Instrument mit seiner dreigliedrigen mittelsymmetrischen Aufteilung der Pfeifen an der Vorderseite. Dahinter befinden sich weitere, einige auch aus Holz. Keller schätzt, es müssten rund 300 sein. Der Organist kann außer den Tasten am Manual auch sechs Register, die die Klangfarbe ändern können, sowie Pedale betätigen. Eine Besonderheit dieser Orgel aber ist: Sie verfügt über ein sogenanntes pneumatisches Taschenladesystem. Das kam in der Romantik auf, um das symphonische Spiel zu ermöglichen. Wie der Organist erklärt, befindet sich unter jeder Pfeife eine Taschenlade, die jeweils mit Luft gefüllt wird und diese an die Pfeife abgibt.

Die Feuchtigkeit hat der Orgel zugesetzt.
Die Feuchtigkeit hat der Orgel zugesetzt. (Foto: Claus Schunk)

Keller zeigt auf den großen Magazinbalg unter den Pfeifen. Er wird über einen Motor mit Luft versorgt. Sobald der Kirchenmusiker auf dem Manual der Orgel eine Taste drückt, öffnet sich an der Pfeife ein Ventil und sie erhält die nötige Luftzufuhr. Weil aber der Magazinbalg Löcher im Leder aufweist, „reicht die Luftzufuhr nicht mehr aus und die Töne klingen nicht mehr, wie sie sollten“, sagt der Organist. Auch Stockflecken und Schimmel sind am Magazin zu sehen. Insgesamt ist die Orgel ziemlich verschmutzt. Und das wirkt sich stark auf den Klang des romantischen Instruments aus. „Eigentlich klingt sie sehr warm“, sagt Keller. Doch im Moment hört man bei manchen Tönen ein Dröhnen. „Durch den Dreck ist die Orgel verstimmt und pfeift und quietscht“, sagt der Kirchenmusiker. Viele Töne sprechen nicht mehr richtig an. Wenn er das Hauptregister zieht und etwa die Taste für das kleine C drückt, erklingt nur „ein kläglicher Hauch“.

Orgel in Pullach (Video: Claus Schunk)

Nun soll die Orgel grundgereinigt, restauriert und die Pfeifen neu intoniert werden. Dazu gehört auch, dass die Prospektpfeifen in der ersten Reihe ausgetauscht werden. Die werden neu, aber den historischen nachgebildet sein. Die ursprünglichen Pfeifen sind schon lange nicht mehr in der Pullach Kirche verbaut. Sie waren im Ersten Weltkrieg herausgenommen worden, vermutlich um Kanonen herzustellen, wie Keller sagt. Zudem soll der Blasebalg überarbeitet werden.

Es geht darum, Lederteile wieder aufzubereiten oder zu erneuern. Das gilt auch für die Elektrik – aktuell wird das Licht oben bei der Orgel nur betätigt, wenn auch die Heizung an den Sitzbänken unten im Kirchenraum angeschaltet ist. Zudem soll der Spieltisch, der ziemlich nah an den Pfeifen angeordnet ist, weiter nach vorn versetzt werden. Der geringe Platz war offenbar noch auf kleinere Menschen ausgelegt. Keller ist 1,96 Meter groß und tut sich schwer, dort zu spielen. Dennoch mag er das „schöne kleine kompakte Instrument“, von dem es nicht mehr viele in der Art gebe.

Interessantes Innenleben: Bleiröhrchen in der Pullacher Orgel.
Interessantes Innenleben: Bleiröhrchen in der Pullacher Orgel. (Foto: Claus Schunk)

Dass eine Restaurierung der besonderen Orgel angebracht ist, haben der Pfarrei auch Experten bescheinigt. So empfahl der Orgelsachverständige der Erzdiözese München und Freising nach einer gründlichen Untersuchung eine grundlegende Sanierung, da die Substanz noch so gut sei, dass es sich lohnen würde, zu investieren, sagt Rolf Husemann, Mitglied der Kirchenverwaltung Heilig Geist Pullach und dort Baubeauftragter.

Auch der Orgelbauer Benedikt M. Schreier, der mit der Restaurierung von kommenden September an beauftragt ist, sieht das so. Durch ihre „romantischen Klangfarben, die originale historische Substanz und die mittlerweile nicht mehr recht verbreitete Taschenlade“ sei die „kostbare Orgel jedoch unbedingt zu erhalten und an die nachfolgenden Generationen weiterzugeben“, schreibt er in einem Bericht über das Instrument.

Die meisten Pfeifen sind aus Metall, einige aber auch aus Holz.
Die meisten Pfeifen sind aus Metall, einige aber auch aus Holz. (Foto: Claus Schunk)

Die rund 90 000 Euro für die Restaurierung muss die Kirchenstiftung Heilig Geist Pullach selbst aufbringen. Rund 27 000 Euro Spenden hat sie schon gesammelt, auch ein Zuschuss der Gemeinde Pullach stehe in Aussicht. Für weitere Spenden wäre die Kirchenstiftung dankbar. „Leider gibt es von der Erzdiözese München keinerlei Zuschüsse für die Sanierung der Orgel“, sagt Husemann. Er bedauert das, zumal die Kirchenstiftung mittlerweile schon mehr als 250 000 Euro in die Renovierung der Kirche investiert hat, auch dank großzügiger Hilfe der Gemeinde Pullach. So wurden in den vergangenen Jahren die Regenentwässerung des Grundstücks erneuert sowie Friedhofsmauer und historische Grabkreuze restauriert. Auch wurde der Innenraum teilweise gestrichen, Figuren bekamen eine fachmännische Reinigung.

Nun ist also die Orgel dran. Wenn alles nach Plan läuft, sollen die Arbeiten bis Ende des Jahres 2025 fertiggestellt sein. Bis dahin müssen die Besucher bei besonderen Terminen wie zuletzt den Rorate-Messen im Advent und vom Frühjahr an wieder bei den regelmäßigen Gottesdiensten weiterhin teilweise etwas schräge Töne hinnehmen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Umfrage
:„Last Christmas“ auf Platz eins der nervigsten Weihnachtslieder

Manche Pop-Songs laufen in der Adventszeit in Dauerschleife. Warum der Song von Wham besonders großes Potenzial für einen innerfamiliären Streit birgt und mit welcher Musik man am besten fährt.

SZ PlusVon Iris Hilberth

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: