Prozess: Volksverhetzung:Rentner-Gang als Holocaust-Leugner?

Sie sollen volksverhetzende Schriften an Schulen verteilt haben: Zwei ältere Frauen und ein Mann stehen in München vor Gericht. Die 81-jährige Geschichtsrevisionistin Ursula H.-W. nutzt das Gericht als Bühne - das Publikum applaudiert.

Sie sind im Alter weiser Senioren, doch ihr Leben weist in eine politisch extreme Richtung. Wegen Volksverhetzung und Beihilfe dazu müssen sich zwei Frauen und ein Mann - alle im Rentenalter - von diesem Montag an vor dem Landgericht München I verantworten.

Zum Prozessauftakt räumten die Beschuldigten die Vorwürfe teilweise ein: Die 81-jährige Ursula H.-W. aus Nordrhein-Westfalen gab zu, ein Buch verfasst zu haben, das der Anklage zufolge Juden als Lügner diffamiert und in satirischer Weise den Holocaust verharmlost. Der Anklageschrift zufolge äußere die Protagonistin des 76 Seiten umfassenden Buches wörtlich: "Den Holocaust gibt es gar nicht. Das ist so etwas wie der Weihnachtsmann oder der Osterhase für Erwachsene."

Auch vor Gericht zeigt sich Ursula H.-W. uneinsichtig: Auf die Frage des Vorsitzenden Richters nach ihrer Staatsangehörigkeit antwortet die Angeklagte forsch "Deutsches Reich". Zum Vorwurf der Holocaust-Leugnung sagt sie: Man könne nur leugnen, "woran man glaubt".

Das Gericht nutzt Ursula H.-W. als Bühne für ihre Thesen: "Wenn ich wegen Holocaustleugnung angeklagt werde, dann muss doch erst einmal geklärt werden, was das ist", fordert die Pädagogin. Sie sehe vielmehr die Rede-, Presse- und Meinungsfreiheit durch den Volksverhetzungsparagraphen des deutschen Strafgesetzes eingeschränkt.

Applaus aus dem Publikum

Ihren Vortrag beendet sie mit einem Plädoyer für die Abschaffung dieses Paragraphen 130, der auch die Grundlage ihrer eigenen Anklage darstellt. Das Publikum, das nahezu ausschließlich aus Freunden und Unterstützern der Angeklagten besteht, reagiert auf ihre Forderung mit Applaus.

Einige Prozessbeobachter haben die umstrittene Schrift sogar vor sich liegen. Als ein Zuschauer das Heft noch am Rande der Verhandlung verteilt, reagiert Staatsanwalt Hans-Joachim Lutz umgehend. Er lässt die Personalien des Mannes feststellen und kündigt an: "Das gibt das nächste Verfahren".

Neben Ursula H.-W. angeklagt ist der aus Ottobrunn bei München stammende 91 Jahre alte Georg W. Er soll die Publikation verlegt haben. Auf Veranlassung der Verfasserin und der 66 Jahre alten mutmaßlichen Mittäterin Margret N. aus Hessen sollen die Broschüren ab Juli 2009 an die Klassensprecher von elften Klassen an verschiedene Schulen in Deutschland versandt worden sein. N. habe zudem ihre Buchhandlung für Nachbestellungen zur Verfügung gestellt.

"Rechtsradikale Rattenfänger"

Der Vorsitzende des Bayerischen Philologenverbandes, Max Schmidt, hatte im September 2009 vor der Broschüre gewarnt. Man müsse sie als "Versuch von rechtsradikalen Rattenfängern werten, kurz vor den Bundestagswahlen Jungwähler für sich zu gewinnen", sagte Schmidt.

Ursula H.-W. ist in der rechtsextremen Szene keine Unbekannte: Auf einem einschlägigen Nachrichtenportal wird sie als "Grand Dame der nationalen Szene Deutschlands" bezeichnet. Mit anderen prominenten Holocaust-Leugnern und Rechtsextremisten wie Ernst Zündel, Frank Rennicke und Germar Rudolf hatte H.-W. 2004 an der Gründung des "Vereins zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten" mitgewirkt.

Der Verein war eine Teilorganisation des seit Mai 2008 vom Bundesinnenminister verbotenen "Collegium Humanum", in dem auch H.-W. als treibende Kraft fungierte. Zu regelmäßigen Referenten und Teilnehmern zählte unter anderem der frühere RAF-Anwalt und heutige Rechstextremist Horst Mahler, den das Landgericht München II im vergangenen Jahr wegen Volksverhetzung zu einer Haftstrafe von sechs Jahren verurteilt hatte.

Für den Prozess gegen Ursula H.-W. sind zunächst zwei Verhandlungstage angesetzt. Es ist nicht das einzige Verfahren, in dem sich die 81-Jährige derzeit verantworten muss: An diesem Freitag findet ein Berufungsverfahren vor dem Landgericht Bielefeld statt. Darin geht H.-W. gegen ein Urteil vom Juni 2009. vor: Das Amtsgericht Bad Oeynhausen hatte sie für schuldig befunden, Charlotte Knobloch, Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland, in einem Brief beleidigt zu haben.

So kommt in ihrem Fall einiges zusammen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: