Prozess:Schweizer Schlägern drohen lange Haftstrafen

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Sie wollten "zum Spaß Leute wegklatschen" - und haben einem Mann das Gesicht zertrümmert. An diesem Montag wird das Urteil gegen drei junge Schweizer verkündet.

C. Rost

Die Schweiz war tief betroffen, viele Eidgenossen fürchteten um das Ansehen ihres Landes. Entsprechend groß war die Aufmerksamkeit der Schweizer Medien als bekannt wurde, dass drei Schüler aus Zürich in München in einer Gewaltorgie fünf Passanten zum Teil lebensgefährlich verletzt haben. Die zur Tatzeit 16 Jahre alten Jugendlichen wurden festgenommen und wegen versuchten Mordes angeklagt. Der aus Gründen des Jugendschutzes nichtöffentlich geführte Prozess zog sich über acht Monate. An diesem Montag will die Jugendstrafkammer am Landgericht unter dem Vorsitz von Reinhold Baier die Urteile verkünden.

Drei Jugendliche aus der Schweiz haben im vergangenen Jahr fünf Menschen zum Teil lebengefährlich verletzt. Nun wird das Urteil gesprochen. (Archiv)  (Foto: dpa)

Die Berufsschüler Mike B., Benjamin D. und Ivan Z. aus Küsnacht bei Zürich hatten am 30. Juni 2009 Joints geraucht und sich betrunken, als B. seinen Geldbeutel vermisste. Aus Frust und wohl auch aus purer Lust an der Gewalt attackierten sie im Nussbaumpark, am Sendlinger Tor und in der Sonnenstraße drei vermeintliche Obdachlose, einen Studenten und einen Geschäftsmann aus Nordrhein-Westfalen.Den 46-jährigen Versicherungskaufmann schlugen sie beinahe tot: Das Gesicht des Mannes war nach den Faustschlägen und Fußtritten deformiert. Er trat als Nebenkläger in dem Prozess auf.

Die Schüler waren nach den Attacken in ein Jugendgästehaus in der Landwehrstraße geflüchtet, wo sie und ihre 25 Mitschüler übernachteten. Direkt nach der Tat sollen die Angeklagten gesagt haben, sie hätten "nur so zum Spaß" einige Leute "wegklatschen" wollen.

Die Eltern der heute 18 Jahre alten Angeklagten kamen an fast allen Verhandlungstagen nach München. Auch für sie bedeutete die detaillierte Aufarbeitung des Gewaltexzesses vor Gericht eine enorme Belastung: Der Vater eines Schülers erlitt im Gerichtssaal einen Schwächeanfall. Durch das beharrliche Schweigen der Angeklagten zog sich der Prozess in die Länge. Als die Jugendkammer schon Termine für die Plädoyers angesetzt hatte, brach ein Schüler plötzlich sein Schweigen. Benjamin D. hatte von seinen Eltern einen neuen Anwalt zur Seite gestellt bekommen, und Verteidiger Steffen Ufer riet nun dringend zur Aussage.

Das brachte eine Wende in dem Prozess: Auch Mike B. sagte schließlich zu den Taten aus, nur Ivan Z. blieb stumm auf der Anklagebank. Es wurden auch Schmerzensgeld-Vereinbarungen mit den Opfern getroffen, über deren Höhe bisher aber nichts bekannt wurde.

Den jungen Schweizern drohen langjährige Haftstrafen. Staatsanwältin Verena Käbisch hat für Mike B., der den Gewaltexzess initiiert haben soll, eine Freiheitsstrafe von neun Jahren gefordert; Benjamin D. soll sieben und Ivan Z. sechs Jahre ins Gefängnis. Die Verteidiger plädierten indessen auf gefährliche Körperverletzung und verlangten deutlich mildere Strafen.

Die Anwälte aller Angeklagten sahen in keinem Fall den Tötungsvorsatz als erwiesen an. Dementsprechend lauteten ihre Anträge: für Benjamin D. eine Jugendstrafe von maximal zwei Jahren und neun Monaten, für Ivan Z. von einem Jahr und vier Monaten. Im Fall des als Haupttäters angeklagten Mike B. sah die Verteidigung sogar lediglich einen Jugendarrest für geboten, der durch die lange Untersuchungshaft aber bereits abgegolten sei.

In der Schweiz wird die Diskussion um Jugendgewalt auch nach den Urteilen in München nicht verstummen. Denn erst Anfang November haben drei Genfer Handelsschüler auf Klassenfahrt in Rom einen Kellner angegriffen und erheblich verletzt. Sie sollen ihm auch Geld geraubt haben. Zwei der Schüler sind in Italien bereits zu 20 Monaten Bewährungsstrafe verurteilt worden.

© SZ vom 22.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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