Strafprozess:Schwunghafter Handel mit gestohlenen Tesla-Rädern

Strafprozess: Elektroautos der Marke Tesla sind Statussymbole, entsprechend teuer sind auch die zugehörigen Felgen. Eine Diebesbande wollte daraus Kapital schlagen.

Elektroautos der Marke Tesla sind Statussymbole, entsprechend teuer sind auch die zugehörigen Felgen. Eine Diebesbande wollte daraus Kapital schlagen.

(Foto: Nam Y. Huh/AP)

Vier junge Leute sollen sich mehrfach in einem Lager in Kirchheim bedient haben. Nun müssen sie sich wegen schweren Bandendiebstahls vor der Jugendstrafkammer des Landgerichts verantworten. Ein Reifenhändler ist der gewerbsmäßigen Hehlerei angeklagt.

Von Patrik Stäbler, München/Kirchheim

Es sollte ihr bislang größter Coup werden. Doch was die vier jungen Leute in jener Januarnacht 2020 nicht ahnten: Es wurde ihr letzter Coup. Irgendwann zwischen kurz vor Mitternacht und zwei Uhr morgens - so hat es die Staatsanwaltschaft München I später ermittelt - stiegen zwei von ihnen durch ein Fenster in ein Lager der Automarke Tesla in Kirchheim ein. Dort hatte die Diebesbande in den vorangegangenen zwei Monaten bereits sechsmal zugeschlagen und dabei stets eine Handvoll Komplettradsätze erbeutet. Diesmal aber wollten sie mehr: Insgesamt 21 Tesla-Reifensätze - im Gesamtwert von 85 000 Euro - schafften die zwei jungen Männer ins Freie, wo ihre Komplizin in einem Transporter wartete. Damit brachte das Trio seine Beute ins Lager eines Reifenhändlers, der den Dieben dafür 12 600 Euro aushändigte.

Allein: Dieses Geld konnten die drei und ein weiterer Helfer, der gelegentlich in dem Kirchheimer Tesla-Lager arbeitete, vermutlich nicht mehr ausgeben. Denn wenig später wurden sie von der Polizei ebenso festgenommen wie der Reifenhändler, der laut Staatsanwaltschaft in die kriminellen Pläne eingeweiht war. Fast zweieinhalb Jahre später sitzen alle fünf auf der Anklagebank im Hochsicherheitsgerichtssaal auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt Stadelheim - die vier Männer in weißen Hemden, die 23 Jahre alte Frau im Sommerkleid und mit hellblauer Jacke. Die Anspannung ist ihnen deutlich anzumerken, schließlich dürfte dieser Prozess vor der Jugendstrafkammer des Landgerichts München entscheidend für ihre Zukunft sein. Die vier mutmaßlichen Diebe, die alle in München leben und heute zwischen 21 und 28 Jahre alt sind, wurden nach ihrer Festnahme wieder auf freien Fuß gesetzt. Lediglich der deutlich ältere Reifenhändler musste sechs Wochen in Untersuchungshaft.

Er und die vier jungen Leute lauschen nun im Gerichtssaal weitgehend regungslos der Verlesung des Anklagesatzes, die minutiös auf jene sieben Taten eingeht, die ihnen zur Last gelegt werden. Im Vorfeld, so schildert es der Staatsanwalt, hätten einer der Diebe und der heute 37-jährige Reifenhändler vereinbart, dass die Bande die gestohlenen Radsätze direkt ins Lager seines Betriebs bringen solle. Für einen neuen Reifensatz wurde je nach Tesla-Modell ein Ankaufpreis von 1600 oder 1200 Euro abgemacht; bei gebrauchten Reifen waren es abhängig vom Zustand 600 bis 800 Euro. Insgesamt stahlen die Jugendlichen bei ihren sieben Taten laut Anklagesatz mindestens 46 Komplettradsätze bestehend aus je vier Reifen und Felgen aus dem Kirchheimer Tesla-Lager - im Wert von 158 000 Euro. Die Diebesbande erhielt dafür fast 30 000 Euro von dem Reifenhändler.

Drei der jungen Leute müssen sich nun vor dem Landgericht wegen schweren Bandendiebstahls verantworten. Ihrem Helfer wird die Beihilfe zu diesem Delikt vorgeworfen, da er als Arbeiter in dem Lager Informationen für die Taten geliefert und in mehreren Fällen ein Fenster offenstehen gelassen haben soll. Im Falle des Reifenhändlers lautet die Anklage auf gewerbsmäßige Hehlerei.

Für die mutmaßlichen Diebe zeichnet sich ein Deal mit der Staatsanwaltschaft ab

Schon kurz nach Verlesung des Anklagesatzes unterbricht der Vorsitzende Richter die Verhandlung. Der Grund: Das Gericht will mit dem Vertreter der Staatsanwaltschaft sowie den Verteidigern der fünf Angeklagten über einen Deal diskutieren. Bedeutet: Die mutmaßlichen Täter legen ein Geständnis ab, wofür ihnen im Gegenzug ein bestimmtes Strafmaß zugesichert wird. Wie hoch dieses ausfallen könnte, darüber macht das Gericht im öffentlichen Teil der Verhandlung nach der Unterbrechung keine Angaben.

Jedoch erklären die vier Mitglieder der Diebesbande unisono über ihre Anwälte, dass sie dem Verständigungsvorschlag der Kammer zustimmen. Gleiches gibt der Vertreter der Staatsanwaltschaft zu Protokoll. Allein der Reifenhändler lehnt den Vorschlag des Gerichts ab. Sein Verteidiger begründet dies unter anderem damit, dass das in Aussicht gestellte Strafmaß bei dem 37-Jährigen zu einer Ausweisung in dessen Heimatland Afghanistan führen könnte. Zudem kündigt der Anwalt einen Antrag an, wonach berücksichtigt werden solle, dass sein Mandant zum Zeitpunkt der Taten alkoholabhängig war.

Generell liegt das Strafmaß für gewerbsmäßige Hehlerei bei sechs Monaten bis zehn Jahren Gefängnis. Derweil wird schwerer Bandendiebstahl mit einer Freiheitsstrafe zwischen einem Jahr und zehn Jahren bestraft. Der Prozess rund um die Reifendiebstähle in Kirchheim wird an diesem Freitag fortgesetzt. Danach sind bis Ende Juni noch drei Verhandlungstermine angesetzt. Jedoch könnte es im Falle der vier jungen Leute schneller gehen, da eine Verständigung den Prozess in der Regel abkürzt. Die Verhandlung gegen den Reifenhändler würde dann wohl als separates Verfahren abgetrennt werden.

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