Provokante Kunstaktion mit Hitler und Papst:Juristische Seifenoper

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Seit an Seit spazierten Adolf Hitler und der Papst vor vier Jahren durch München - eine Aktion des Künstlers Wolfram Kastner. Die Polizei fand das gar nicht lustig. Seitdem wird ein erbitterter Streit ausgetragen, der nun in eine neue Runde geht.

Ekkehard Müller-Jentsch

Bleibende Werte, mit denen Sammler ihre Salons schmücken, schafft der Münchner Künstler Wolfram Kastner eher nicht. Sein Interesse gilt vielmehr provokanten Aktionen. Normalerweise sind das nur Momentaufnahmen, die nachdenklich machen sollen, und dann wieder verblassen. Zu einem eigenen Kunstwerk mit Langzeitwirkung hat sich dagegen der Kampf zwischen Kastner und der Obrigkeit entwickelt: ein zähes Ringen um Kunstfreiheit und Staatsräson.

Die Aktionskünstler Wolfram Kastner (l.) und Georg Ledig 2006 als Papst und Hitler in der Innenstadt. (Foto: ddp)

Schier endlos wie eine Seifenoper wird es aufgeführt, mit ähnlich plattem Inhalt. Am Mittwoch wurde im Justizpalast wieder eine Folge dargeboten. "Wir sind Papst", der Geist dieser Schlagzeile hatte wohl auch Münchens Ordnungshüter erfasst, als 2006 der Besuch des bayerischen Pontifex in der Landeshauptstadt kurz bevorstand. Da kam es gar nicht gut an, dass Kastner im Papst-Ornat mit einem Hitler-Darsteller Seit' an Seit' durch die Innenstadt spazieren wollte.

Diese Mini-Demo, die an das noch heute gültige Reichskonkordat von 1933 zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich erinnern sollte, das den Nazis zu einer beachtlichen Reputation im Ausland verhalf, endete im Polizeipräsidium. Die Fortsetzung folgte dann im Gerichtssaal, wo das Strafverfahren gegen Kastner aber eingestellt wurde.

Als nun jedoch bei einem Kultur-Event DVDs mit dem Video der Papst/Hitler-Aktion angeboten wurden, schlug die Staatsmacht wieder zu. Diesmal war ein angeblicher Verstoß gegen das Kunsturheberrechtsgesetz der Grund - weil nämlich die Polizisten, die den unbotmäßigen Aufzug verhindert hatten, auf dem Film zu sehen, aber nicht um ihre Erlaubnis zur Veröffentlichung gefragt worden waren.

Nicht diese selbst, nur einer ihrer Vorgesetzten hatte deshalb Strafantrag gestellt. Trotzdem bestätigte ein Amtsrichter zunächst die Rechtmäßigkeit dieser Polizeiaktion. Dann wurde aber auch dieses Verfahren eingestellt: Ein Verkauf der Videos war nicht nachzuweisen, und der bloße Versuch ist nicht strafbar. Der Künstler bekam sogar eine Entschädigung aus der Staatskasse: 107,44 Euro.

Zu wenig, befand nun Kastner und verklagte den Freistaat auf weitere rund 1400 Euro Entschädigung, etwa für Anwaltskosten und Verluste aus dem verhinderten DVD-Vertrieb. "Wir geben der Klage keine Aussicht auf Erfolg", sagten dazu am Mittwoch die Richter der Amtshaftungskammer.

Trotz intensiver Überzeugungsversuche von Kastners Anwalt, Ulrich Fuchs, dürfte dementsprechend am 12. Januar auch das Urteil ausfallen. Aber damit wäre dann wieder nur eine Episode der Seifenoper beendet: Fortsetzung folgt vor dem Oberlandesgericht. Das hat der Anwalt schon angekündigt.

© SZ vom 25.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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