Protest in Neubiberg:Wohnungen statt Wiese

Im Streit um die Bebauung des Areals an der Eichen- und Pappelstraße in Neubiberg plant die Awohnbau Häuser mit insgesamt 22 Einheiten. Eine Baugenehmigung braucht sie dafür nicht mehr. Viele Anwohner fühlen sich schlecht informiert und zweifeln das Baurecht an

Von Daniela Bode, Neubiberg

Die Zukunft der Wiese zwischen Eichen- und Pappelstraße in Neubiberg erhitzt weiter die Gemüter der Anwohner. Das gemeindeeigene Grundstück ist bisher unbebaut, nun sollen dort bezahlbare Wohnungen entstehen. Den Anwohnern missfällt das, zumindest im geplanten Ausmaß, weil die Kinder aus der Siedlung die Fläche seit mehr als 50 Jahren als Spielwiese nutzen. Dass auch in Neubiberg Wohnraum geschaffen werden muss, ist ihnen klar. Nur vertritt die langjährige Anliegerin Monika Wester, die nun über die Historie des Grundstücks nachforschte, die Meinung, die Gemeinde habe ihr Recht verloren, dort zu bauen. Auch ärgert sie sich über die Informationspolitik der Kommune. Das hat sie in einem offenen Brief an Bürgermeister Günter Heyland (Freie Wähler) jüngst zum Ausdruck gebracht. Wie sie sagt, teilen viele Anwohner ihre Meinung.

Neubibiberg, Pappelstraße, freies Grundstück soll mit Sozialwohnungen bebaut werden

Der Protest gegen die Bebauung der Wiese spiegelt sich auch an den Wänden wieder.

(Foto: Angelika Bardehle)

Das Grundstück gehörte früher der Südhausbau GmbH als Teil eines größeren Areals. Wie sich aus dem Erläuterungsbericht zum Bebauungsplan für das Siedlungsgebiet am Teilstück der Cramer-Klett-Straße zwischen Kyffhäuser Straße und der Gemeindegrenze zu Ottobrunn von Oktober 1962 ergibt - in dem Bereich liegt auch das Grundstück -, sollte zur Abgrenzung der dortigen Bebauung gemäß dem Flächennutzungsplan eine öffentliche Grünanlage geschaffen werden. Um diese auch wirklich umsetzen zu können, sollten die beteiligten Grundstückseigentümer eine bestimmte Quote an öffentlicher Fläche einbringen. Die Südhausbau hat das damals unter anderem dadurch erfüllt, dass sie das 2700 Quadratmeter große Grundstück an der Eichen-/Pappelstraße an die Gemeinde Neubiberg kostenlos abgetreten hat. Auch weil in dem Erläuterungsbericht die Rede davon ist, dass die Errichtung eines Kinderspielplatzes zunächst im östlichen Teil des der Südhausbau GmbH gehörenden Grundstücks - also auf dem Wiesengrundstück - vorgesehen sei, ist Wester der Meinung, dass zu ihrer Siedlung sehr wohl Grünflächen und ein Spielplatz geplant gewesen seien. Die Abtretung hätten die Anlieger letztlich "durch den Erwerb unserer Häuser finanziert", schreibt sie. Nach ihrem Rechtsempfinden habe die Gemeinde ihren Anspruch auf die Bebauung des Grundstücks verloren. Denn die Flächen, die für die Errichtung der Grünanlage vorgesehen waren, seien nun mit der Realschule und dem Gymnasium bebaut.

Neubibiberg, Pappelstraße, freies Grundstück soll mit Sozialwohnungen bebaut werden

Die strittige Wiese sei mitnichten als Kinderspielplatz eingezeichnet, sondern als Baugrund.

(Foto: Angelika Bardehle)

Ob die Anwohner tatsächlich die Abtretung mitfinanziert haben, lässt sich nicht mehr eruieren. In ihren Unterlagen sei dazu nichts mehr zu finden, heißt es von der Südhausbau. Ihr Recht auf Bebauung hat die Gemeinde dagegen nach Ansicht von Bürgermeister Günter Heyland nicht verwirkt. Ein paar Anwohner hätten um Einsicht in die alten Vertragsdokumente gebeten, daher habe die Verwaltung diese zusammengestellt und sie auch selbst noch einmal geprüft. "Wir haben untersucht, ob es irgendwelche Verpflichtungen gibt, aus denen hervorgeht, dass die Gemeinde die sogenannte Spielwiese als Spielwiese erhalten muss. Wir haben aber nichts gefunden", sagt der Rathauschef. Auch Walter Schuster, Leiter der Abteilung Bauwesen im Landratsamt bestätigt, dass bereits im Bebauungsplan von 1969 eine Bebauung auf dem Grundstück vorgesehen und keine Spielwiese festgesetzt war. Wie sich nun herausstellte, wurde dieser Bebauungsplan zwar laut Schuster nicht rechtskräftig, da keine Bekanntmachung erfolgte. Das sei aber unerheblich, da nur der 2013 geänderte Bebauungsplan relevant sei, der rechtskräftig ist. Der Gemeinderat schuf mit der Änderung auf Bitte der Anwohner Möglichkeiten zur Nachverdichtung etwa an den Wintergärten, wie Bürgermeister Heyland erläutert, sowie die Möglichkeit, die Fläche für soziale Einrichtungen zu nutzen, weil damals der Kindergarten St. Christophorus zur Auslagerung anstand - wofür man aber dann eine andere Lösung fand. Die Grundflächenzahl (GRZ) wurde laut Heyland damals im gesamten Siedlungsgebiet geringfügig auf 0,4 erhöht, es dürfen also 40 Prozent des Grundstücks bebaut werden. Zuvor lag die GRZ bei der Planzeichnung für das Grundstück an der Eichenstraße sowie die sonst in der Siedlung umgesetzte GRZ bei 0,36. Der Bauraum ist von damals zwei auf einen zusammengelegt und etwas erweitert worden, um eben gegebenenfalls eine Kindertageseinrichtung dort übergangsweise unterbringen zu können. Als der Bebauungsplan geändert wurde, sei der Gemeinderat dem Einwand einiger Anwohner nicht gefolgt, die Spielwiese als Spielplatz festzusetzen, sondern entschied sich, die Fläche als Baugrund zu belassen, sagt Heyland.

Protest in Neubiberg: Bürgermeister Günter Heyland sagt, die Anwohner seien gleich informiert worden, als die Awohnbau ihre Pläne bekanntgegeben habe.

Bürgermeister Günter Heyland sagt, die Anwohner seien gleich informiert worden, als die Awohnbau ihre Pläne bekanntgegeben habe.

(Foto: Claus Schunk)

Abgesehen von der Einstufung als Bauland ärgert sich Wester aber auch über die Informationspolitik der Gemeinde. Sie wirft dem Bürgermeister "Gleichgültigkeit und Ignoranz" den Anwohnern gegenüber vor. Stets habe er ihnen versichert, dass auf der Wiese keine Bebauung geplant sei, auch noch im Sommer 2015 bei der 50-Jahr-Feier ihrer Siedlung. Im März 2016 hätte dann im Gemeindeblatt Nanu gestanden, dass 14 bezahlbare Wohnungen entstehen sollen. Im Frühjahr 2017 hätte die Gemeinde die Anwohner bei einem runden Tisch über die fertigen Pläne informiert. Das Grundstück ist nun an die Genossenschaft Awohnbau verpachtet, sie will zwei Gebäude mit insgesamt 22 Wohnungen bauen. "Es gab zu keiner Zeit ein Angebot der Gemeinde, mit den Bewohnern eine gemeinsame Lösung zu suchen", kritisiert Wester. Auch bei der Awohnbau vermisst sie den Willen zum Konsens, was an den aufgestellten Schildern auf der Wiese mit der Aufschrift. "Privatgrund - Betreten verboten" zu sehen sei.

Der Rathauschef weist jegliche Schuld von sich und der Verwaltung. Die Darstellung Westers sei zwar korrekt. Die Bürger hätten aber bereits bei der Bebauungsplanänderung 2013 davon gewusst, dass es sich bei der Wiese um Bauland handelt. Das Thema sozialer Wohnungsbau sei erst 2016 aufgekommen, bei der Zahl der 14 Wohnungen habe es sich um eine "grobe Schätzung" der Verwaltung gehandelt. Dass die Awohnbau 22 Wohnungen schaffen will, habe er selbst erst am Tag des runden Tischs erfahren. "Exakt zu dem Zeitpunkt, als wir den Vertrag mit der Awohnbau in Händen hielten, haben wir die Bürger informiert", sagt der Rathauschef. Mindy Konwitschny, Vorstandsmitglied der Awohnbau-Genossenschaft, weist den mangelnden Willen zum Konsens von sich. Sie würden keinen von der Wiese schicken, wenn er dort Fußball spiele. Aber: "Wenn wir kein Schild aufgestellt hätten und es passiert etwas, haften wir", sagt sie. Wie von den Anwohnern vorgeschlagen, nur die Hälfte des Grundstücks zu bebauen, sei indes im sozialen Wohnungsbau nicht möglich. Nur elf Wohnungen zu bauen und Mieten unter 12,50 Euro zu schaffen, sei im EOF-Förder-Verfahren nicht darstellbar.

Die Anwohner und ihre Kinder haben schon vieles versucht, um die Spielwiese zu retten. Sie haben Plakate gemalt, Briefe an die Gemeinde geschrieben, auch das Bayerische Fernsehen hat zuletzt über den Konflikt um die Wiese berichtet. Viel ändern wird das wohl nicht mehr. Die Awohnbau hat die nötigen Unterlagen bei der Gemeinde eingereicht. Einer Baugenehmigung bedarf es nicht, da sich das Vorhaben laut der Bauverwaltung an die Vorgaben des Bebauungsplans hält. Es besteht vielmehr unmittelbar Baurecht über das sogenannte Freistellungsverfahren. Davon will die Genossenschaft auch bald Gebrauch machen. Laut Konwitschny soll bis Ende des Jahres mit dem Bau begonnen werden.

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