Süddeutsche Zeitung

Programmvorschau:Heimatschmerz und Glücksmomente

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Das Unterföhringer Bürgerhaus bietet in der neuen Spielzeit wieder eine kontrastreiche Mischung aus anspruchsvoller Kost und leichter Muse. Demnächst beginnt der Vorverkauf

Von Udo Watter, Unterföhring

Die Neigung, die eigene Bedeutsamkeit zu überschätzen, ist menschlich, allzu menschlich. Manche Bayern, die sich als das Premiumprodukt unter den deutschen Stämmen verstehen ("Mia san mia"), erliegen dieser Gefahr besonders gerne, vielleicht auch, weil ein Kopf, der auf einem Stiernacken sitzt, das Wesen der Dinge nicht so gut überblickt. Luise Kinseher, die als Niederbayerin ohnehin eher zum Understatement ten diert, stellt in ihrem aktuellen Programm "Mamma Mia Bavaria" die geopolitische Gretchenfrage: "Welche Bedeutung hat Bayern vom Weltraum aus betrachtet? Und welche Bedeutung hat das für die Welt?"

Die vielfach ausgezeichnete Kabarettistin Kinseher wagt sich dabei an so prickelnde Gedanken wie den, ob in China eher ein Sack Reis umfällt als dass ein Franke einen Masskrug ext. Oder ob der Bayer seine "Heimat" nur ausgedacht hat. Sie kommt zu dem Schluss: "Heimat ist da, wo es besonders weh tut."

Kinsehers Aufritt am 15. Mai 2019 im Bürgerhaus wird wohl zu den bestbesuchten Veranstaltungen in der kommenden Unterföhringer Spielzeit zählen - der Abo-Verkauf beginnt an diesem Samstag. Der Vorhang zur neuen Saison hebt sich am 15. Februar, es ist ein kabarettistischer Liederabend mit der Songpoetin Pe Werner, die ihre Chansons und Couplets gerne mit satirisch-lyrischen Texten veredelt - und in Bayern natürlich nicht die Bekanntheit einer Kinseher genießt. "Das ist genau das, was wir versuchen: Neben den beliebten üblichen Verdächtigen auch kabarettistischen Quereinsteigern einen Platz bieten", konstatiert Florian Nagel vom Kulturamt Unterföhring. Dazu gehört auch das Comedy-Duo Margie Kinsky und Bill Mockridge, der aus der Fernsehserie "Die Lindenstraße" bekannt ist. Ein Vertreter des Subgenres "Comedy" ist auch der als Moderator der Unterföhringer Lachnacht bekannte Ole Lehmann, er zeigt sein Programm "Homo Fröhlich". In Zeit-Kolumnist Harald Martenstein kommt zudem einer der bekanntesten Journalisten des Landes in die Mediengemeinde, er wird zusammen mit dem preisgekrönten Chansonnier Georg Clementi am 23. Februar den literarisch-musikalischen Abend "Zeitkolumnen und Zeitlieder" präsentieren.

Klar spricht auch Nagel - wie viele Kollegen an anderen Bürgerhäusern - von einer "ausgewogenen Mischung", wenn er das neue Programm beschreibt. Die Unterföhringer haben den Anspruch, von Tradition bis Avantgarde, von leichter Muse bis zu anspruchsvoller Kost das Publikum zu verführen. Nagel sagt aber auch: "Jedes Haus hat sein eigenes Profil." Modernes Tanztheater gehört etwa zu den besonderen Angeboten in Unterföhring, wo auch der bekannte Choreograf Johannes Härtl "Artist in Residence" ist. Von ihm gibt es in dieser Spielzeit zwar keine Uraufführung, dafür aber zwei spektakulär anmutende Produktionen, die ebenfalls aus dem Bereich des zeitgenössischen Tanzes kommen: das Odyssey Dance Theatre aus Salt Lake City präsentiert am 20. März eine Show nach Musik von Prince und Michael Jackson und die international gefeierte Compagnie des Danish Dance Theatre aus Kopenhagen bringt am 5. Mai mit "Carrying a Dream" ein Stück des britischen Starchoreografen Tim Rushton, der seit 2001 künstlerischer Direktor des Ensembles ist, auf die Bühne. "Das sind wir schon sehr gespannt", sagt Nagel. Staunen machen wollen am 13. Februar auch die Brüder Gernot und Wolfram Bohnenberger. Die Weltmeister der Zauberkunst treten als Duo "Junge Junge!" auf und inszenieren ihr magisches Programm "Glücksmomente".

Auch das Theaterprogramm wartet mit etlichen Stücken auf, die spannende und populäre Stoffe dramaturgisch umsetzen. So zeigt das alte Schauspielhaus Stuttgart "Jeder stirbt für sich allein", eine Bühnenversion nach dem Roman von Hans Fallada, der 60 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung 1946 zum internationalen, besonders in der US-Presse gefeierten Bestseller avancierte. Darin geht es um ein älteres Berliner Ehepaar, das Anfang der Vierzigerjahre mit kritischen Postkarten Widerstand gegen Hitler leistet und schließlich denunziert wird. Ein Bestseller im deutschsprachigen Raum war der Jugendroman "Auerhaus" von Bov Bjerg im Jahr 2016, auch er wird in einer Theateradaption im Bürgerhaus gezeigt. Interessant dürfte die Produktion des Neuen Globe Theaters "Indien - eine Schnitzeljagd durch die deutsche Provinz" werden, nach dem Theaterstück von Josef Hader und Alfred Dorfer, das Anfang der Neunziger verfilmt wurde. Es gibt aber auch Klassiker wie Schillers "Maria Stuart" in einer Inszenierung der Bremer Shakespeare Company oder das Boulevardstück "Mr. President First".

Das musikalische Angebot ist ebenfalls abwechslungsreich - von Donizettis heiterer Oper "Der Liebestrank" bis zum britischen A-capella-Ensemble The Magnets, das Rock-Klassiker interpretiert bis zur niederländischen Wëreldbänd, die Slapstick mit Comedy verbindet. Das Ganze findet wie immer im Sommer einen besonderen Höhepunkt im Internationalen Unterföhringer Jazz-Weekend mit dem legendären Latin-Jazz-Pianisten Chucho Valdés, seines Zeichens unter anderem mit sechs Grammys und drei Latin Grammy Awards ausgezeichnet. Ihn einen der renommiertesten afrokubanischen Jazz-Musiker zu nennen, hieße nicht, seine Bedeutung zu überhöhen. "Dass wir ihn hier haben werden, darauf sind wir schon stolz", erklärt Nagel.

Der Vorverkauf für die Abos startet am Samstag, 17. November, um 10 Uhr. Der Verkauf der Wahlabos am Samstag, 24. November, um 10 Uhr. Einzelkarten sind vom 1. Dezember an erhältlich. Nähere Informationen gibt es unter 089/950 81 506 oder www.buergerhaus-unterfoehring.de.

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Quelle:
SZ vom 15.11.2018
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