Post von Gabriel:Wenig zufriedenstellende Antwort aus dem Willy-Brandt-Haus

Post von Gabriel: Der SPD-Landtagsabgeordnete hat in einem Schreiben an Sigmar Gabriel Sorge über den Zustand der Partei geäußert. Die Antwort aus Berlin überzeugt ihn nicht.

Der SPD-Landtagsabgeordnete hat in einem Schreiben an Sigmar Gabriel Sorge über den Zustand der Partei geäußert. Die Antwort aus Berlin überzeugt ihn nicht.

(Foto: Claus Schunk)

SPD-Chef Sigmar Gabriel reagiert auf Peter Paul Gantzers Kritik am Zustand der SPD - dessen Sorgen um die Partei kann er aber nicht zerstreuen

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis

Sigmar Gabriel stellt dar, was im politischen Duktus gerne als "erfahrener Fahrensmann" bezeichnet wird. Peter Paul Gantzer hat noch ein wenig mehr Erfahrung im Laufe seines politischen Lebens gesammelt als der SPD-Bundesvorsitzende - und ist so etwas wie der "Grand Seigneur" seiner Partei. Den SPD-Chef und den SPD-Landtagsabgeordneten aus Haar - übrigens mit 38 Jahren Zugehörigkeit zum Landtag einer der dienstältesten Parlamentarier der Republik - eint die Sorge um die eigene Partei. Sigmar Gabriel freilich auch aus der Angst um das eigene politische Überleben heraus, Peter Paul Gantzer, weil er das Überleben seiner SPD als Volkspartei Gefahr sieht.

Gantzer hat diese Sorge bereits im Mai kund getan und einen Brief an seinen Vorsitzenden geschrieben, den er dann auch öffentlich gemacht hat. Viele Funktionäre hätten ihm darauf hin kaum Hoffnungen gemacht, Antwort aus dem Willy-Brandt-Haus in Berlin zu erhalten. "Eben weil ich damit an die Öffentlichkeit gegangen bin", sagt Gantzer.

Doch nun liegt Gabriels Antwort vor. "Das hat mich überrascht und auch sehr gefreut", sagt Gantzer. "Damit hat er Format bewiesen." Aber hat ihn die Antwort auch zufrieden gestellt? "Nein", sagt Gantzer.

Das Hauptübel, schrieb Gantzer, seien die "Rosenkriege"

Als Gantzer im Mai den Brief an seinen Vorsitzenden verfasste, wies die letzte Sonntagsfrage gerade einmal noch 19 Prozent für die SPD auf Bundesebene aus. "Jetzt leide ich um meine Partei", schrieb Gantzer also an Gabriel - und beschrieb als "Hauptübel" das äußere Erscheinungsbild der SPD: Rosenkriege würden geführt, stets gebe es zu jedem Thema mindestens zwei Meinungen, Parteitagsbeschlüsse würden nicht akzeptiert.

Und was schreibt Gabriel zu diesen Eindrücken? Nichts. In dem Antwortbrief, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, lässt der SPD-Chef verlauten, Gantzer spreche "wichtige Herausforderungen" für die Partei an - und der Bayer habe "auch in einigen Punkten recht, was den Zustand unserer Partei betrifft". Konkreter aber wird Gabriel nicht.

Gantzer konfrontierte Gabriel auch mit seiner Wahrnehmung, die SPD habe kein klares Profil mehr. Auch das "immer wieder vorgetragene Mantra", die SPD dominiere etwa mit der Einführung des Mindestlohns und der Rente mit 63 die Politik in der großen Koalition, kritisierte Gantzer - und tut es auch nach der Antwort seines Vorsitzenden: "Die SPD hat mit dieser Politik richtig gehandelt. Aber es berührt die Mehrheit der Menschen nicht. Wir müssen wieder auf die großen Themen setzen: eine Gesellschaft der Solidarität, in der Vermögende ihren Beitrag leisten. Aber sie haben kein soziales Gewissen."

DIe Partei, schreibt Gabriel, habe "rote Linien" - etwa bei TTIP

"Wir haben unmissverständliche rote Linien bei TTIP, wir haben ein klares Nein zu Glyphosat, wir haben klare Grenzen bei der Vorratsdatenspeicherung in Abwägung mit Sicherheitsanforderungen in Zeiten zunehmender Terrorbedrohung", antwortet indes der SPD-Vorsitzende. Was die Einkommenssteuer betreffe, befinde sich die Partei "mitten im Prozess zur Erarbeitung eines Konzeptes für mehr Steuergerechtigkeit, lässt Gabriel verlauten. Und: "Hohe Einkommen tragen eine entsprechend hohe steuerliche Verantwortung."

"Du hast sicherlich Recht darin, dass unsere gute Politik, die wir tagtäglich auf allen Ebenen der Regierung machen, nicht ausreichend von den Menschen wahrgenommen wird", schreibt Gabriel an Gantzer. Und der benennt einen Punkt, den Gabriel angesprochen hat konkret - und widerspricht: "Beim Thema Vorratsdatenspeicherung hat Gabriel ein Machtwort gesprochen, weil die sachlichen Argumente immer noch so umstritten sind."

Was Gantzer Sorge bereitet, ist die "Bilanz" seiner Partei: "Es ist wie bei einer Firma. Und wir müssen einfach festhalten: Die Rendite für unsere Politik stimmt nicht." Das wirke sich auf die Bilanzzahlen aus? "Haben wir bei TTIP oder Ceta klare Kante gezeigt?", fragt Gantzer - und gibt selbst die Antwort: "Nein, haben wir nicht."

Gabriel, sagt Gantzer, kenne die Probleme - gerade beim Thema soziale Gerechtigkeit. Von Lösungen aber sei die Partei "weit entfernt". Den Vorsitzenden stellt er aber nicht in Frage. Dennoch blickt Gantzer auf die kommenden Monate. Wenn sich etwa der Parteikonvent der SPD mehrheitlich gegen das Ceta-Handelsabkommen mit Kanada aussprechen sollte, sagt Gantzer, würde Gabriel sicher handeln. Das Wort Rücktritt nimmt er aber nicht in den Mund.

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