Podiumsdiskussion:Das Recht auf Unvernunft

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Daniel Bahr, Helmut Markwort, Jimmy Schulz und Daniel Föst (von links) sprachen viele Gesundheitsthemen an. (Foto: Claus Schunk)

Die FDP warnt in Grünwald vor Bevormundung von Patienten

Von Claudia Wessel, Grünwald

Seinen fittesten Tag hatte Daniel Bahr am Mittwoch nicht. Nur 5829 Schritte zeigte sein "Wearable" an, als Moderator Helmut Markwort bei der FDP-Podiumsdiskussion "Gesundheit zukunftssicher" im Forsthaus Wörnbrunn, frech einen Blick darauf warf. Denn es ging um die Idee von Versicherungen, Menschen mit Wearable einen Teil des Beitrags zu erlassen, da sie etwas für ihre Gesundheit tun. Das sei jedoch verboten, sagte Bahr, der vom Mai 2011 bis Dezember 2013 Bundesgesundheitsminister war.

Auch Jimmy Schulz, FDP-Bundestagskandidat München-Land, ist gegen eine solche Praxis: "Das halte ich für brandgefährlich", sagte er vor rund 100 Zuhörern auf der Veranstaltung des Grünwalder Ortsverbands, "weil man nicht weiß, was mit den Daten gemacht wird." Logisch, dass er anders als Marathonläufer Bahr kein Wearable besitzt, ebenso wenig wie Daniel Föst, Generalsekretär der FDP Bayern und Spitzenkandidat der Partei. "Ich hab ein Recht auf Unvernunft", erklärte er als Antwort auf die Idee der Versicherungen, Patienten mit finanziellen Vorteilen zu locken. Sein Vater allerdings habe sich im Alter von 70 jetzt noch ein Messgerät angeschafft, um seine Blutzuckerwerte besser in den Griff zu bekommen. Generell sei nichts gegen die Fitnessbänder und -uhren zu sagen. "Aber den Zusammenhang mit einem ökonomischen Vorteil lehne ich ab."

Markwort, der von sich selbst sagte, er sei ein "leicht hypochondrischer Patient", sprach viele spannende Themen der Gesundheitspolitik an. Etwa die Tatsache, dass viele Ärzte sagen, ohne die Einnahmen durch Privatpatienten könnten sie die gesetzlich Versicherten nicht versorgen. Das fanden aber die FDP-Politiker gar nicht schlimm. "Wir sind stolz darauf, dass wir in Deutschland die Wahlfreiheit haben zwischen gesetzlicher und privater Versicherung", sagte etwa Bahr, das sei besser als in England oder Spanien. Die 1000-Dollar-Pille gegen Hepatitis C etwa stehe in Deutschland zur Verfügung, in England und Spanien aber nicht. "Der Wettbewerb ist gut", sagte er. "Aufgrund dessen haben wir insgesamt ein höheres Niveau an ärztlichen Leistungen."

Auch der rasante Anstieg der Operationen in Deutschland kam zur Sprache. "Die Zahl der Rücken- und Hüft-Operationen ist in Deutschland innerhalb eines Jahres um 200 Prozent gestiegen", sagte Markwort und fragte: "Wie kann man sich dagegen schützen, dass man nur aufgrund der 30 000 Euro Einnahmen für den Arzt operiert wird?" Da helfe oft die zweite Meinung, antwortete Bahr. Die könne man etwa bei Betterdoc.org bekommen, einem Kooperationspartner der privaten Krankenversicherung der Allianz, deren Vorstand Bahr mittlerweile ist. "Wir arbeiten da mit der Schwarmintelligenz. Man kann eine Frage stellen, auf die dann viele Ärzte antworten." Doch man müsse natürlich auch "Fehlanreize" wie die hohen Honorare für eine OP und die dagegen sehr niedrigen Preise für eine konventionelle Behandlung beseitigen.

Markwort fragte auch nach dem Mangel an Landärzten "vor allem in Gegenden, die nicht so schön sind wie München und Grünwald". Daniel Bahr findet, man solle die Medizinerauswahl verändern, also nicht nur die besten Abiturienten zulassen. Denn diese strebten auch später eher nach Karriere als danach, auf dem Land eine Praxis zu übernehmen. Aus dem Publikum kamen einige Fragen. So wollte ein Kardiologe wissen, wie ernst es der FDP mit der Forderung sei, die Wahl einer privaten Krankenversicherung unabhängig vom Verdienst zu machen. Damit sei es den Liberalen immer sehr ernst gewesen, antwortete Bahr. "Doch die FDP wird selten mit absoluter Mehrheit gewählt." Daher habe man diese Forderung bisher nicht umsetzen können. Ein Orthopäde erklärte, die Gebührenordnung müsse überarbeitet werden. "Nicht, damit wir Ärzte mehr Geld verdienen", sondern auch, weil es für viele Behandlungen keinen passenden Schlüssel gebe. Die FDP-Politiker versprachen, sich dafür einzusetzen.

© SZ vom 28.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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