Nationalsozialismus:Neue Wege der Erinnerung

Nationalsozialismus: Mahnmale des Künstlers Hubertus von Pilgrim erinnern entlang der Routen an die Todesmärsche.

Mahnmale des Künstlers Hubertus von Pilgrim erinnern entlang der Routen an die Todesmärsche.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Nach zwei Jahren Pause findet erstmals wieder ein Gedenkzug für die Opfer des Todesmarsches durchs Würmtal statt. Nachdem die letzten Zeitzeugen gestorben sind, kommen Angehörige zu Wort. Erstmals gibt es auch eine Ausstellung mit umfangreichem Begleitprogramm.

Von Lara Jack, Planegg

Das Gedenken an die Opfer des Holocaust sei häufig geprägt von "erstarrten Ritualen", sagt Jan Mühlstein, Mitbegründer der liberalen Jüdischen Gemeinde Beth Shalom in München und Zeitzeuge der zweiten Generation von Shoa-Opfern. Davon wolle man sich nun distanzieren und beweisen, dass insbesondere die Jugend auch auf anderem Wege für die historischen Geschehnisse sensibilisiert werden könne. So wird es in diesem Jahr ergänzend zum Würmtaler Gedenkzug erstmals eine Ausstellung im Kupferhaus Planegg mitsamt diversen Begleitveranstaltungen geben. "Das Spektrum des Gedenkens soll mit dieser Ausstellung erweitert werden", sagt Mühlstein, dessen Gemeinde die Veranstaltungen gemeinsam mit dem Verein Gedenken im Würmtal und weiteren Unterstützern organisiert.

In Erinnerung an die KZ-Häftlinge, die in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges in Todesmärschen durch das Würmtal getrieben wurden, wird seit 24 Jahren der Würmtaler Gedenkzug veranstaltet. Nachdem er zuletzt pandemiebedingt ausfallen musste, findet er am Samstag, 30. April, nach zwei Jahren Pause wieder statt. Das Prozedere folgt in etwa dem gleichen technischen Ablauf wie noch zu Prä-Corona-Zeiten. An den Mahnmalen werden Schüler der teilnehmenden Schulen aus Literatur der Überlebenden des Todesmarsches vorlesen, wie Hans-Joachim Stumpf, Vorsitzender des Vereins Gedenken im Würmtal, sagt. Auch politische Repräsentanten sind wieder eingeladen. Zugesagt haben bereits der Münchner Landrat Christoph Göbel und sein Starnberger Kollege Stefan Frey sowie die Bürgermeister und Gemeinderäte aus dem Würmtal.

Nachdem die letzten Überlebenden des Todesmarsches kürzlich gestorben seien, würden in diesem Jahr Zeitzeugen der zweiten Generation von ihrer Familiengeschichte erzählen, sagt Stumpf, darunter auch Gäste aus Israel. Aus aktuellem Anlass sei es am Tag des Gedenkzuges außerdem wichtig, aus der Vergangenheit eine Brücke in die Gegenwart zu bauen und somit Russlands Angriffs-Krieg auf die Ukraine zu thematisieren, betont Stumpf: "Man will nicht nur gedenken, sondern auch gerade in Anbetracht der aktuellen politischen Situation Humanität und Flagge zeigen, sich bürgerlich engagieren und aktiv Position vertreten."

Ein großes Novum in diesem Jahr ist die Ausstellung "Erinnerte Gegenwart" im Kupferhaus Planegg mit zugehörigem Begleitprogramm. Gezeigt werden Dokumente zum Ghetto Theresienstadt, Informationstafeln über dessen Bezug zum Würmtal und Arbeiten der Münchner Künstlerin Marlies Poss "zur Bewahrung der Erinnerung an jüdische Schicksale in der Nazi-Zeit", wie es auf dem Flyer heißt. Das Würmtal sei beim Gedenkzug stets nur als Schauplatz wahrgenommen worden, sagt Thomas Schaffert, der stellvertretende Vorsitzende des Vereins "Gedenken im Würmtal" und stellvertretender Leiter der Musikschule Planegg-Krailing. Dass aber auch aus diesen Gemeinden Menschen mit jüdischer Herkunft verfolgt und deportiert wurden, wüssten nur wenige. Durch die Ausstellung "Erinnerte Gegenwart" werde nun ein spezifischer Bezug zum Ort hergestellt.

Die Ausstellung wird am Montag, 9. Mai, mit einer Vernissage eröffnet. Laut Mühlstein wird es ein Podiumsgespräch geben mit Schülern, dem ehemaligen Leiter des ARD-Studios Tel Aviv, Richard Schneider, und Judith Faesseler, der Enkelin des bekannten KZ-Überlebenden Max Mannheimer. Als zweite Begleitveranstaltung findet am 16. Mai ein Vortrag von Maximilian Strnad zu "Deportationen Münchner Juden 1941-45" statt. Weiter geht es am 23.Mai mit einer Lesung aus dem Roman "Die Todgeweihten" von Berthie Philipp und musikalischer Begleitung der Gruppe Youkali. Am 30. Mai hält Mühlstein selbst einen Vortrag mit dem Titel "Theresienstadt als Familiengeschichte" und zur abschließenden Finissage am 26. Juni treten die Philharmonischen Solisten Essen in Kooperation mit dem Ensemble Musica Sacra Planegg-Krailing zu einem Holocaust-Gedenkkonzert auf. Gespielt würden Stücke jüdischer Komponisten, die teilweise in Theresienstadt selbst komponiert wurden.

Die Begleitveranstaltungen beginnen jeweils um 19 Uhr, die Ausstellung ist von 9 bis 19 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei, Voranmeldungen können online vorgenommen werden.

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