Süddeutsche Zeitung

Phallus-Skulptur im Englischen Garten:Gold unter der Gürtellinie

Unbekannte haben einen riesigen Phallus in eine Wiese im Englischen Garten betoniert. Das sorgt für Aufregung.

Felicitas Kock

Auf der Wiese südlich des Monopteros steht etwas Goldenes. Aus der Ferne ist es nicht genau zu erkennen. Ist es eine Nachbildung des WM-Pokals, den ausgelassene Fußballfans nach der Siegesfeier am Samstag hier aufgestellt haben? Oder ist es, im konservativen Bayern mag man es kaum denken, ein Phallus, der sich da gen Himmel reckt?

Genau das ist es. Die Konstruktion aus Hasendraht und Pappmaschee, die Unbekannte über Nacht aufgestellt haben, ist zwei Meter groß und mit Goldlack bemalt. Die Kunstschaffenden haben ganze Arbeit geleistet: Sie haben die Skulptur an Metallstäben befestigt und diese in den Boden betoniert. Stücke ausgehobener Erde liegen noch auf der Wiese verteilt. Und so steht es da, das beste Stück des Mannes, bombenfest und mit einer leichten Neigung nach Osten.

Eine Phallus-Figur im Englischen Garten - und das am Sonntag. An dem erstens der fromme Münchner morgens in die Kirche geht und an dem zweitens der Englische Garten am belebtesten ist. Das sorgt für allerhand Aufregung, möchte man meinen. Schließlich steht der Fremdkörper inmitten von Touristenscharen und Sonnenanbetern.

Doch Münchner und Urlauber nehmen den "Goldständer" gelassen. Mit einigem Abstand haben die Sonnenbadenden ihre Handtücher ausgebreitet und beobachten das Treiben, das sich um die neue Attraktion entwickelt.

Familienväter bestaunen mit ihren Söhnen, aus welchen Materialien die Skulptur gebaut ist, eine Gruppe junger englischer Touristinnen macht kichernd Fotos. "Beschwerden gab es keine", sagt Gottfried Schlicht vom Münchner Polizeipräsidium. Viele würden nur wahrnehmen, dass da etwas Goldenes auf der Wiese stehe. Dennoch seien der Polizei von Bürgern viele Fotos vom goldenen Phallus zugeschickt worden.

Um 9:45 Uhr hatte eine Polizeistreife die glänzende Skulptur entdeckt und der zuständigen Polizeiinspektion gemeldet. Die Parkverwaltung wurde über die Erregung öffentlichen Ärgernisses informiert, ansonsten unternahm die Polizei nichts. "Es liegt bei der Verwaltung des Englischen Gartens, ob sie Anzeige erstatten will oder nicht", sagt Schlicht. Es wäre eine Anzeige gegen Unbekannt, denn wer für das pikante Kunstwerk verantwortlich ist, weiß niemand.

Thomas Köster, Vorstand der Parkverwaltung, gibt sich jedoch gelassen. Eine Skulptur habe zwar noch nie jemand in den Englischen Garten betoniert, Malereien sexueller Natur, wie beispielsweise nackte Frauen, gebe es aber am Monopteros recht häufig. Insofern bestünde kein Grund zur Aufregung. "Wenn uns so etwas gemeldet wird, dann fahren wir hin und beseitigen es", sagt Köster.

Und so ist es dann auch geschehen. Am Montagmorgen erinnert nur noch wenig an das goldene Gemächt, das am Vortag die Blicke auf sich zog. Zwar sind noch einige Reste übrig, mit einem Phallus haben diese allerdings wenig gemein. Nur ein paar Metallstäbe, etwas Hasendraht und Zeitungsfetzen, die im Wind flattern.

Was die Künstler mit ihrem Readymade sagen wollten, bleibt unklar. Ist es eine Botschaft an die FKKler auf der anderen Seite des Schwabinger Bachs? Ist es reine Provokation? Will man Berlin zeigen, dass München "reich und sexy" ist? Eines ist sicher: Auf die Nackerten hat an diesem Sonntag kaum jemand ein Auge geworfen.

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