Süddeutsche Zeitung

Isar-Amper-Klinikum:Wichtig wie eh und je

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Die Pflegeschule in Haar entstand, als nach der Spanischen Grippe medizinisches Personal fehlte. 100 Jahre später ist die Aufgabe ganz ähnlich.

Von Anna-Maria Salmen, Haar

Es beginnt meist mit plötzlichem Fieber, Kopfschmerzen und Husten, der oft in eine Lungenentzündung übergeht. Zahllose Patienten überleben die Erkrankung nicht, wenige Tage nach dem Ausbruch sterben sie. Unweigerlich fühlt man sich bei dieser Beschreibung an die vergangenen zweieinhalb Jahre erinnert, in denen die Corona-Pandemie die Welt in Atem hielt. Doch der typische Krankheitsverlauf ist auch jener der spanischen Grippe, die bereits rund 100 Jahre früher wütete. Weltweit forderte sie zwischen 1918 und 1920 Millionen Opfer. Damals wie heute wurde man angesichts der Krise auf die zentrale Bedeutung der Krankenpflege aufmerksam.

Um dem erkannten Bedarf an gut ausbildeten Pflegekräften zu begegnen, wurde 1922 die Berufsfachschule für Pflege in Haar gegründet, die noch heute besteht. Als "außergewöhnliche Erfolgsgeschichte" bezeichnete Bezirkstagspräsident Josef Mederer die lange Tradition der Einrichtung nun beim Festakt zum 100-jährigen Bestehen.

Alte Schwarz-Weiß-Bilder von Krankenschwestern in hellen Kitteln flackern über die Leinwand hinter dem Rednerpult. Damals, in der Gründungszeit der Schule, seien die Klassen mit jeweils lediglich zehn bis 15 Schülern recht klein gewesen, wie die heutige Leiterin Viktoria Lehrer erzählt. Die Ausbildung in der Krankenpflege sei zudem wenig professionell abgelaufen: Noch bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts waren dafür Ärzte, Pfarrer und Oberinnen zuständig - pädagogische Erfahrung hatten sie meistens nicht. Die Kurse dauerten nur wenige Wochen, dementsprechend war das vermittelte Wissen nicht besonders tiefgehend.

Denn die Ansprüche, die die Gesellschaft an die Pflege stellte, unterschieden sich grundlegend von heutigen Vorstellungen: Ein persönlicher Bezug zu den Kranken war nicht erwünscht, Gespräche waren teilweise gar verboten. Individuelle Fürsorge war praktisch nicht möglich - die Patienten waren vielmehr in großen Schlafsälen untergebracht. Heute dagegen weiß man um die enorme Bedeutung des direkten Kontakts mit den Gepflegten und hat erkannt, dass nur eine professionelle Ausbildung gute Pflegekräfte hervorbringt.

Der Begriff "Krankenschwester" ist überholt

Die Bezeichnung "Krankenschwester" steht bereits seit Längerem nicht mehr in den Abschlusszeugnissen der Absolventen, mittlerweile gibt es zudem viele verschiedene Wege in den Beruf: In der Haarer Schule gibt es neben der generalistischen Ausbildung, die seit 2020 die Bereiche Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege verbindet, auch eine einjährige Ausbildung zum Pflegefachhelfer. Vor rund einem Jahr startete zudem ein Angebot in der Heilerziehungspflege. Insgesamt besuchen nach Angabe von Schulleiterin Lehrer derzeit knapp 280 Schüler die Einrichtung.

Ähnlich vielfältig wie das Ausbildungsangebot sind auch die Biografien der 24 Lehrkräfte, denn einen einzigen Weg zum Ausbilder gibt es im Pflegebereich nicht. "Von einem Studium für Lehrende in Berufsfachschulen für Krankenpflege war lange nicht die Rede", berichtet Lehrer. Über die Jahre haben sich jedoch verschiedene akademische Möglichkeiten ergeben, etwa ein Abschluss in Pflegepädagogik, den einige der Haarer Lehrkräfte absolviert haben. Andere wiederum hätten eine Ausbildung zum Lehrer für Pflegeberufe abgeschlossen. Zudem unterrichten in Haar viele Fachdozenten, darunter Ärzte und Apotheker. Wie Lehrer sagt, ist diese Vielfalt bereichernd für den Schulalltag: "Das macht die Lehre viel interessanter und lebendiger."

Mit ihrem Team konnte die Schulleiterin große Herausforderungen stemmen, berichtet sie. Erst vor zwei Jahren wurde mit einer Reform die generalisierte Ausbildung eingeführt; innerhalb kürzester Zeit musste man die neuen Inhalte in Lehr- und Stundenpläne einarbeiten - alles neben der laufenden Lehrtätigkeit.

Die zentrale Aufgabe der heutigen Zeit ist für die Pflegebranche, Nachwuchs zu finden, davon ist Lehrer überzeugt. "Es werden tatsächlich weniger Auszubildende, das spüren wir deutlich." Ein Grund dafür ist ihrer Ansicht nach die öffentliche Diskussion über die hohe Belastung, die gerade in der Zeit der Pandemie verstärkt geführt wurde. Man bemühe sich bereits sehr darum, "junge Menschen für diesen tollen Beruf zu gewinnen. Aber wir werden in Zukunft sicher noch mehr werben müssen".

Denn eine Tätigkeit in der Pflege sei mit Sicherheit ein Beruf mit Zukunft, sagt die Schulleiterin. Der demografische Wandel führe schließlich dazu, dass immer mehr alte Menschen gepflegt werden müssten. "Eine Ausbildung im Gesundheitswesen zu absolvieren, ist heute wichtiger denn je."

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