Pfarrer:"Ich singe lieber, als in den Kampf zu ziehen"

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Martin Zöbeley erklärt, warum er im Gemeindesaal der Jakobuskirche Suren aus dem Koran vortragen lässt

Interview von Ulrike Schuster, Pullach

Das gab es noch nie, es ist eine Premiere für Kirche und Gemeinde. In der Reihe "Sonntags um sechs - eine halbe Stunde für den ganzen Menschen" werden Koran-Suren gesungen. Dazu hat Pfarrer Martin Zöbeley den Muslim Volkan Türlü eingeladen. Er ist Beauftragter für den interreligiösen Dialog seiner Türkisch-Islamischen Gemeinde in Pasing. Ein Gespräch mit Pfarrer und Ex-Berufsmusiker Martin Zöbeley über den Koran als Kunstwerk, die Alltäglichkeit des Glaubens und einstürzende Mauern.

SZ: Am Sonntag werden in Ihrem Gemeindesaal Koran-Suren gesungen. Taugt die Bibel nicht mehr für den Gottesdienst?

Martin Zöbeley: Die Bibel wird nicht durch den Koran ersetzt. Bloß sollten wir unsere Ohren auch für die Schönheit und den Reichtum des Koran öffnen. Er wird ja nicht nur gelesen, sondern verkündet. Das ist große Kunst.

Was ist daran besonders?

Das Singen der Suren öffnet die Herzen der Menschen, man bekommt ein Gefühl füreinander, egal wie groß die kulturellen und religiösen Gräben sind, die Musik überwindet sie.

Worin sehen Sie den tiefsten Graben?

Der Koran hat auf das Leben des Muslime einen viel stärkeren Einfluss als die Bibel auf das Leben des Christen. Bei der Entscheidung über gut und böse, steht für uns nicht Gottes Wort an erster Stelle, sondern gesellschaftliche Ideale wie Glück und Autonomie.

Karlsfeld Weidenweg 7 Martin Zöbeley Musiker npj / Foto: Jørgensen (Foto: DAH)

Sie klingen von der alltäglichen Macht des muslimischen Glaubens fasziniert. Viele andere würden den vorbehaltlosen Glauben an den Koran viel lieber durch den Glauben an das Grundgesetz ersetzen.

Der Islam stellt unsere demokratischen Werte nicht in Frage, er ist nur viel sichtbarer, weil er gelebt wird. Insofern ist die Scharia auch kein Rechtssystem, sondern die Verwirklichung des Glaubens im Alltag.

Das könnten AfD und Pegida unschwer als Kampfansage verstehen. Keine Angst, dass die Ihnen die Kirchentür eintreten?

Zumindest scheue ich die Begegnung nicht, sie könnte ein Auftakt für Offenheit sein. Andererseits, halte ich es für nicht sehr wahrscheinlich, dass diese Leute ernsthaft interessiert, was im Inneren der Kirche vor sich geht, noch was die Aufgabe der Religion ist - Versöhnung.

Volkan Türlü singt der Gemeinde Suren auf Arabisch vor. Das ist nicht nur ein einseitiges Sender-Empfänger-Modell, sondern auch eine Sprache, die keiner versteht. Wie soll da Versöhnung funktionieren?

Die deutsche Übersetzung der Suren gibt es zum Mitlesen. Im Alten Testament sind die Mauern von Jericho allein durch Musik eingestürzt. Heute steht die höchste Mauer zwischen Christen und Muslimen. Wenn uns Wissen und Vernunft nicht weiterhelfen, kann es nur noch die Musik. Sie lässt uns fühlen, was wir nicht begreifen können, dass der Islam nämlich viel mehr ist als Burka, IS-Terror und Boko Haram.

Sie sind politisch und ein Querdenker.

Ich bin unzufrieden mit der Welt, aber ich singe lieber, als in den Kampf zu ziehen. Und die Kirche kann gar nicht anders als politisch zu sein, sie will Frieden, Gerechtkeit und die Bewahrung der Schöpfung.

Bringt Herr Türlü muslimische Freunde und Familie mit in die Kirche?

Ich weiß von nichts, ich glaube nicht.

Wann werden Psalmen in der Moschee gelesen?

Das weiß ich nicht, es interessiert mich aber auch nicht. Das ist nicht die Bedingung, die ich ausspreche, wenn ich einlade. Ich hoffe aber, dass es eines Tages geschieht, vielleicht müssen Gott und Allah ein bisschen nachhelfen.

© SZ vom 13.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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