Evangelische Kirche:Mit Fliege auf Youtube

Evangelische Kirche: 15 bis 20 Minuten lang beleuchtet Gereon Sedlmayr die einzelnen Themen, immer wieder integriert er Interview-Clips, Ausschnitte aus Dokumentationen oder Buchtipps. Anfangs hat ihm sein Sohn beim Filmen geholfen, inzwischen macht er alles selbst.

15 bis 20 Minuten lang beleuchtet Gereon Sedlmayr die einzelnen Themen, immer wieder integriert er Interview-Clips, Ausschnitte aus Dokumentationen oder Buchtipps. Anfangs hat ihm sein Sohn beim Filmen geholfen, inzwischen macht er alles selbst.

(Foto: Youtube)

Mit seinem Format "WG der Religionen" will der Vaterstettener und Grasbrunner Pfarrer Gereon Sedlmayr auch jüngere Zuschauer erreichen. Seine Pläne sind ehrgeizig: Er will 365 Folgen aufnehmen, jeden Monat eine.

Von Franziska Langhammer, Vaterstetten/Grasbrunn

Es fehlen ihm vielleicht die Kosmetik-Skills der mexikanischen Bloggerin Yuya oder die Freude an der Persiflage von Urgestein Shane Dawson, doch in Sachen Unterhaltsamkeit hat er durchaus auch was zu bieten: Gereon Vogel-Sedlmayr ist unter die Youtuber gegangen. Mit Fliege, schwarzer Weste und weißem Hemd steht der 55-Jährige für sein Format "Die WG der Religionen" vor der Kamera und erklärt in nun schon sechs Folgen seiner Fangemeinde die ganz großen Fragen rund um den Glauben. "Übrigens: Ich bin ein evangelischer Pfarrer", sagt er im Teaser. "Aber auch wenn ich zufällig ein Außerirdischer wäre, würde mich der Bereich des Religiösen faszinieren." Die Kommentare unter den Folgen sind ausnehmend positiv, jemand schreibt etwa: "Sehr weise Worte, besonders in diesen schweren Zeiten. Danke!" oder auch "Sehr interessantes Video". Auf mittlerweile 49 Follower kann Pfarrer Sedlmayr, der sich hauptberuflich um die Gemeinden Neukeferloh, Harthausen und Grasbrunn, Baldham und Vaterstetten kümmert, schon blicken; so manches Video wurde rund 400 Mal angeklickt.

Informieren, das möchte Sedlmayr auf seinem Youtube-Kanal über ein Thema, das seiner Meinung nach auf dieser Plattform bisher eher stiefmütterlich behandelt wird: Religion. "Bei aller berechtigten Religionskritik möchte ich auch die positiven Leistungen, die aus dem religiösen Erbe herrühren, deutlich machen", sagt er. Unterhaltsam, wissenschaftlich und faktenbasiert will er den Dingen auf den Grund gehen und dabei vor allem auch einem jüngeren Publikum die Möglichkeit geben, neugierig zu werden.

Wo findet Religiosität in unserem Gehirn statt? Wann begann der Mensch, religiös zu werden? Die Fragestellungen sind komplex, werden jedoch auch für Laien verständlich aufgedröselt. Am Ende jeder Folge, die etwa 15 bis 20 Minuten dauert, hilft eine Zusammenfassung nochmals, das Gesehene und Gehörte zu rekapitulieren und in einen größeren Zusammenhang zu stellen.

Eine Folge der "WG der Religionen" beschäftigt sich etwa mit dem Göbekli Tepe, einer steinzeitlichen Anlage, die in den Neunzigern im Südosten der Türkei frei gelegt wurde und prähistorisch vermutlich als Tempel genutzt wurde. Begeisterung ist zu spüren, wenn Gereon Sedlmayr von der erstmaligen Erforschung des Heiligtums spricht: Entdecker Klaus Schmidt sieht am Hügel Göbekli Tepe von Menschenhand bearbeitete Feuersteine. Sedlmayr versucht, dessen autobiografischen Text für das junge Publikum zu übersetzen: Schmidt müsse sich gefühlt haben "wie ein Astronaut, wenn er auf einem fremden Planeten auf einen Abhang voller Schraubenzieher trifft", so der Pfarrer. Er spricht von einem Wendepunkt der Weltgeschichte, an dem die Kultur entstanden ist. Um das Erzählte zu untermalen, werden in den Filmchen kurze Ausschnitte aus Dokumentationen eingeblendet, Interview-Clips oder Buchtipps; die Hintergrundmusik ist mal klassisch, mal poppig, mal rabaukenhaft. Auf Perfektion kommt es Sedlmayr dabei nicht an, im Zentrum steht die Unterhaltsamkeit.

Mehrere Anstöße führten Gereon Sedlmayr zu Youtube. "Ich habe bei meinen Kindern beobachtet, wie selbstverständlich sie Youtube nutzen", erzählt er. Eine tolle Sache, findet er, und so besieht er sich die Plattform genauer. Viele Leute würden dort eine super Arbeit machen, so Sedlmayr, etwa, wenn per Video Mathe und Chemie für die Schule erklärt würden. Ein Medium, das auch er in den letzten fünf Jahren immer häufiger befragt, wenn er nicht weiter weiß - etwa, um den Wasserhahn oder die Klospülung zu reparieren.

Weil sich aber über Religionsgeschichte an sich nicht viel findet auf Youtube, beschließt Sedlmayr, selbst diese Lücke zu füllen. "Eigentlich hatte ich schon lange die Vorstellung, das, was ich mir zum Thema Religion und Religionswissenschaft angelesen habe, im Ruhestand zusammen zu schreiben zu einem großen, dicken Buch", sagt er. Doch auch bei seinen Kindern habe er gesehen, dass Jüngere oft andere Wege suchen, um sich zu informieren. Und so ist aus dem dicken Buch nun schon Jahre vor seinem Ruhestand ein Youtube-Format geworden. Der Name "WG der Religionen" ist auch mit Blick auf Sedlmayrs Werdegang entstanden: Bevor er 2013 nach Vaterstetten kam, war er in Passau Vorsitzender des Evangelischen Bildungswerks - und Studentenpfarrer. Eine der beliebtesten Wohnformen unter Studierenden und somit größtenteils positiv konnotiert, weiß Sedlmayr, ist die WG, die Wohngemeinschaft. Der Titel soll das Thema Religion aber nicht nur für Jüngere ansprechend gestalten, sondern auch verdeutlichen, dass Religion nie nur "ein einziges, aufgeräumtes Zimmer ist", so Sedlmayr: "Es gibt immer viele Verbindungen."

Mit Hilfe eines ehemaligen Konfirmanden und seines Neffen, beides Youtuber, eignet der evangelische Pfarrer sich die Grundlagen der Clip-Produktion an. Anfangs probiert er noch mit dem Handy, dann nimmt sein Sohn ihn eine Zeit lang per Kamera auf. Weil es diesem zu langweilig wird, drückt Sedlmayr mittlerweile selbst aufs Knöpfchen. Die Wahl seines Outfits ist nicht zufällig. "Jungen Leuten gefällt meine Fliege", erzählt er. "Sie hat einen Wiedererkennungswert." Schmunzelnd fügt er hinzu: "Für die bin ich sowieso ein Wesen aus einer anderen Welt." Auch von einem ehemaligen Studienkollegen holt er sich Schützenhilfe, dem Religionspädagogen Roland Rosenstock, der in Greifswald lehrt und ein erfolgreiches Buch für Kinder über Religionen veröffentlicht hat.

Sedlmayrs Projekt ist ehrgeizig: Insgesamt 365 Folgen will er produzieren, jeden Monat eine - zu tun gibt es also noch genug in den nächsten 30 Jahren. Perspektivisch möchte Gereon Sedlmayr jedoch seine "WG der Religionen" auch breiter aufstellen. Ab Herbst sollen auch weitere Fachleute vor die Kamera treten und religionsrelevante Fragen beantworten.

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