Petition:Schüler wollen Depressionen auf den Lehrplan setzen

Petition: Jungfilmer als Lobbyist: Alexander Spöri (rechts) mit Kultusminister Michael Piazolo im Landtag.

Jungfilmer als Lobbyist: Alexander Spöri (rechts) mit Kultusminister Michael Piazolo im Landtag.

(Foto: privat)

Die jungen Macher des Films "Grau ist keine Farbe" starten eine Petition für eine bessere Aufklärung über psychische Krankheiten.

Von Christina Hertel, Taufkirchen

Wer in Bayern Abitur macht, sollte wissen, was eine Exponential- von einer Logarithmusfunktion unterscheidet. Den Unterschied zwischen einer Krise in der Pubertät und einer Depression würden viele Schüler allerdings nicht erkennen, sagt Alexander Spöri. Der Zwölftklässler aus Taufkirchen hat gemeinsam mit Mitschülern vom Unterhachinger Lise-Meitner-Gymnasium einen Film über Depressionen unter Jugendlichen gedreht. Mit einer Petition fordern die Filmemacher, dass psychische Krankheiten in den Lehrplan aufgenommen werden und Lehrer während ihrer Ausbildung besser auf das Thema vorbereitet werden. Fast 40 000 Menschen haben diese Petition bereits unterschrieben. In einer der nächsten Sitzungen dürfen die Jungfilmer im Bildungsausschuss des bayerischen Landtags ihre Forderungen vortragen.

Der 18 Jahre alte Alexander Spöri hat derzeit einen Terminkalender, der weniger an einen Abiturienten als an einen Cheflobbyisten erinnert: Gleich zweimal war er diese Woche im Landtag. Am Mittwoch traf er die Grünen-Abgeordneten Claudia Köhler und Max Deisenhofen. Danach passte er auf dem Gang noch schnell Kultusminister Michael Piazolo von den Freien Wählern ab. Am Donnerstag setzte er sich mit den Abgeordneten Ruth Waldmann und Margit Wild von der SPD zusammen. Und nach den Osterferien trifft er sich mit der FDP.

Zumindest Grüne, SPD und FDP unterstützen die Forderung der Schüler, dass Aufklärung über Depression Teil des Unterrichts sein sollte - so wie rund 39 300 Menschen, die die Petition online unterzeichnet haben. Darunter sind viele Betroffene und deren Angehörige. Einige von ihnen schreiben in der Kommentarspalte zu der Online-Petition, dass sie hoffen, dass es anderen Betroffenen in Zukunft besser ergeht - wenn die Gesellschaft mehr über die Krankheit weiß.

Fünf Bekannte waren während der Schulzeit erkrankt

Auch Alexander Spöri, Luca Zug, Colin Maidment, Leon Golz, Paul Schweller und Vitus Rabe, die seit der sechsten Klasse unter dem Namen Movie Jam Studios Filme verwirklichen und 2018 mit einem Tassilo-Preis der SZ ausgezeichnet wurden, wussten vor dem Dreh kaum etwas darüber. Dabei sind alleine fünf ihrer Bekannten während der Schulzeit an einer Depression erkrankt. Doch offen sei darüber kaum gesprochen worden, sagt Spöri. "Die Betroffenen waren plötzlich über Wochen nicht da - und es gab viele Gerüchte." Wenn das Bewusstsein größer gewesen wäre, wenn sie besser Bescheid gewusst hätten, glaubt er, hätten er und seine Mitschüler sich wohl anders verhalten. Für ihn und den Rest von Movie Jam Studios sei das der Anlass gewesen, am Ende nicht nur einen gelungenen Film präsentieren, sondern auch gesellschaftlich etwas bewirken zu wollen.

Vorstellen könnte sich das Filmteam zum Beispiel, dass Depressionen im Deutschunterricht zur Sprache kommen - etwa indem Lehrer Texte depressiver Autoren behandeln. Auch in Bio könnte man aus Spöris Sicht etwas über die Krankheit lernen. Spätestens in der neunten Klasse sollten aus seiner Sicht Schüler verpflichtend an Informationsveranstaltungen teilnehmen müssen - schließlich gebe es auch einen Tag der Zahngesundheit oder Kurse zur Verkehrssicherheit. Für besonders wichtig hält er, dass Lehrer und Schulsozialpädagogen während ihrer Ausbildung besser auf das Thema vorbereitet werden.

Mischung aus Dokumentation und Fiktion

Wie schmerzhaft es sein kann, wenn sich Lehrer und Klassenkameraden wenig um einen kümmern oder abwenden, erzählen vier Schüler, die selbst an einer Depression erkrankten, in dem Film "Grau ist keine Farbe". Am Wochenende feierte er in einem Münchner Kino vor mehr als 400 Zuschauern Premiere. Wie alle Filme, die Movie Jam Studios bislang realisiert haben, ist er eine Mischung aus Dokumentation und Fiktion. Neben Interviews mit Betroffenen spielen Schauspieler Szenen aus dem Leben von psychisch erkrankten Jugendlichen nach. Die Geschichten sind individuell, doch zwei Motive ziehen sich durch: der hohe Leistungsdruck und die belastende Frage, was nach dem Abschluss kommt. Auslandsjahr, Praktikum, Studium? Darauf, findet Spöri, müsste die Schule vorbereiten.

Am Samstag, 27. April 2019, läuft "Grau ist keine Farbe"im Werkstattkino an der Fraunhoferstraße 9 in München. Beginn ist 16 Uhr. Karten sind unter www.moviejam.de/reservieren/ erhältlich.

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