Süddeutsche Zeitung

Parteiinterne Querelen:Bei der SPD liegen die Nerven blank

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Wahlverliererin Annette Ganssmüller-Maluche gibt in einem Facebook-Post Landeschefin Natascha Kohnen die Schuld an der Niederlage und fordert ihren Rücktritt. Für den Alt-Abgeordneten Gantzer ist das "unanständig".

Von Stefan Galler und Martin Mühlfenzl, Landkreis

Im Wahlkampf plakatierte die SPD noch die Begriffe "Anstand" und "Haltung", eine Woche nach ihrem Wahldebakel ist von diesen Tugenden nicht mehr viel übrig. Auf Facebook postete Annette Ganssmüller-Maluche, die unterlegene SPD-Kandidatin im Stimmkreis München-Land Nord, am Montag in drastischen Worten eine Rücktrittsforderung an die Adresse von Parteichefin Natascha Kohnen: Deren Wahlkampf habe "keinen Wähler hinterm Ofen hervorgelockt", für das Ergebnis, das Ganssmüller-Maluche "beschissen" nennt, trage Kohnen die Verantwortung. Aber: "Natascha hängt an ihrer Macht."

Ihren Kommentar hat die Ismaningerin zu dem Post eines niederbayerischen Parteifunktionärs über den misslungenen SPD-Wahlkampf abgegeben. Ganssmüller-Maluche schreibt darin: "Ich finde, wer hundertfach Anstand und Haltung klebt, und dann nicht zurücktritt, macht sich zutiefst unglaubwürdig." SPD-Chefin Kohnen wird von ihr als "nackte Kaiserin" bezeichnet, der die "Lemminge" nachlaufen. Die Kreisrätin und Landratsstellvertreterin: "So schaffen wir es noch unter 5 Prozent." Sie selbst fühlt sich offenbar im Wahlkampf von Kohnen übergangen. "Als Kandidatin wurde ich zu keinem Zeitpunkt in die Kampagne einbezogen."

Die so kritisierte Landesvorsitzende reagierte am Montag zurückhaltend auf die Attacke: "Das Ergebnis schmerzt alle", sagte Kohnen zu SZ. "Ich bin eine Woche lang in mich gegangen, und das gilt auch für die Partei." In dieser Zeit habe sie "viel Zuspruch" aus der gesamten Bayern-SPD erhalten. "Von Oberbürgermeistern, Bürgermeistern, Landräten und insbesondere von den Bezirken Mittelfranken und Niederbayern, die mir das Vertrauen ausgesprochen haben." Sie werde sich daher auf dem kommenden Parteitag ein weiteres Mal zur Wahl stellen.

Auf die Kritik ihrer Ismaninger Parteifreundin geht die Neubibergerin Kohnen nicht direkt ein. "Wir sind alle von dem Wahlausgang enttäuscht, aber jeder geht eben anders mit dieser Enttäuschung um. Ich kann nur sagen, dass wir alle alles versucht haben, die Wähler von unseren Argumenten zu überzeugen."

"Ich bin fassungslos", sagt Peter Paul Gantzer

Entsetzt von der Kritik an Kohnen zeigt sich der Noch-Landtagsabgeordnete Peter Paul Gantzer aus Haar, dem Ganssmüller-Maluche nach den Plänen der SPD eigentlich nachfolgen sollte. "Ich bin fassungslos. Dieses Verhalten ist mehr als unanständig", so Gantzer auf Nachfrage. Natascha Kohnen trage nicht die Verantwortung dafür, dass Annette Ganssmüller-Maluche nicht "reingewählt" worden sei. Vielmehr habe dies ihr eigenes schlechtes Zweitstimmenergebnis verhindert. Tatsächlich holte Ganssmüller-Maluche bei der Landtagswahl insgesamt nur 1556 Zweitstimmen in ganz Oberbayern, darunter lediglich 537 im Stimmkreis München-Land Süd.

Unterstützung erhält Kohnen auch aus den Reihen der SPD-Bürgermeister im Landkreis. "Wir können doch nicht jedes Jahr das Personal auswechseln", sagt Putzbrunns Rathauschef Edwin Klostermeier. Kohnen solle im Amt bleiben. SPD-Kreisvorsitzende Bela Bach äußert hingegen Verständnis für den Frust, der sich offensichtlich bei ihrer Parteifreundin Annette Ganssmüller-Maluche aufgrund der Wahlniederlage angestaut hat. "Sie hat sechs Jahre lang darauf hingearbeitet, in den Landtag zu kommen, alles dafür getan und auch damit gerechnet, es zu schaffen", so Bach. "Am Ende ist das eine wirklich bittere Niederlage." Zur Wortwahl Ganssmüller-Maluches sagt Bach: "Dazu möchte ich mich nicht äußern."

Konsequenzen aus der Wahlniederlage fordert die Kreisvorsitzende gleichwohl schon, allerdings ohne Namen zu nennen: "Der ganze Landesvorstand trägt die Verantwortung. Es ist daher richtig, dass es jetzt einen vorgezogenen Parteitag gibt - und Natascha Kohnen selbst hat ja gesagt, dass über alles geredet werden muss." Nach Bachs Ansicht muss in der SPD wieder über "Konzepte und Inhalte" gesprochen werden, nicht über Personen. Noch am Wahlabend hatte Bach ebenfalls den Wahlkampf Kohnens kritisiert. "Aus meiner Sicht ist es auch ganz klar der Stil der Kampagne, der nicht verfangen hat", sagte sie im Landratsamt. Der "Erneuerungsprozess" müsse Neuwahlen des Vorstands der Bayern-SPD beinhalten.

Wie ein Mitglied der Kreis-SPD der SZ sagte, hat Annette Ganssmüller-Maluche ihre Kritik zuvor bereits intern bei einer Wahlanalyse des Kreisvorstands geäußert. Mit ihren Ausführungen, sagt der Teilnehmer, sei Ganssmüller-Maluche im Kreise der Führungsspitze der Kreis-SPD "aber ziemlich alleine dagestanden".

"Das Wahlergebnis war ein Horror für Annette", sagt eine andere Sozialdemokratin aus dem Landkreis, die nicht namentlich genannt werden möchte. "Sie hat in Ismaning ein schlechtes Ergebnis erzielt und musste wahrscheinlich einsehen, dass sich Kommunalwahlergebnisse auf die Landespolitik nicht übertragen lassen." Ganssmüller-Maluche hatte im Stimmkreis München-Land Nord mit 11,3 Prozent und Platz vier ein noch schlechteres Ergebnis erzielt als Kohnen, die als Direktkandidatin im Stimmkreis München-Land Süd antrat und mit 12,2 Prozent immerhin auf den dritten Platz kam. Auf eine Anfrage der SZ hat Ganssmüller-Maluche am Montag nicht reagiert.

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Quelle:
SZ vom 23.10.2018
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