Süddeutsche Zeitung

Parteiaustritte:Flüchtlingspolitik entzweit die CSU

Nach dem Austritt von drei Gemeinderäten in Feldkirchen wird bekannt, dass auch der frühere Unterhachinger Bürgermeisterkandidat Florian Riegel die Partei verlassen hat. "Das hat mit christlich und sozial nichts mehr zu tun".

Von Michael Morosow, Unterhaching

Als im Januar drei Gemeinderäte der Feldkirchner CSU ihren Parteiaustritt erklärten, begründeten sie diesen Schritt mit dem Scheitern ihrer Partei, in der großen Koalition in Berlin ihre Forderung nach einer Obergrenze bei der Zuwanderung durchzusetzen. Der bayerische Löwe brülle nur laut, setze in Berlin aber nichts durch, kritisierte damals ein Abtrünniger. Wie erst am Mittwoch von der CSU auf eine Anfrage der SZ offiziell bekanntgegeben wurde, hat bereits Ende Dezember auch der Unterhachinger CSU-Gemeinderat und ehemalige Bürgermeisterkandidat Florian Riegel seine Parteimitgliedschaft zurückgegeben.

Seine Begründung aber steht im krassen Gegensatz zur Erklärung des Feldkirchners CSU-Trios. "Die Grenzen dichtmachen und zuschauen, wie Menschen beim Versuch, zu uns zu kommen, ihr Leben verlieren, das hat mit christlich und sozial nichts mehr zu tun. Wenn ich da mitginge, könnte ich mich keinen Tag mehr im Spiegel anschauen", sagte der 34-Jährige am Mittwoch auf Fragen zu den Gründen seines Parteiaustritts.

Für die einen zu inkonsequent, für den anderen zu stringent und inhuman - bricht der CSU allmählich die Basis weg, während sich die SPD im ganzen Land im Aufwind befindet? "Ganz im Gegenteil, wir verzeichnen mehr Eintritte als Austritte", sagt CSU-Kreisgeschäftsführer Eduard Boger. Auf Nachfrage wollte er aber keine Zahlen nennen. Die "besondere Situation" in Feldkirchen dürfe man nicht verallgemeinern, und zum Parteiaustritt des Unterhachinger Gemeinderats "gibt es von unserer Seite keinen Kommentar", sagte Boger.

Er sei schon seit einer gewissen Zeit ganz anderer Auffassung zur Flüchtlingspolitik als die CSU-Führung, sagt Riegel. Die erste Reaktion von Ministerpräsident Horst Seehofer auf das Attentat auf einen Berliner Weihnachtsmarkt habe letztlich zu seinem Entschluss geführt. Seehofer hatte nach dem Terrorakt eine Überprüfung und Neujustierung der deutschen Flüchtlingspolitik gefordert. Auch das Treffen Seehofers mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán habe ihn entsetzt, sagt Riegel.

Dabei sei er keinesfalls der Meinung, "dass alle Flüchtlinge zu uns kommen können, weil wir unbegrenzte Kapazitäten haben". Auch wisse er, dass unter den Flüchtlingen auch solche sind, "die uns Schaden zufügen wollen". Aber die seiner Meinung nach populistischen, plakativen Aussagen der CSU-Spitze um Seehofer hätten Stammtisch-Niveau und seien in der Sache nicht zielführend. Als Beispiel nannte Florian Riegel den Ausspruch von CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer zur Abschiebepraxis von Flüchtlingen: "Das Schlimmste ist ein fußballspielender, ministrierender Senegalese."

Für den Gemeinderat hat der Parteiaustritt keine Auswirkungen

Für den Unterhachinger Gemeinderat und dessen Ausschüsse hat der Parteiaustritt des CSU-Mannes keinerlei Auswirkungen. Florian Riegel übt sein Mandat nunmehr als parteiloses Mitglied innerhalb der CSU-Fraktion aus. Die Gründe für den Austritt lägen in der Bundes- und Landespolitik und hätten nichts mit der Politik des CSU-Ortsverbandes in Unterhaching zu tun, heißt es in einer Pressemitteilung der örtlichen CSU vom Mittwoch. Florian Riegel sei und bleibe mit seinem Fachwissen und Engagement ein wichtiges Mitglied der CSU-Fraktion, sagt Richard Raiser. Raiser, seit Dezember 2015 CSU-Fraktionsvorsitzender im Unterhachinger Gemeinderat, hat nach eigenen Worten noch zusammen mit dem Ortsverbands-Vorsitzenden Stefan Zöllinger versucht, Riegel umzustimmen. "Aber der Florian hat einen festen Standpunkt." Raiser ist Nachfolger von Florian Riegel an der Spitze der CSU-Fraktion, der damals in die zweite Reihe zurücktreten wollte.

Das Besondere an Riegels Parteiaustritt ist die Tatsache, dass es nicht sein erster ist. Schon einmal, im Jahr 2010, hatte der Unterhachinger sein Parteibuch zurückgegeben. Seine Begründung: Damals hatte der Bundestag mit den Stimmen der CSU-Fraktion den Ausstieg aus dem Atomausstieg beschlossen. "Dazu kann man sagen, diese Aktion hätte nicht sein müssen, aber damals war ich noch jung und wollte ein Zeichen setzen", erklärt Riegel, der Jahre später wieder in die Partei eintrat, zum Hoffnungsträger der Unterhachinger CSU avancierte, aber als Bürgermeisterkandidat gegen Amtsinhaber Wolfgang Panzer (SPD) 2014 klar den kürzeren zog. Dieses Mal aber gehe es um Grundzüge der Politik, um Ethik und Moral, sagt der promovierte Geograf. Und mit der Haltung der CSU zur Flüchtlingsproblematik, insbesondere mit populistischen Aussagen dazu, habe er als christlich sozialer Mensch ein Problem. "Die Grenzen dicht machen und die Menschen ihrem Schicksal überlassen, das kann nicht die Philosophie einer christlich sozialen Partei sein", sagt der ehemalige CSU-Politiker.

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SZ vom 09.02.2017/hilb
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