Paradoxe Situation in Haar:Die verschwundenen Kinder

Paradoxe Situation in Haar: Ganz schön viel Platz hier: der Altbau und der Neubau (rechts) der Jagdfeld-Grundschule in Haar.

Ganz schön viel Platz hier: der Altbau und der Neubau (rechts) der Jagdfeld-Grundschule in Haar.

(Foto: Claus Schunk)

Die Gemeinde Haar erwartet auf einmal deutlich weniger Schüler, als prognostiziert wurden. Damit ist die neue und 38 Millionen Euro teure Grundschule zu groß konzipiert.

Von Bernhard Lohr, Haar

Die Gemeinde Haar erwartet nach aktualisierten Prognosezahlen in den kommenden Jahren deutlich weniger Grundschüler als angenommen und wird die neue für etwa 38 Millionen Euro errichtete Grundschule erst einmal nicht komplett belegen können. Ein Grund dafür ist, dass das Wohngebiet Jugendstilpark seinem Namen nicht gerecht wird. Denn auf dem früheren Klinikareal ziehen nach verbreiteter Beobachtung vor allem ältere Menschen ein und nicht Familien. Nun ringt die Gemeinde mit der Frage, ob ein Trakt des Grundschul-Altbaus dem vor einer Erweiterung stehenden Gymnasium zugeschlagen werden soll.

In den vergangenen Wochen war in Haar geraunt worden, dass es bei der Schülerprognose eine kräftige Korrektur nach unten geben würde. Als Bürgermeister Andreas Bukowski (CSU) in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats Zahlen vorlegte, waren doch einige überrascht, wie stark die Abweichung ist. Die Schülerzahl wird steigen. Aber schon jetzt gibt es statt der einst vorhergesagten 912 Grundschüler nur 756. Im Jahr 2022 rechnet man jetzt für die gesamte Gemeinde mit 179 Schülern weniger als einst angegeben. Im Jahr 2025 sind es sogar 213 weniger. Christian Rindsfüßer vom Augsburger Institut für Sozialplanung (Sags) erklärte die Abweichung auf SZ-Anfrage mit den Grenzen der Vorhersagbarkeit. Investoren passten ihre Bauprojekte im Lauf der Jahre an den Wohnungsmarkt an.

Auch spiele das "Wanderungsverhalten" von Familien mit hinein, das gerade in einem vernetzten Raum wie Haar schwer prognostizierbar sei. Bürgermeister Bukowski nannte in der Sitzung außerdem vor allem von älteren, kinderlosen Menschen geschätzten Jugendstilpark als Grund für die neuen Zahlen, dass Familien von Haar wegzögen, wenn die Kinder aus der Kindertagesstätte in die Grundschule wechselten.

Wie erklärt man das den Bürgern?

Dietrich Keymer (CSU) sprach von bemerkenswerten Zahlen, die es schwer machten, vor der Bevölkerung den Millionenbau im Jagdfeld zu rechtfertigen. Eine Erweiterung des Gymnasiums direkt nebenan könne er sich vor diesem Hintergrund und der finanziell schwierigen Lage der Gemeinde nicht vorstellen. Gabriele Stießberger (CSU) sagte, die Zahlen zeigten nicht zuletzt, dass der Standort des Schulbaus im Jagdfeld verfehlt sei. Ein Dauerstreitthema ist, ob nicht besser eine neue Schule nördlich der Bahn gebaut hätte werden sollen. Katharina Dworzak (SPD) sagte, ein Grund für den Erweiterungsbau im Jagdfeld sei gewesen, mehr Flexibilität im dortigen Schulzentrum zu bekommen.

Kerstin Onwuama aus der Schul- und Kitaverwaltung im Rathaus betonte, der Neubau im Jagdfeld sei nicht überflüssig. Es werde wegen knapper Räume in den Grundschulen schon nächstes Jahr Platz benötigt.

Die Eröffnung des Erweiterungsbaus, der samt Dreifachhalle entsteht, ist nach einem Wasserschaden für Ostern 2021 angepeilt. Noch heuer soll der Gemeinderat entscheiden, ob ein Teil des Grundschul-Altbaus dem Gymnasium angegliedert wird. Architekt Jürgen Smets präsentierte im Gemeinderat eine wegen der Schülerentwicklung ergänzend zu den Erweiterungsplänen am Gymnasium ausgearbeitete Studie. Demnach käme man auf 4,8 Millionen Euro, um den für das Gymnasium benötigten Raum im Grundschultrakt zu schaffen.

Eine Aufstockung am Gymnasium selbst käme auf 15,3 Millionen oder 10,6 Millionen Euro. Trotz der Kostenvorteile warb Mike Seckinger (Grüne) dafür, die Schulen getrennt zu betrachten, weil eine Rückabwicklung schwer möglich sein werde, sollten die Grundschulen in einigen Jahren doch Platzprobleme haben.

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