Süddeutsche Zeitung

Papst ernennt Marx zum Kardinal:Trachtenhüte im Petersdom

Es ist der Triumph eines Bayern und eine Feier der Weltkirche: Papst Benedikt XVI. erhebt Reinhard Marx zum Kardinal - und die Handykameras klicken im Zentrum der katholischen Welt. Auch der Kirchenhistoriker Walter Brandmüller wird Kardinal.

Matthias Drobinski, Rom

Um viertel vor zwölf ist es so weit. Reinhard Marx, der zwanzigste in der Reihe, tritt vor den Altar des Petersdoms, steigt festen Schrittes die Stufen nach oben, tritt ein bisschen zögernd vor den Thron. Der mächtige Mann mit dem breiten Kreuz kniet nieder vor dem Papst, der nun noch zerbrechlicher als sonst erscheint. Benedikt XVI. überreicht Marx die Ernennungsurkunde, nennt seine Titelkirche. Dass es die Kirche San Corbiniano in einem Neubaugebiet im Süden Roms ist, ist keine wirkliche Überraschung; seit Jahren unterstützt das Münchner Erzbistum den Bau der Kirche, die im Februar fertig sein soll.

Dann nimmt der Papst das purpurrote Birett vom Silbertablett, setzt es Marx auf den Kopf, der rückt den Hut auf dem Weg nach unten ein bisschen zurecht, als müsse er sich erst an das gewöhnen, was er da auf dem Kopf trägt. Er ist nun Kardinal, der Erzbischof von München und Freising, der jüngste in Deutschland, einer der jüngsten der Welt, einer der kommenden Männer seiner Kirche. Der Applaus kommt, wie bei jedem der 24 Kirchenmänner, die heute hier erhoben werden. Bei Marx ist er lang und laut, fast so laut bei den vier neuen Kardinälen aus Afrika. Die Afrikaner sind begeistert, die Deutschen sind viele: 1500 von ihnen sind nach Rom gekommen, vor allem aus Bayern; der Trachtenhut dominiert das Zentrum der katholischen Welt.

Fast das komplette bayerische Kabinett ist unter der Führung von Ministerpräsident Horst Seehofer angereist und, ob katholisch oder nicht, bis zur Euphorie begeistert von der Zeremonie, die sie erleben. Stolz sei er auf zwei neue Kardinäle, wird Seehofer später sagen - auch der aus Franken stammende 81-jährige Vatikan-Historiker Walter Brandmüller wird an diesem Tag zum Kardinal erhoben.

Irgendwie gerührt sind sie heute alle, die aus Deutschland in den Petersdom gekommen sind. Nikolaus Schneider, der Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche in Deutschland, sagt, dass ihm manches "doch ein bisschen fremd vorkomme", aber der Vorgang doch "sehr beeindruckend" sei. Charlotte Knobloch, Präsidentin des Zentralrats der Juden sagt, sie sei richtig begeistert von der Vielfalt des Glaubens, die hier in einer einzigen Kirche zusammenkomme. Heute machen sie Pause, die alten Debatten, Streitigkeiten, Konkurrenzen.

"Verhaltener Jubel" beim neuen Kardinal

Die Zeremonie im Petersdom bietet einen eigentümlichem Kontrast, der vielleicht typisch ist für eine Kirche, in der das Triumphale und das Demütige zugleich wohnen. Da ist der Prunk des Petersdoms, das Große und Mächtige, die Trompeten und Posaunen, das Orgelspiel, der Chor, von dem ein erfahrener Kirchenmusiker erschrocken sagt: "Die schreien ja", als er anhebt zu singen.

Da ist die Weltkirche, bunt und vielfältig und bewundernswert, sie feiert sich heute selber. Doch im Markusevangelium kündigt Jesus seinen Jüngern nichts weniger als das Martyrium an, und Papst Benedikt spricht von Demut und Dienen, Hingabe und Bescheidenheit - das zeichne einen Kardinal aus, nicht der Wille zur Macht.

Und der neue Kardinal? Kommt erst zum Empfang, den die Bischofskonferenz den neuen Würdenträgern zu Ehren im Vatikan gibt und sagt in die hingehaltenen Mikrofone, dass er sich mit dem Kopf und dem Bauch freue, dass das neue Amt Ehre sei, aber auch Last - noch am Tag zuvor hat das Kardinalskollegium mit dem Papst in nichtöffentlicher Sitzung unter anderem über mögliche Konsequenzen aus den Missbrauchs-Fällen beraten, die in diesem Jahr bekannt geworden sind.

Marx freut sich, das merkt man, aber die Freude reißt ihn nicht weg; es sei "verhaltener Jubel", sagt er selber. Ermüdungsfrei gibt er Statement um Statement, spricht über den Glauben und über die Weltkirche, die Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit, wozu ihn die Journalisten auch fragen. Er will, dass seine Kirche sich bewegt. "Ich gehöre nicht zu denen, die sagen, früher war alles besser", erklärt er. Kurz nur hat er an diesem Tag Zeit für seine Familie, den Bruder, der ihm frappierend ähnlich sieht und von gleicher westfälischer Fröhlichkeit ist, die Schwägerin, die Neffen.

Den mitgereisten Bayern, die am Ende der Kardinalserhebung noch den Petersdom bestaunen, hat es jedenfalls sehr gefallen. Die Trachtler sind eine genau so große Attraktion wie die Afrikaner in ihren bunten Gewändern, Italienerinnen lassen sich neben Frauen im Dirndl fotografieren, Frauen und Männer aus Sambia oder dem Kongo mit den Gebirgsschützen und dann umgekehrt. Die Handykamera feiert im Petersdom Triumphe. "ist doch Ehrensache, dass wir hier sind", sagt Alois Bauer, der Schützenhauptmann aus Garmisch-Partenkirchen. Kardinal Marx wünsche er vor allem "viel Kraft." Die brauche der nämlich "damit die katholische Kirche wieder offener wird." Aber jetzt wird erst einmal gefeiert: der Glaube, das Beisammensein, dass man mal nach Rom gekommen ist, zum Grab der Apostel.

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