Süddeutsche Zeitung

Pandemie:Corona ins Haus geholt

Labor in Poing untersucht im Akkord Tests aus Landkreisen

Interview F. Langhammer

Mutterschaftsvorsorge, Hepatitis und Chlamydien: In normalen Zeiten bietet das MVZ Labor Poing eine breite Palette an Untersuchungen. Derzeit dreht sich jedoch auch hier alles um Corona: Seit Anfang März werden in dem Poinger Labor Proben ausgewertet, ob jemand das Virus hat oder nicht. Da immer mehr Tests vorgenommen werden und auch andere Landkreise und Krankenhäuser diese einreichen, hat die Abteilung Molekular-Biologie derzeit ein hohes Arbeitspensum. Nicht nur angesichts der Lieferengpässe von dringend benötigten Materialien ist die Arbeit laut Geschäftsführerin Petra Borelli ein täglicher Kampf.

SZ: Wie sieht es aus, sind bei Ihnen noch alle Mitarbeiter gesund?

Petra Borelli: Zum Glück sind alle 60 medizinischen Mitarbeiter bei uns im Labor gesund. Wir haben inzwischen alle schon ganz raue Hände vom ständigen Waschen, alle Oberflächen werden immer wieder mit Desinfektionsmittel besprüht und abgewischt. Natürlich arbeiten unsere Mitarbeiter nur in Schutzkleidung, mit Handschuhen sowie Mundschutz, und auch die Proben werden nur unter einer Sicherheits-Werkbank geöffnet.

Wie sieht Ihr Tagespensum derzeit aus?

Um die Auswertung der Tests kümmern sich sechs Mitarbeiter in zwei Schichten. Sie beginnen um halb sieben Uhr morgens, Ende der zweiten Schicht ist um 22 Uhr. Auch über Nacht laufen die Tests, am Morgen haben wir das Ergebnis.

Wie kommen Sie an die Tests?

Wir haben einen laboreigenen Fahrdienst, der zwei Mal am Tag die Proben abholt und zu uns bringt. Am ersten Tag waren es 29 Tests, momentan bearbeiten wir täglich etwa 500 Proben - eine große Herausforderung für unser Team. Mittlerweile untersuchen wir Tests aus den Abnahmezentren der Gesundheitsämter in Erding, Ebersberg und Dorfen sowie Penzberg und der Gemeinde Kirchheim bei München.

Wie kam es dazu?

Die Gesundheitsämter und einige Kreiskrankenhäuser haben bei uns nach Untersuchungskapazitäten nachgefragt, da die großen Labore an ihre Grenzen gestoßen sind. Da wir ein eigentümergeführtes Labor mit flacher Hierarchie sind, konnten wir schnell reagieren und organisieren.

Waren Sie gerüstet für eine derartige Mammut-Aufgabe?

Unsere Molekularbiologin Stephanie Bröckl hat Anfang März die Coronatests auf Basis einer PCR-Untersuchung bei uns im Labor etabliert (Anm. d. Red.: polymerase chain reaction). So ein Test ist relativ kompliziert und langwierig. Unter anderem muss die DNA aufgeschlüsselt werden. Wir haben alle zusammen geholfen und in kurzer Zeit die Organisation eigentlich des ganzen Labors umgestellt, da sich alles nur mehr um Corona dreht und andere Laboranalysen völlig eingebrochen sind. Auch mussten einige finanzielle Investitionen in die Laborausrüstung gesteckt werden, um die Ergebnisse binnen 24 bis 36 Stunden liefern zu können.

Wie viele davon sind positiv?

Etwa zehn Prozent der eingehenden Proben sind corona-positiv.

Standen Sie schon mal vor einer vergleichbaren Herausforderung?

Als die Schweinegrippe aufgetreten ist vor ein paar Jahren, haben wir dazu auch Tests gemacht. Das war aber relativ schnell wieder vorbei. Es ist schon erschreckend, wie schnell sich das Coronavirus verbreitet, und wie viele Menschen auch daran sterben.

Haben Ihre Mitarbeiter Angst vor Ansteckung?

Mitte Februar hat die Corona-Krise angefangen, und wir haben uns gut überlegt, ob wir uns das wirklich ins Haus holen sollen. Wir sind ja auch für den Schutz von unserem Personal verantwortlich. Vor allem für den Fahrdienst werden derzeit die Schutzmasken knapp. Da müssen die Mitarbeiter ja in die Praxen und Krankenhäuser gehen, um die Proben abzuholen.

Mit welchen Problemen sehen Sie sich noch konfrontiert?

Wir sind jeden Tag am Kämpfen. Unser größtes Problem ist, dass wir an viele Materialien einfach nicht rankommen. Irgendwo hakt es immer an Lieferungen, die wir dringend für unsere Arbeit brauchen. Vieles kommt aus den USA und wird momentan nicht geliefert. In dieser Situation finde ich es unverständlich, dass die Produktionen größtenteils ins Ausland verlagert werden - dabei wären wir doch in Deutschland auch in der Lage, das alles selbst herzustellen.

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Quelle:
SZ vom 04.04.2020
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