Pädagogik:Freiheit im Container

Minikinderhaus Am Mühlbach 3A in Garching

Die Kinder dürfen selbst entscheiden, ob sie drinnen oder draußen spielen - die Plätze im Garten sind allerdings beschränkt.

(Foto: Florian Peljak)

Im Hort am Mühlbach in Garching dürfen die Schüler nach der Erweiterung viel mitreden

Von Gudrun Passarge, Garching

Der Innenraum ist eine Überraschung. Betritt der Besucher die einfachen Container, gelangt er in eine perfekt auf Kinder zugeschnittene Welt. "Wir haben es uns wirklich schön gemacht und wir fühlen uns wohl hier", sagt Sybille Kink, Leiterin des Minikinderhauses. Durch einen Anbau mit zusätzlichen Containern kamen drei Räume und ein Flur hinzu. Die Erweiterung war nötig, weil die Nachfrage nach Hortplätzen anstieg. Jetzt besuchen 50 Hort- und 20 Kindergartenkinder das Minikinderhaus am Mühlbach in Garching. "Uns war wichtig, das frühzeitig anzugehen, damit wir für den nachgefragten Betreuungsbedarf gut gerüstet sind", erklärt Bürgermeister Dietmar Gruchmann (SPD).

"Hallo, Herr Bürgermeister", wird er von einem Buben begrüßt. Gruchmann lässt sich das neue pädagogische Konzept des Hauses erläutern, das mit der Erweiterung Einzug hielt. Kink erzählt, die Betreuer hätten die Kinder gefragt, wie sie sich ihren Hort wünschen. Dabei kam Erstaunliches heraus. Einige sagten, sie fühlten sich bisher wie in einem Gefängnis und erklärten, sie wollten keine festen Essen- und Hausaufgabenzeiten. Das Minikinderhaus hat daraus Konsequenzen gezogen. Die Räume sind aufgeteilt, es gibt ein Bistro, einen Kreativraum, eine Spielothek, einen Lernraum, einen Medienraum und den Garten. Die Kinder genießen innerhalb dieser Räume viele Freiheiten. Sich mit Freunden zum Essen verabreden ist jetzt kein Problem mehr, jedenfalls zwischen 12 und 14 Uhr. Und auch die Hausaufgabenzeit bestimmen die Kinder selbst.

Damit Erzieher und Kinder den Überblick behalten, hat jedes Kind eine Magnetkarte. Siekommt an eine Magnettafel, damit sieht jeder, in welchem Raum sich das Kind gerade befindet. Auch vor der Tür, die in den Garten führt, hängt so eine Tafel. Die Punkte darauf zeigen an, wie viele Plätze noch frei sind, denn es sollen sich nicht alle gleichzeitig im Garten tummeln.

Wer gegen Regeln verstößt, muss sich seine Strafe selbst ersinnen. "Sie fällt oft schärfer aus, als wenn ich sie ausgesprochen hätte", erzählt Kink und nennt ein Beispiel. Letztens waren Kinder beim Herumtoben im Garten und setzten sich in eine Kiste, um damit zu rutschen. Dass das verboten ist, wissen sie, also kamen sie herein und verkündeten für sich selbst zwei Wochen Gartenverbot. Kink fand das zu lang, aber die Kinder fanden es eine gerechte Strafe.

Überhaupt haben die Kinder wohl ganz klare Vorstellungen von einer gerechten und friedlichen Welt. Kink erzählt von dem Projekt Kinderrechte, das sie gemeinsam bearbeiten. Sie schauen sich die Rechte der Kinder in anderen Ländern an und entwerfen eigene Gesellschaftsstrukturen. "Im Kinderrechteland gibt es nur einen einzigen Polizisten", sagt Kink. "Mehr braucht's nicht, weil sich alle verstehen."

Aus der Musikbox tönen Weihnachtslieder. Zwei Jungs haben es sich auf einem Liegekissen bequem gemacht. Die Mediathek ist ein Rückzugsraum. "Den brauchen die Kinder auch", sagt Cornelia Otto, Leiterin des Bereich Bildung und Soziales im Rathaus. Sie betont, wie gut das Online-Anmeldesystem Little Bird funktioniert. Damit habe die Verwaltung schon im Winter Zahlen für den nächsten Sommer vorliegen und könne frühzeitig planen. Der Bedarf an Betreuungsplätzen wachse stetig, weil mehr Familien zuziehen und weil immer mehr Mütter berufstätig sind. Oft bleibt nichts anderes übrig, denn die Mieten sind hoch. Der Bürgermeister sieht dennoch ein Problem. Er spricht von einer "Riesen-Erwartunghaltung" der Eltern. Die Stadt bemühe sich, diese zu erfüllen, auch wenn beispielsweise kein gesetzliches Anrecht auf einen Hortplatz existiere. Die Container hat die Stadt jedenfalls schon gekauft. Gebraucht werden sie sicherlich noch lange.

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