Ottobrunner Kunstverein:Unendliche Chiffren

Ottobrunner Kunstverein: Denkt viel über die Zeit nach und möchte in seiner Kunst unentschlüsselbar sein: John Schmitz.

Denkt viel über die Zeit nach und möchte in seiner Kunst unentschlüsselbar sein: John Schmitz.

(Foto: Claus Schunk)

Der Künstler John Schmitz zeigt seine enigmatischen Tuschezeichnungen in Ottobrunn

Von Sophie Kobel, Ottobrunn

Als in der fünften Klasse einer seiner Linolschnitte bei einer Ausstellung in Japan veröffentlicht wurde, stand für den damals elfjährigen John Schmitz bereits seit langem fest: Er wird Künstler. "Allerdings hat mein Vater mir da einen Vogel gezeigt, und es war ziemlich schnell klar, dass ich eine Ausbildung machen muss", erzählt der heute 49-Jährige und zuckt schmunzelnd mit den Schultern: "Dass ich Ofenbauer geworden bin, lag eigentlich nur daran, dass ein Bekannter der Familie gerade einen Lehrling gesucht hat", sagt Schmitz und lässt den Blick durch den kleinen Raum schweifen.

Es ist der erste Tag seiner Ausstellung "Sein und Zeit" in der Galerie "Treffpunkt Kunst" des Ottobrunner Kunstvereins. Hier wird bis zum 27. Juli präsentiert, was Schmitz nächtelang mit schwarzer Tusche auf weißem Papier zeichnet. Was von weitem aussieht wie ein Stück Gewebe oder eine Landschaft, entpuppt sich beim Davorstehen als unendlich viele aneinandergereihte Achten oder wie bei dem Werk an der gegenüberliegenden Wand als hunderte übereinandergelagerte Linien. "Sie sind still, aber nicht stumm", sagt Schmitz über seine eigenen Arbeiten. "Ich möchte ganz bewusst nichts Konkretes darstellen und verwende darum Chiffren wie Buchstaben oder Zahlen in unendlicher Wiederholung. Darum wähle ich so oft die liegende oder stehende Acht, ihre Bedeutung in vielen Kulturen ist groß und ich denke viel über Zeit und Unendlichkeit nach", erzählt Schmitz. Er rückt seine schwarze Brille zurecht und deutet auf zwei kleinere nebeneinander hängende quadratische Zeichnungen. "Diese beiden Arbeiten sind aus genau demselben Papier und mithilfe desselben Stiftes entstanden. Und trotzdem sind sie völlig unterschiedlich. Man hat zwar mit der Hand Einfluss auf sein Werk, aber die Tusche spielt immer mit rein. Das fasziniert mich", sagt der Münchner und lacht leise, als er von großen Tintenklecksen, kaputten Federn und schiefen Linien erzählt. "Manchmal bin ich nachts so müde, dass ich beim Zeichnen kurz wegschlafe und mit dem Stift abrutsche. Dann kann es auch mal sein dass ich alles wegwerfen muss", erzählt er.

Denn fürs Zeichnen hat der gelernte Ofenbauer nur von acht Uhr abends bis ein Uhr nachts Zeit. Tagsüber, da muss er arbeiten. "Das Ofenbauen ist für mich reines Geldverdienen. Zwar habe ich so spezielle bewegliche Elemente in meine Öfen eingebaut, dass es schon fast wieder in Richtung Kunst geht, aber ich sehe es trotzdem als einen Beruf, der seinen Zweck erfüllt", sagt Schmitz. Mit dem Zeichnen, da ist das anders: "Manchmal fahre ich an der Autobahn rechts ran, hole meine Tusche aus dem Handschuhfach und zeichne an einer Arbeit weiter", erzählt er und schmunzelt.

Für die Kunst, das war schon immer klar, muss in seinem Leben Platz sein. So begann er 1999 das Studium des Aktzeichnens und besuchte später die Akademie Faber-Castell: "Früher habe ich sehr expressiv gearbeitet und Gegenstände oder Personen gemalt. Aber diese Bilder werden oft nach einem Jahr langweilig, weil sie so eindeutig sind. Dann muss man es schon wie Neo Rauch machen und immer neu interpretierbar sein. Seine Kunst ist unentschlüsselbar, und meine ist es auch", sagt Schmitz und geht zu einer quadratischen 1,13 Meter hohen Zeichnung. "Es ist die Einfachheit, die mir über die Jahre immer wichtiger wurde. Diese Arbeit habe ich mit einem Druckbleistift gezeichnet. Davor habe ich viele Mienen in unterschiedlichen Härtegraden gekauft und blind vermischt. Welche Miene dann als nächstes drankam und wie die Struktur des Bildes aussehen würde, war eine Überraschung."

Schwarzes T-Shirt, schwarze Hose, schwarze Schuhe, gräuliche Haare. Sieht man Schmitz so inmitten seiner aufgehängten Werke stehen, wirkt er ein wenig wie eines von ihnen. Ob er sich sehr in seinen Arbeiten widerspiegele? Der Künstler überlegt und sagt: "Naja, das wäre vielleicht überinterpretiert. Aber natürlich sind diese Zeichnungen auf eine Art ein Tagebuch meines Lebens. An sich könnte ja jeder Tusche und Papier kaufen und sich ein Jahr in den Keller setzen. Das aber geistig durchzuhalten und zu einer solchen Konzentration und Stille zu gelangen, das kann nicht jeder".

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