Ottobrunner Konzerte:Zwischen Zauberberg und Siddharta

Die beiden Brüder Cornelius Claudio und Johannes Tonio Kreusch eröffnen die Spielzeit mit einem Release-Konzert ihrer neuen Alben, die eine musikalische Hommage an zwei berühmten Romane sind

Von Udo Watter, Ottobrunn

Für den großen Pianisten Alfred Brendel bedeutet der Traum vom Glück "ein Publikum, das nicht hustet". So antwortet er einst im so genannten ProustFragebogen. Brendel ist nicht der einzige Musiker, der zeit seines Lebens mit diesem merkwürdigen Phänomen haderte, welches in dem hübschen Bonmot zusammengefasst ist: Es gibt Menschen, die zum Husten ins Konzert gehen.

Mal abgesehen davon, dass im Zeichen der Pandemie das explosionsartige Ausstoßen von Luft noch stärker stigmatisiert ist als ohnehin, verbindet der Jazzpianist Cornelius Claudio Kreusch mit dieser Geräuschkulisse ganz andere, positive Erfahrungen. "Meine ersten kleinen nicht-öffentlichen Konzerte gab ich vor keuchenden, pfeifenden, hustenden, aber sehr inspirierten Asthmatikern und deren Ärzten," schreibt er in einem Text zu seinem neuem Album "Zauberberg - A musical Hommage to Thomas Mann". Selbst Asthmatiker verbrachte Kreusch in seiner Jugend mehrere Sommer in einer Hochgebirgsklinik in Davos. Eine ambivalente, nicht immer beglückende Erfahrung, aber immerhin gab es einen Flügel im großen Saal und der junge Kreusch erfreute das Klinikpublikum mit Hauskonzerten.

Später hat er Manns "Der Zauberberg" gelesen - und inspiriert von diesem Roman, der auch in einem Davoser Sanatorium spielt, hat Kreusch nun eine CD produziert, die dieser entrückten, stillen, von der Grenzerfahrung des erschwerten Ein- und Ausatmens geprägten Welt klangvoll Tribut zollt. In seinen Worten: "Die Kunst, ob Musik, Wort oder Bild, ist der Atem des Seins." Er will einladen auf "eine musikalische Reise zu meinem atmenden Selbst in Gedanken an den Zauberberg."

Ottobrunner Konzerte: Aus dem Moment schöpfen, beseelt sein, neue Klangoptionen aufspüren: Pianist Cornelius Claudio Kreusch.

Aus dem Moment schöpfen, beseelt sein, neue Klangoptionen aufspüren: Pianist Cornelius Claudio Kreusch.

(Foto: Claus Schunk)

Am 10. Oktober wird der in Ottobrunn aufgewachsene Pianist im Wolf-Ferrari-Haus seine CD vorstellen - es ist die Auftaktveranstaltung zur neuen Ottobrunner Kulturspielzeit und ein Doppelkonzert: Die andere Hälfte des Abend bestreitet sein Bruder Johannes Tonio Kreusch, klassischer Gitarrist, der ebenfalls eine neue, von einem Literaturnobelpreisträger inspirierte CD präsentiert: "Siddharta - A musical Hommage to Hermann Hesse."Es gibt vierzehn Stücke, die den vierzehn den Kapiteln der Romanvorlage entsprechen. Ob auskomponiert oder improvisiert - es ist ein zartes, virtuoses Forschen nach neuen Klangräumen. Auch für ihn ist es wichtig, "aus dem Moment zu schöpfen", sein Instrument immer wieder neu auszuagieren, quasi mit der Musik auch Pforten zu Transzendenz und spirituellen Ebenen zu öffnen. "Das macht auch das Musizieren aus: dass man wegkommt von dem allzu materiellen Denken in Richtung "Schneller, höher, weiter", so Johannes Tonio Kreusch.

Die beiden international renommierten Musiker, die selbst während des kulturarmen Sommers als Festivalveranstalter aktiv waren, haben auch als künstlerische Leiter des Ottobrunner Konzerte in den kommenden Monaten einiges vor: So wird es am 20./21. November ein kleines Jazzfest geben und von 18. bis 20. Dezember ein Jazz-Pianofestival. "Kultur ist das Gewebe unserer Gesellschaft. Wenn wir das verlieren, verlieren wir unsere Identität", sagt Cornelius Claudio Kreusch. Dass die Nachfrage für ihr CD-Release-Konzert hoch ist, wertet Johhannes Tonio Kreusch als gutes Zeichen: "Man merkt, dass Kunst und Kultur wichtig sind für die Menschen." Mit der Gesamtsituationen des kulturellen Betriebes sind die Kreuschs, die 2010 mit dem Tassilo-Kulturpreis der SZ ausgezeichnet wurden, indes nicht zufrieden; sie fürchten mittelfristig schwere Folgen, zumal es ja auch viele im Veranstaltungssektor arbeitende Menschen treffe. "Wir müssen versuchen, neue Wege zu finden", erklärt Johannes Tonio Kreusch.

Ottobrunner Konzerte: Cornelius Kreusch und Gitarrist Johannes Tonio Kreusch gehen in ihren musikalischen Reisen zwar oft unterschiedliche stilistische Wege, tauchen aber beide gern in emotionale Tiefen und kontemplative Räume ein.

Cornelius Kreusch und Gitarrist Johannes Tonio Kreusch gehen in ihren musikalischen Reisen zwar oft unterschiedliche stilistische Wege, tauchen aber beide gern in emotionale Tiefen und kontemplative Räume ein.

(Foto: Claus Schunk)

Im Wolf-Ferrari-Haus wird es neben den "Ottobrunner Konzerten" von Oktober an ein reduziertes Veranstaltungsprogramm geben, wie Horst Frank, Leiter des Hauses, und der künstlerische Berater Bernd Seidel mitteilen. Es gibt natürlich ein Hygiene-und Abstandskonzept inklusive Bestuhlungsplan. Unter anderem gastiert die Kabarettistin Nessi Tausendschön am 12. November in Ottobrunn, das Landestheater Schwaben zeigt am 17. November "Don Quijote" und am 2. Dezember, präsentiert die "Power Percussion" ihre eindrucksvolle Trommel-Show.

Der Vorhang hebt sich aber bereits am 10. Oktober, wenn die Kreuschs ihre musikalische Hommage an zwei literarische Meisterwerke präsentieren. Und so unterschiedlich "Der Zauberberg" und "Siddharta" als Inspirationsquelle sein mögen - beide Alben atmen einen musikalischen Geist, der zu beseelen vermag - und hoffentlich nicht allzu sehr zum Husten reizt.

Karten und weitere Informationen gibt es unter https://wfh-ottobrunn.de

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