Ottobrunn:Versierte Vielfalt in Formen und Farben

Ottobrunn: Aus dem intuitiven Zusammenspiel von Form und Farbe entsteht die Komposition: Christa Filser und ihr Werk "Der verwirrte Graf".

Aus dem intuitiven Zusammenspiel von Form und Farbe entsteht die Komposition: Christa Filser und ihr Werk "Der verwirrte Graf".

(Foto: Claus Schunk)

Für Christa Filser ist die Suche nach neuen Ausdrucksmitteln steter künstlerischer Antrieb - derzeit stellt sie in Ottobrunn aus

Von Udo Watter, Ottobrunn

Eigene Wege zu gehen, besondere Spuren zu hinterlassen, ist eine schöne Möglichkeit, die Vergänglichkeit in ihrem existenziellen Schrecken zu entwaffnen. Aber nicht alle Spuren, die man hinterlässt, sind ursprünglich für die Ewigkeit bestimmt oder erwecken den Stolz des Verursachers respektive Betroffenen. "Manchmal passiert etwas im Arbeitsprozess, etwas Ungeplantes und dann muss man den Konflikt akzeptieren", sagt Christa Filser. Zufälligkeiten, welche die originäre künstlerische Absicht zunächst scheinbar untergraben, können so zu einer plötzlichen Transformation formaler und inhaltlicher Symbolik führen.

Ihr Werk "Trail and Error" ist Ergebnis solch einer Entwicklung. Ausgehend von geometrischen Formen und geprägt durch intuitives Farbenzusammenspiel, sollte in der unteren Bildhälfte eine große Dreiecksfläche eigentlich in weiß erscheinen, aber die Makellosigkeit wurde durch einen ungewollten rot-violetten Farbübergriff aus dem oben sich anschließenden Dreieck quasi verunreinigt.

Statt sich lange darüber zu ärgern, integrierte Filser den "falschen" Farbverlauf, der sich nun zwar nicht kräftig ausnimmt, aber dennoch eine zarte Sichtbarkeit entfaltet, neu in ihre Komposition. Und sie fand einen neuen Titel für das Werk: Inspiriert vom englischen Begriff "Trial and Error", Versuch und Irrtum, eben "Trail and Error". Trail heißt Weg, und die gebürtige Münchnerin Christa Filser, deren Werke zurzeit in der Ottobrunner Galerie "Treffpunkt Kunst" in der Ausstellung "To be continued..." zu sehen sind, wagt sich in der Tat künstlerisch auf viele verschiedene Wege, um sich auszudrücken.

In Ottobrunn präsentiert die gelernte Modedesignerin und Schneidermeisterin vor allem aktuelle abstrakte Arbeiten, die ihre Suche nach neuen Ausdrucksformen demonstrieren. Die Werke sind im Wesentlichen Kompositionen aus Acrylfarbe und Papier. Für Filser, die in Münsing am Starnberger See lebt und auch eine Galerie für moderne Kunst in München betreibt, ist der Materialbezug respektive die Art, wie diese Materialien in Bezug treten, sehr wichtig. Auf Form folgt Farbe, dann die Komposition, sie spricht davon, wie die "Materialien in Aktion und Reaktion miteinander treten" und so ihren Teil zur "Oberflächenstruktur" beitrügen.

Ein echter Blickfänger ist ihr Werk "Der verwirrte Graf", der aus ähnlicher formaler Anregung schöpft wie "Trial and Error", aber ohne ungeplanten Farbverlauf - das leuchtend türkise Blau im Zusammenspiel mit strengen Linien und geometrischen Formen sticht besonders heraus, in ihm schillert gleichsam der Starnberger See, der als eine der Inspirationsquellen für dieses Werk diente.

Dass diese generell mal nicht so sprudeln könnten, davor hat Filser keine Angst. "Ich habe so viel im Kopf", sagt sie. Es gibt im Prinzip keinen Tag, an dem sie nicht in ihrem Atelier arbeitet, wobei Kopf und Bauch beim Gestalten gleichsam Hand in Hand gehen. Ihr Oeuvre ist gekennzeichnet von einer Vielfalt an Medien, Stilarten und Inhalten. "Ich bin keine Konzeptkünstlerin, ich favorisiere kein bestimmtes Ausdrucksmittel."

Gegenständlich geprägte Collagen mit gesellschaftspolitischer oder ökologischer Thematik, die sie auch gerne gestaltet, wird der Besucher in Ottobrunn freilich nicht finden. Dort sind abstrakte Werke gehängt, klein- und großformatig, häufig von strenger symmetrischer Formensprache, symbolisch aufgeladen, mathematisch strukturierte Gefüge. In Serien wie den kleinen "Marshmallows" auch von weicherem intuitiven Formenvokabular, dafür eindringlicher Zweifarbigkeit. Viele der Arbeiten sind Collagen, Filser malt, klebt, näht und spachtelt, sie findet immer wieder ungewöhnliche, leuchtende Farben und manchmal schweben ihre geometrischen Muster auch formschön und luftig im Bildraum. Durchaus verspielt, sowohl in Gestaltung als auch im Wort (Titel) sind Werke wie "Kitzelhusten" und "Verflixt und zugenäht", die auch Bezug zu ihrem früheren Beruf nehmen. Dass sie Wortspiele liebt, davon zeugen auch Serien wie "Glüxkex" oder "Dingdong". Nachhaltigkeit, der versierte Umgang mit benutzten Materialien wie Filz, spielt für sie auch eine Rolle, ihre Serie "Testimony" im Souterrain der Galerie zeugt davon.

Die Künstlerin spricht von "ständiger Vorwärtsdynamik", der Titel der Ausstellung "To be continued..." wurde auch deshalb gewählt, weil für sie "die Kunst dem Wesen des Prozesses" entspringe. Nicht zuletzt dem Jargon der Kunstwelt verpflichtet, drückt sie es so aus: "Ich zerlege, variiere, transformiere Schritt für Schritt die Farbe und das, was sie abbildet, zu einer Symbolik, deren Ausdrucksform und Ausdruckskraft Teil dieser Wertschöpfung ist." Man spürt bei ihr, wie die stete Suche nach technisch und inhaltlich neuen Wegen sie dauerhaft beflügelt: neue Farben aus Pigmenten herstellen, Papier bearbeiten, filigrane, florale Scherenschnitte zu gestalten, Papier gleichsam in Farben zu ertränken - die Kunst ist für Christa Filser eine weites, im Grund unendliches Forschungsfeld.

"Meine künstlerische Tätigkeit spiegelt meine Suche nach Klang, Komplexität und Herausforderung wider. Erkenntnislehre, Erfahrung und die Intuition und die Kreativität in einem sich ständig fortsetzenden und wandelnden Prozess finden Eingang in Gestaltung und Ausdruck meiner Kunst", beschreibt sie ihren Antrieb. Das größte und jüngste Werk in der Galerie heißt "Vertigo" und ist links neben dem Eingang zu sehen. Ob sich beim Betrachter ein "Schwindelgefühl" einstellt, wenn er in die abstrakte Komposition eintaucht, welche höhere Symbolik er in den Farben und Formen sieht, wirbelnde Ascheteilchen oder einfach nur eine Kuh, bleibt ihm überlassen. "Er kann sich frei bewegen im Bild", sagt Filser. Sie selbst ist seit 1995 frei schaffende Künstlerin, hat quasi ihren Weg schon lange gefunden, der freilich bedeutet, immer wieder neue Wege zu gehen.

Die Ausstellung ist bis 27. Juni zu sehen. Es gelten Maskenpflicht und die Einhaltung der Abstandsregeln. Geöffnet ist die Galerie "Treffpunkt Kunst", Rathausstraße 5, donnerstags und freitags von 15 bis 18 Uhr sowie am Samstag von 10 bis 13 Uhr.

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