Ottobrunn:Quicklebendiges Räsonieren

Lesezeit: 2 min

Inspirierendes Duo: Alois Prinz (links) und Harald Lesch sahen sich grundsätzlichen Lebensfragen gegenüber, die sie so klug wie unterhaltsam beantworteten. (Foto: Angelika Bardehle)

Wer bin ich? Physiker Harald Lesch und Autor Alois Prinz beackern existenzielle Fragen

Von Udo Watter, Ottobrunn

Vom Tag seiner Geburt an steuert der Mensch auf den Tod zu. Aber nicht nur der Tod ist etwas Fremdes, sondern oft auch die Welt, in der wir leben. Da gibt es diese Subjekt-Objekt-Spaltung, die zwischen Erkenntnisgegenstand und Erkennendem besteht, aber auch zwischen Ich und reflektiertem Ich. Gut, das weiß der Mensch als pupsender Säugling natürlich noch nicht. Grob gesagt, geht es los, wenn er sich das erste Mal als "Ich" empfindet, wenn sich dann peu à peu höheres Bewusstsein entwickelt und mit ihm die existenziellen, spirituellen Fragenstellungen.

"Wie warst du, als du 14 warst?" So lautet die Premieren-Frage für die beiden Referenten Alois Prinz und Harald Lesch beim "Abend der Begegnung" in der Ottobrunner Michaelskirche. Der stand generell im Zeichen des großen Rätsels "Wer bin ich?" und lockte so viele Besucher an, dass die Organisatoren um die Pfarrerinnen Cornelia Stadler und Martina Hirschsteiner improvisieren mussten, um alle adäquat zu platzieren. Die beiden Protagonisten, der Astrophysiker und Protestant Harald Lesch sowie der Schriftsteller und Katholik Alois Prinz, hielten freilich keine vorbereiteten Vorträge, sondern stellten sich den Fragen Ottobrunner Konfirmanden, von denen viele gerade 14 Jahre alt sind.

Nun, in diesem Alter trieben sich beide, aufgewachsen in ländlichen Gegenden, vornehmlich auf dem Fußballplatz rum und suchten, ohne große elterliche geschweige denn digitale Beeinflussung dem Leben in der Provinz Herr zu werden. Die nächsten Fragen gingen dann - existenziell betrachtet - mehr ans Eingemachte und erwiesen sich für die Redner als so schwierige wie lohnende Herausforderungen. "Wie bist du der geworden, der du bist?" - "Was bedeutet Liebe?" - "Gibt es die Unendlichkeit?" - "Was ist die menschliche Seele?" - "Woran erkennt man, dass es Gott gibt?" Hinterhältig, diese Frage einem Naturwissenschaftler zu stellen, wie Lesch augenzwinkernd anmerkte.

Überhaupt erwies sich der 56-Jährige, der auch Wissenschaftformate im TV moderiert, als Referent, der mit Humor und quicklebendigem Geist im philosophisch-theologischen Kosmos wandelte. Dabei geht es Lesch nie um Selbstinszenierung, sondern man spürt bei ihm dieses kluge Zartgefühl für die Menschen und besonders für Jugendliche, die eben besonders nach Orientierung suchen. Wenn er also seinen Pfarrer aus Jugendzeiten als barocken Prachtmenschen beschreibt mit "Paulanerspoiler", dann ist das griffig, aber vor allem bleibt, wie sehr ihn dieser Mann prägte und was er ihm mitgab: Vertrauen zu haben (in sich und andere), sich einmischen, für eine Sache brennen. Und sich nicht an einem abstrakten Gott orientieren, sondern am Mensch gewordenen Jesus: "He's the man." Spannend auch Leschs Antwort auf das Theodizee-Problem (Warum lässt Gott das Leid in der Welt zu?). "Wir Menschen müssen uns das fragen, nicht Gott", sagt Lesch und erklärt: "Es gibt kein Wesen, das so viel Leid verhindern kann wie der Mensch." Prinz, der zahlreiche Biografien geschrieben hat und mit einer Pfarrerin verheiratet ist, zeigte sich in seinen Antworten manchmal etwas verkopft, belebte den Abend gleichwohl durch feine Gedanken. Durch die Definition von der Seele als Empfängnisorgan für das Gespräch mit Gott ("Nur als Einzelner kann ich ihm begegnen") etwa. Oder dass denken bedeute, sich selbst zu überschreiten, dass der Mensch wenigen, aber entscheidenden Wegmarken im Leben ausgesetzt sei - und dass er sich als steter Suchender sehe.

Ja, die Frage "Wer bin ich?", die in Anlehnung an ein Gedicht Bonhoeffers den Abend prägte, sie kann vielfältig beantwortet werden. Der Theologe schreibt am Ende: "Wer bin ich? Einsames Fragen treibt mit mir Spott. Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!"

© SZ vom 26.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: