Armin Ganserer wird die eine Insel verlassen, um im Sommer dann auf einer anderen zu landen. Insgesamt 13 Jahre lang war der heute 64-Jährige Leiter der Polizeiinspektion 28 in Ottobrunn, die für die Gemeinden Aying, Brunnthal, Hohenbrunn, Höhenkirchen-Siegertsbrunn, Neubiberg, Ottobrunn, Putzbrunn sowie Teile von Taufkirchen und Unterhaching zuständig ist. Das Einsatzgebiet ist das flächenmäßig größte aller Inspektionen des Polizeipräsidiums München und laut Ganserer eine "Insel der Glückseligkeit", weil es dort im Vergleich mit der Landeshauptstadt eher nur "Problemchen" gibt. An diesem Dienstag verabschiedet sich der PI-Chef aus dem Dienst und sehnt schon den Sommer herbei, denn dann plant er mit seiner Frau einen Abstecher nach Island. "Endlich", sagt er und wirkt dabei auch ein wenig befreit.
Sein Büro in dem wenig schmucken Gebäude am Haidgraben in Ottobrunn hat Ganserer schon fast zur Gänze ausgeräumt, nur noch ein paar Bilder hängen an der Wand. Auf dem Schreibtisch liegt noch der Ordner mit der Praktikanten-Mappe. Immer wieder schnuppern hier vor allem Schülerinnen und Schüler des Ottobrunner Gymnasiums in einen Beruf rein, zu dem der scheidende PI-Chef eher zufällig gekommen ist - und den er, das gibt er unumwunden zu, heute nicht mehr wählen würde. Es ist ein Satz, den Ganserer in seinem Büro mit Blick auf die umliegenden Gewerbebauten vollkommen gelassen ausspricht, obwohl die Worte von einem, der mehr als vier Jahrzehnte im Dienst war, doch überraschen: "Nein, ich würde nicht noch mal zur Polizei gehen, das wäre nicht mein erster Wunsch. Eher würde ich studieren."
Ein Freund habe ihm damals gesagt, er solle doch einfach zur Anstellungsprüfung der Polizei mitgehen, erinnert sich Ganserer. "Ich war damals 18 und wusste in jungen Jahren noch nicht, was ich machen soll." Zwei Sachen hätten ihn damals zum Beruf des Polizisten hingezogen: sein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn und ein Faible für die Juristerei. "Und die große Bandbreite, die dieser Beruf mit sich bringt." Er macht seine Ausbildung in Königsbrunn, legt in Dachau seine Prüfung ab; danach aber kündigt er und beginnt eine Ausbildung bei der Sparkasse. "Weil ich gerade auch am Anfang Zweifel gehabt habe, ob das der richtige Weg ist."
Nachdem aber eine Zusage der Polizei kommt, kehrt er doch zurück und geht zunächst in Germering, wo er aufgewachsen ist, auf Streife. "Klassischer Schichtdienst", wie er sagt. Es folgen Stationen bei der Kripo in Fürstenfeldbruck, im damals noch existenten Polizeipräsidium Oberbayern, bei der Abteilung für organisierte Kriminalität und zehn Jahre Stabsarbeit beim Polizeipräsidium und im bayerischen Innenministerium.
"Nach den zehn Jahren Stabsarbeit war klar, dass ich in eine Führungsposition will", erinnert sich Ganserer. Zu diesem Zeitpunkt hat er schon Verbindungen in den Landkreis München geknüpft. Er lernt seine Frau kennen, die in Unterhaching wohnt, zieht zu ihr, bewirbt sich 2010 auf die Stelle des PI-Chefs in Ottobrunn - und wird genommen.
Ganserer ist stets ein sehr präsenter Polizeichef gewesen. Einer, der nah an den Menschen ist, präsent auf jeder Bürgerversammlung in den Gemeinden des eigenen Verbreitungsgebietes, wo er munter und launig die neuesten Statistiken über Verbrechen, Einsätze und Aufklärungsraten vorträgt. Und es gibt immer etwas zu berichten: Im Jahr fahren die gut 40 Polizistinnen und Polizisten von Ottobrunn aus zu mehr als 7000 Einsätzen. "Und pro Einsatz kommt es zu mindestens zehn polizeilichen Maßnahmen. Das geht schon los mit dem normalen Grüß Gott und der Bitte nach dem Führerschein", sagt der scheidende PI-Chef. "Und wenn ich mir anschaue, dass wir bei 7000 Einsätzen im Schnitt nur fünf bis zehn Beschwerden haben, dann ziehe ich vor den Kolleginnen und Kollegen einfach nur den Hut."
"Früher wurde nicht grundsätzlich angezweifelt, was der Polizist sagt und tut"
Denn der Beruf des Polizisten ist laut Ganserer im Laufe der Zeit immer anspruchsvoller geworden. "Deutlich breiter von den Anforderungen her. Schwieriger in der Rechtsprechung", sagt er. "Und trotzdem erwartet jeder Bürger zu Recht, dass der Kollege seine Arbeit da draußen richtig macht und die auch rechtlich Stand hält." Und das in einer Gesellschaft, in der sich die Ansprüche der Menschen verschärft hätten und der Respekt vor Institutionen wie der Polizei gelitten habe. "Früher wurde nicht grundsätzlich angezweifelt, was der Polizist sagt und tut."
Dennoch rate er auch heute noch jungen Menschen ausdrücklich, diesen Beruf zu ergreifen, eben wegen der großen Vielfalt, die er selbst erlebt habe. Die Zeit als Chef der Inspektion in Ottobrunn, der Insel der Glückseligen, werde ihm selbst in besonders guter Erinnerung bleiben. "Der besondere Reiz hier ist das Zusammenspiel von urbanem und ländlichem Raum", sagt Ganserer. "Und was gibt es denn Schöneres als einen Einsatz auf der Bräukirta, wo der Polizist noch geduzt wird?"
Seine Zweifel am Beruf des Polizisten haben ihn dennoch nie losgelassen. "Das war nie meine Polizei, gerade am Anfang nicht", sagt er, ohne ins Detail zu gehen. "Aber ich war immer gerne Teil dieser Polizei."