Süddeutsche Zeitung

Ottobrunn:Ottobrunner wollen Gartencharakter ihres Ortes bewahren

Bei der Bürgerversammlung gibt Rathauschef Thomas Loderer eine Bestandsgarantie für die wenigen Grünflächen in der Gemeinde ab

Von Stefan Galler, Ottobrunn

Modern, vorwärtsgewandt, digital: Seine Gemeinde sei in Sachen Fortschritt "gut unterwegs" - das betonte Ottobrunns Bürgermeister Thomas Loderer (CSU) im Laufe der fast dreieinhalbstündigen Bürgerversammlung am Donnerstagabend im Festsaal des Wolf-Ferrari-Hauses immer wieder. Das gelte für die technische Ausstattung der Schulen ebenso wie für den Breitbandausbau und die Schaffung der Voraussetzungen für den neuen Mobilfunkstandard 5G. Vielleicht um einerseits diese Progressivität noch weiter zu unterstreichen und wohl auch wegen der aktuell steigenden Corona-Infektionszahlen wurde die Bürgerversammlung erstmals ins Internet übertragen, was bis zu hundert Interessierte online verfolgten. Allerdings nur bis zur Aussprache mit den anwesenden Bürgern, dann ließ Loderer den Livestream mit Hinweis auf den Datenschutz und die Persönlichkeitsrechte der fragenden Bürger abschalten.

Dabei wurde es während der 90-minütigen Diskussionsrunde erst so richtig interessant, weil sich hier sehr eindrucksvoll zeigte, wo die Ottobrunner der Schuh drückt. Da ging es etwa um das Dauerthema Nachverdichtung in jener Kommune, die im deutschlandweiten Vergleich hinter der Landeshauptstadt München ohnehin bereits am zweitdichtesten besiedelt ist. Konkret zielten die Nachfragen aus dem Kreis der rund 75 Anwesenden auf die Wahrung des Gartenstadtcharakters der Gemeinde ab sowie auf das Verfahren mit den wenigen Grünflächen und den Umgang mit den immer knapper werdenden Stellplätzen für Autos.

Loderer erläuterte, dass er zwar ein Auge darauf habe, den grundsätzlichen städtebaulichen Charakter Ottobrunns zu bewahren, ihm und dem Gemeinderat aber aufgrund der Baugesetzgebung bisweilen die Hände gebunden seien. Mit dem Verweis auf die geplante Nachverdichtung im "Vogelviertel" sagte er, dass man "bestimmte Teile Ottobrunns städtebaulich anders bewerten" müsse, weil sie eben gar nicht diesen Gartenstadtcharakter besäßen. Was die wenigen Grünflächen im Ort betrifft, so gab der Bürgermeister eine unmissverständliche Bestandsgarantie: "Die sind für die Besiedelung tabu", so Loderer. Man müsse "in die Höhe bauen", zusätzlichen Raum zur Versiegelung gebe es in der Gemeinde gar nicht mehr. Auch in der Vogelsiedlung sei "weniger Versiegelung geplant als immer behauptet wird".

Um der stetig wachsenden Parkplatznot entgegenzuwirken, habe der Gemeinderat eine "Zielvorgabe mit harten Auflagen" beschlossen: "Wir zwingen Häuslebauer mit der Baubewilligung, ihre Fahrzeuge auf dem eigenen Grundstück unterzubringen", sagte der Rathauschef. Wenn also jemand ein Mehrfamilienhaus plane, dann müsse er gegebenenfalls auch eine Tiefgarage dazu bauen. "Oder eine andere Stapellösung. Das ist unsere ausdrückliche Politik", so Loderer.

Noch ein anderes Thema erhitzte die Gemüter: Die Verlängerung der U 5 von Neuperlach-Süd über Ottobrunn bis zum neuen Universitätscampus beim Airbus-Gelände. Landrat Christoph Göbel (CSU), der von der Bürgerversammlung in Neubiberg in den Nachbarort geeilt war, sprach davon, dass der U-Bahn-Ausbau "sehr ernsthaft in Prüfung" sei, um die 3000 bis 5000 Studenten gut anzubinden. Eine Aussicht, die keineswegs alle Ottobrunner frohlocken lässt. Ein Bürger artikulierte die Sorgen vieler Grundstücksbesitzer im Ortszentrum, die eine starke Belastung und auch Beschädigungen der Häuser durch das Unterbauen fürchteten. Andere äußerten Zweifel an der von Loderer bevorzugten Trasse mitten durch die Gemeinde. So wurde vorgeschlagen, die U-Bahn Richtung Isar-Center und Haidgraben zu leiten, um Kosten zu sparen und auch den Westen des Ortes verkehrlich besser zu erschließen. Loderer verwies auf die enorme Zeitdimension des Vorhabens: "Wir sind hier in einer sehr frühen Phase. Es gibt bisher noch nicht einmal eine Vorplanung", sagte er. Mit einem Planfeststellungsbeschluss sei frühestens ins zehn Jahren zu rechnen. Allerdings gibt es aus seiner Sicht zur Route durch das Ortszentrum keine Alternative, weil nur so entsprechende Fahrgastzahlen zu erreichen seien, die den U-Bahn-Bau halbwegs rentabel machten.

Eine Neuigkeit hatte der Bürgermeister zum Thema Corona: Die Gemeinde bietet ihren Bürgern nun jeden Mittwoch die Gelegenheit, sich am Bauhof testen zu lassen, jeweils von 14 Uhr an nach Terminvergabe durch das Vorzimmer des Bürgermeisters und Überweisung durch den Hausarzt.

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Quelle:
SZ vom 17.10.2020
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