Mit "Es war einmal . . ." So beginnen für gemeinhin Märchen. "Es war einmal . . ." könnte aber auch das Stück heißen, das die Zirkus-Theatergruppe "Projecto Anagrama" am Freitag im Wolf-Ferrari-Haus in Ottobrunn aufgeführt hat.
"Cover, Blätter und Letter . . ." erzählt die Geschichte von Albertino, einem offenbar fantasiebegabten jungen Mann. "Sein Kopf war so voller Träume und Geschichten, dass er nachts nicht schlafen konnte", erläutert die Erzählerin den etwa 55 Anwesenden das Problem. Kurz darauf betritt der den Raum. Mit roter Weste und altmodischem Hut sieht er aus wie aus der Zeit gefallen. Das ist er in gewisser Weise auch. Dixieland- und Klezmermusik, Telefone aus der Anfangszeit des Fernmeldewesens, alte Möbel, ein antikes Radio: Der Bühnenraum atmet den Geist des frühen 20. Jahrhunderts. Und: Slapstick-Einlagen, bewusst überzeichnete Mimik und gelegentlich linkische Gesten verweisen ebenfalls eher auf einen Charlie-Chaplin-Film als auf das 21. Jahrhundert.
Die Versatzstücke der Stummfilm-Ära sollen das Stück aber in keiner bestimmten Zeit verorten, im Gegenteil: Eine Jodel-Einlage und ein portugiesisches Volkslied geben der Geschichte etwas Universales. Und das gilt auch für die Erzählung: 30 Kinder staunen, als die Erzählerin ihre Rolle verlässt und beginnt, sich mit dem Träumer zu unterhalten. "Hier steht doch vom Stuhl aufspringen", weist sie ihn an. Gelächter. Die Zuschauer folgen gebannt der Conférencière, die mehr und mehr die Erzählhaltung verlässt und träumerisch mit der Handlung verschmilzt. So wird das Erzählen zur Fantasiereise, zu einem Plädoyer fürs Geschichtenerzählen, zu einem bebilderten Traum. Alles ist möglich, rufen uns die Hauptdarsteller zu. Zwar geht es in "Cover, Blätter, Letter . . ." an der Oberfläche um die Entstehung des Buchdrucks. Tatsächlich geht es aber eher darum, eine eigene Ausdrucksform zu finden und so die Bilder im Kopf in eine eigene Sprache zu übersetzen.
So wie es die beiden Darsteller vormachen: Ilja Mook kommt aus den Niederlanden, Nuno Tavares aus Portugal. Beide leben in Portugal und haben das Stück nach einer erfolgreichen Tournee durch beide Länder übersetzt. Doch manche Hindernisse bleiben bestehen. "Was ist das denn?", ruft ein Kind. Die anderen grübeln. Groß, schwarz, monströs, altmodisch. Eine Mutter klärt das Rätsel auf: "Das ist eine Schreibmaschine."