Ottobrunn:Nähe zum Hörer und zu München

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Eine neue CD versammelt Werke dreier Ottobrunner Komponisten

Von Reinhard Szyszka, Ottobrunn

Die "Einsamkeit der Wälder vor den Toren Münchens" - lang, lang ist's her. Heute würde wohl niemand, der die Einsamkeit der Wälder sucht, sich ausgerechnet in Ottobrunn niederlassen. Und doch war es genau das, was der Komponist Ermanno Wolf-Ferrari im Jahr 1915 tat. Der Deutsch-Italiener zählte einst zu den bekanntesten und beliebtesten Opernkomponisten hierzulande; heute ist seine Musik weitgehend vergessen. Dennoch ist sein Name jedem Ottobrunner ein Begriff, ist doch das Kultur- und Veranstaltungshaus im Ortszentrum nach dem Musiker benannt.

Wolf-Ferrari war der erste Komponist, der im Raum Ottobrunn wohnte - genau genommen von 1915 bis 1916 sowie von 1921 bis 1926 in einer Villa am Nornenweg im nahen Riemerling (heute Gemeinde Hohenbrunn) und dann von 1926 bis 1931 in der Villa "Vita nova" an der Mozartstraße in Ottobrunn; beide Adressen liegen knapp einen Kilometer auseinander. Einige Jahrzehnte später folgten ihm Dieter Acker und Robert Maximilian Helmschrott, die sich 1973 respektive 1976 in der Gemeinde niederließen. Acker und Helmschrott suchten allerdings weniger die Einsamkeit der Wälder, ihre Ortswahl war vielmehr der Nähe zur Kulturmetropole München geschuldet, wo beide an der Hochschule für Musik und Theater unterrichteten, Helmschrott sogar viele Jahre lang als Präsident. Die Rosmarie-Theobald-Musikschule hat nun unter dem Titel "Ottobrunner Komponisten" Werke von Wolf-Ferrari, Acker und Helmschrott auf einer CD versammelt.

Es handelt sich durchwegs nicht um Neueinspielungen, die eigens für diese CD entstanden wären, sondern um Aufnahmen des Bayerischen Rundfunks und der Münchner Musikhochschule aus den Jahren 2003 bis 2009. Mehrere Lehrkräfte der Rosmarie-Theobald-Musikschule wirken mit: Michael Schneidt und Schulleiter Robert Jobst lassen sich am Klavier hören; Hermann Rid ist mit dem Sopransaxofon dabei.

Die Kompositionen sind zwischen 1904 und 2006 entstanden, was eine enorme stilistische Bandbreite vermuten ließe. Überraschenderweise ist dem nicht so. Wolf-Ferrari, Acker und Helmschrott erheben, zumindest in diesen Werken, nicht den Anspruch, an der Spitze der musikalischen Avantgarde zu marschieren und - überspitzt formuliert - mit möglichst unschönen Klängen und undurchschaubaren Strukturen das Publikum zu vergraulen. Ermanno Wolf-Ferrari hat es auf den Punkt gebracht: "Ich bin gewissermaßen selbstverständlich, ich werfe nichts um. Wozu auch? Muss immer alles umgeworfen werden, nur weil ein neuer Mensch geboren wird, der komponiert? Das Gute muss doch bleiben." Dieter Acker und Robert M. Helmschrott sehen es - bei aller Individualität - ähnlich. Sie wollen nicht die Musikwelt revolutionieren, sondern "den Hörer bewegen" (Acker) und "den Menschen verwandeln" (Helmschrott). Also keine Musik gegen das Publikum, sondern anspruchsvolle und zugleich ansprechende Werke.

Die drei Impromptus von Wolf-Ferrari, mit denen die CD beginnt, entstanden 1904: spätromantische Tonstücke in der Tradition Schumanns, von den Klangballungen Max Regers ebenso weit entfernt wie von den Tendenzen des jungen Schönberg zur Auflösung der Tonalität. Wann Wolf-Ferrari später seine fünf Bagatellen komponiert hat, ist nicht ganz klar, denn er hat die Werke nie veröffentlicht. Das Booklet verortet sie um 1936, und man registriert mit Erstaunen, dass sich die Musiksprache Wolf-Ferraris über 30 Jahre hinweg nicht merklich verändert hat.

Das Trio für Sopran- und Altsaxofon und Klavier von Dieter Acker ist 2003 entstanden. Der Komponist war damals schon von seiner schweren Krankheit gezeichnet, der er drei Jahre später erliegen sollte. Seine Musik strahlt Ernst und Nachdenklichkeit, aber zugleich Optimismus und Lebenswillen aus. Vor allem lauscht sie den Klang-Eigentümlichkeiten der Instrumente nach. Das Klavier spielt meist in den tiefsten Bassregionen, im wirkungsvollen Kontrast zu den Saxofonen in den oberen Registern. Auf Ausflüge in Jazz-Soundwelten, wie es bei Saxofonen naheläge, verzichtet Acker komplett.

Robert M. Helmschrott, der seit 1991 als Vertreter der Komponisten-Organisationen dem Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks angehört, ist zunächst mit seinem "Nachgesang für Guardini" aus dem Jahr 2008 zu hören, einem meditativ-versunkenen Klavierwerk, das an die "Vingt regards sur l'Enfant-Jesus" von Olivier Messiaen denken lässt. Den Abschluss bildet "Les quatre chemins faciles" für zwei Klaviere, eine Komposition eigens für "Jugend musiziert" und von zwei jungen Preisträgern dieses Wettbewerbs schwungvoll, spielfreudig und virtuos interpretiert.

© SZ vom 12.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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