Verkehr:Der Traum vom grünen Fliegen

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Vier Experten präsentierten im Wolf-Ferrari-Haus den Stand der Forschung für eine nachhaltigere Zukunft. Im Bild Wolfgang Machunze von Airbus. (Foto: Claus Schunk)

Vier Experten aus Industrie und Forschung sprechen in Ottobrunn über eine nachhaltigere Luftfahrt. Schon in zehn Jahren könnten demnach klimafreundlichere Treibstoffe eingesetzt werden. Die Frage bleibt allerdings, ob der politische Wille da ist.

Von Raphael Stüdeli, Ottobrunn

Gleich zu Beginn schenkt Mirko Hornung den Zuhörern reinen Wein ein: „Eine Luftfahrt vollständig ohne CO₂-Ausstoß wird es nicht geben.“ Allein schon der Aufbau der Infrastruktur, welche für ein nachhaltigeres Fliegen notwendig ist, stoße eine Unmenge an Kohlenstoffdioxid aus. Und auch künftige Treibstoffe würden nicht ganz ohne Kerosin auskommen, um auf einen hohen Wirkungsgrad zu kommen.

Hornung ist Professor am Lehrstuhl für Luftfahrtsysteme der Technischen Universität (TU) München und einer von vier Experten aus Industrie und Forschung, die am Dienstagabend auf Einladung der Ottobrunner CSU im Wolf-Ferrari-Haus diskutieren. Der Titel der Gesprächsrunde lautet „Nachhaltig dank Technologie: Klimafreundliche Flugzeuge?“. Der hell ausgeleuchtete Festsaal ist gut besucht. Flugzeugbegeisterte, Interessierte und Skeptiker teilen sich zu gleichen Anteilen die Plätze.

Wie Hornung zu Beginn seiner Präsentation umreißt, soll eine dreiteilige Strategie die Luftfahrt aus dem Dilemma retten, zwar äußerst praktisch zu sein, aber umso umweltschädlicher. Durch effizientere Technologien, erneuerbare Kraftstoffe und bessere Einsatzpläne will die Luftfahrtindustrie in Zukunft ein Großteil ihrer Treibhausgase einsparen.

Neue Technologien adressieren hauptsächlich das Design und die Bauweise von Flugzeugen. Nacheinander legen Wolfgang Machunze, Projektleiter Materialforschung bei Airbus, und Klaus Drechsler, Professor für Carbon Composites an der TU München, dar, wie eine größere Flügelspannweite die Gleiteigenschaften von Flugzeugen verbessert und eine Leichtbauweise in Verbundstoffen das Gewicht verringert. Ein Fingerzeig in Richtung Zukunft ist hierbei der neueste Linienflieger von Airbus. Bei keinem anderen Flugzeug wurden im Bau so viele Verbundstoffe eingesetzt, Gewicht und Treibstoffverbrauch konnten dadurch erheblich reduziert werden.

Zum großen Teil steht und fällt der Traum vom grünen Fliegen jedoch mit dem Erfolg von alternativen Treibstoffen. Mit nachhaltigen Kraftstoffen könne ein Einsparpotenzial von bis zu 85 Prozent verwirklicht werden, erklärt Machunze. Es ist also nicht vermessen, hier vom Löwenanteil zu sprechen.

Strombasierte Treibstoffe sind der Königsweg

Nicht die viel diskutierten Biotreibstoffe und Algenkonzepte werden im Folgenden besprochen, sondern Wasserstoff und strombasierte Alternativen („Power to Liquid“). Zu gering sei der Energieumwandlungsgrad der Biotreibstoffe, zu hoch der Platzverbrauch. Auch batteriebetriebene Elektromotoren oder Hybridsysteme werden sich in der Luftfahrt anders als beim Auto höchstwahrscheinlich nicht durchsetzen. Sie sind zu schwer und benötigen zu viel Platz.

Peter Konstanzer, Leiter der Abteilung „Electric Aircraft Systems Design & Technology“ von Airbus, berichtet vom Stand der Forschung des Unternehmens auf dem Ludwig-Bölkow-Campus in Ottobrunn und Taufkirchen. Strombasierte Treibstoff und Wasserstoff seien ausgereift und einsatzfähig. Im großindustriellen Maßstab sei mit ihnen jedoch nicht vor 2035 zu rechnen.

Strombasierte Treibstoffe sind künstliche Treibstoffe, bei denen Energie auf ein Kohlenstoffpartikel gebunden wird. Die Energie wird Elektrizität oder direkt der Sonne („Solar to Liquid“) entnommen, die Kohlenstoffpartikel werden aus der Luft gefiltert. Da sie direkt der Atmosphäre entnommen werden, gelangt bei deren Ausstoß kein neues CO₂ in die Atmosphäre. Wasserstofftreibstoffe sind nicht Kohlenstoff-gebunden und haben deshalb überhaupt keinen CO₂-Ausstoß. Ein kleiner Haken darf jedoch nicht übersehen werden: Die beiden Treibstoffvarianten sind nur dann nachhaltig, wenn sie auch mit erneuerbarer Primärenergie hergestellt werden.

Während nachhaltigere Technologie und Treibstoffe frühestens nach 2035 flächendeckend auf dem Markt erhältlich sein werden, könnten effizientere Flugrouten bereits heute umgesetzt werden. Umsteigerouten haben 20 bis 45 Prozent mehr Flugweg und verursachen dementsprechend mehr Treibhausgase, dennoch werden diese Varianten von Fluggesellschaften und Passagieren bevorzugt. Mit Direktverbindungen und entsprechend weniger Zubringerflügen zu den internationalen Hubs könnten die Umwege umgangen werden. Damit die Restrukturierung des internationalen Linienflugverkehrs funktionieren kann, müssten jedoch politische Rahmenbedingungen Anreize setzen.

Es ist die Fragerunde, in welcher schließlich auch Schlechtwetterwolken am ansonsten so klaren Himmel der fliegenden Zukunft aufziehen: „Ist es tatsächlich möglich, die zukunftsweisenden Technologien, die gerade erforscht werden, bis 2035 zu implementieren und bis 2050 flächendeckend anzuwenden?“, lautet die radikalste und gleichzeitig entscheidende Frage dieses Abends. Wie in den vorherigen Punkten sind sich die Spezialisten auch in dieser Frage einig: Eine Transformation sei schwierig, könne aber gelingen, wenn Wirtschaft und Politik gemeinsam und entschieden am gleichen Strang ziehen. Wer jedoch die Großwetterlage in Wirtschaft und Klimapolitik auf dem Radar hat, der weiß: Auch hier wird höchstwahrscheinlich gerade ein Abflug verpasst.

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