Ottobrunn:Kalenderblätter als Geschenkpapier

Die Familie Campbell-Young feiert nicht erst seit der Klimadebatte nachhaltig Weihnachten. Die Ottobrunner halten sich schon seit Jahren mit Geschenken zurück - und heuer auch mit einem Christbaum

Von Daniela Bode

Glitzernde Kugeln an der duftenden Nordmanntanne, viele Geschenke in bunt beschichtetem Papier darunter, funkelnde Lichter. Nach dem Auspacken wird Fondue oder Braten gegessen. So oder so ähnlich begehen auch im Landkreis München viele Familien Weihnachten. Nicht so die Familie Campbell-Young aus Ottobrunn. Sie feiert möglichst umweltfreundlich. Und zwar nicht erst, seit Tausende fürs Klima auf die Straße gehen, sondern eigentlich schon immer.

"Wir leben insgesamt sehr umweltbewusst", sagt Tania Campbell, die in Ottobrunn für die Grünen als Bürgermeisterkandidatin bei der Kommunalwahl im kommenden Jahr antritt. Die Familie lebt in einem Passivhaus und kommt ohne Auto aus. Die Idee, nachhaltig zu leben und möglichst wenige Dinge im Überfluss anzuhäufen, erhält die Familie auch an Weihnachten aufrecht. Den Adventskalender mit Jutesäckchen benutzt die Familie jedes Jahr wieder, auch die LED-Lichterkette am Balkon kommt jährlich erneut zum Einsatz.

Ottobrunn: Schön und bunt geht auch ohne Glitzerpapier, das nach dem Auspacken weggeschmissen wird: Tania Campbell und ihr Sohn Alex achten beim Verschenken auf Ressourcen.

Schön und bunt geht auch ohne Glitzerpapier, das nach dem Auspacken weggeschmissen wird: Tania Campbell und ihr Sohn Alex achten beim Verschenken auf Ressourcen.

(Foto: Sebastian Gabriel)

Ein Opfer ist das nicht für die Familie, denn: "Richtig konsumfreudig waren wir noch nie", sagt Campbell. So schenken sie und ihr Mann Phil, ein Brite, sich jedes Jahr nur eine Stück. Sie wünscht sich dieses Jahr Fahrradhandschuhe für den Winter, weil die alten kaputt gegangen sind. "Das Geschenk ist, dass man für den anderen etwas besorgt, wir schenken also Zeit", sagt die 51-Jährige. Ein bisschen Konsum gibt es nur für Sohn Alex. "Aber auch da ist es meist etwas Sinnvolles wie eine Winterjacke oder ein Buch."

Die Ottobrunner Familie tut intuitiv, was gesellschaftlich und klimapolitisch in dieser Zeit angebracht ist. So empfehlen diverse Stellen vor Weihnachten, bei den Einkäufen für das Fest innezuhalten und an die Umwelt zu denken. Die Bundesregierung rät beispielsweise auf ihrer Homepage, etwas zu verschenken, was nicht herumsteht, also Patenschaften, Spenden oder Selbstgemachtes. Als umweltfreundliches Geschenkpapier legt einem die Bundesregierung alte Tücher, Zeitschriften oder Landkarten ans Herz. Zurecht, häuften die Deutschen doch in den vergangenen Jahren wieder Berge an Verpackungsmüll an. Laut Bundesregierung sind es jedes Jahr etwa 400 Millionen Tonnen.

Ottobrunn: Tania Campbell und ihr Mann Phil, ein Brite, schenken sich jedes Jahr nur eine Stück.

Tania Campbell und ihr Mann Phil, ein Brite, schenken sich jedes Jahr nur eine Stück.

(Foto: Sebastian Gabriel)

Tücher und Zeitschriften nutzt die Ottobrunner Familie zwar nicht zum Einpacken der Geschenke, aber nicht selten alte Kalenderblätter. "Wenn dann noch eine so schöne Winterlandschaft drauf ist wie hier, passt das doch wunderbar", sagt Campbell und wickelt ein Geschenk in ein Blatt ein, auf dem schneebedeckte Berge zu sehen sind. Ein Glas, in dem ihr Sohn Alex ihr einmal Popcorn schenkte und auf dessen Deckel "Mit Liebe selbst gemacht" steht, möchte sie ebenfalls zum Verpacken benutzen.

Zu Weihnachten finden sich an vielen Stellen nicht nur Tipps zu Verpackungen, sondern auch zu umweltfreundlichen Bäumen. Auf der Homepage des Bundes Naturschutz gibt es eine Liste, wo man regionale und ökologische Weihnachtsbäume kaufen kann. Die Familie Campbell-Young braucht diese Tipps allerdings nicht. Sie hat dieses Jahr beschlossen, auf einen Baum zu verzichten. Für Sohn Alex ist das völlig in Ordnung "Die Bäume werden nur gepflanzt, um dann gefällt zu werden", sagt der 16-Jährige. "Für ein bisschen Feiern und Schönheit finde ich das unnötig." Auch in den vergangenen Jahren hatte die Familie nicht immer einen Christbaum. Einen konnte sie sogar zwei Jahre verwenden: Die Familie kaufte ihn mit Wurzelballen. Campbell transportierte den Baum natürlich mit dem Fahrrad und pflanzte ihn nach Weihnachten im Garten ein. Als die Nordmanntanne größer gewachsen war, fällte die Familie sie und sie diente ihr ein zweites Mal an Weihnachten.

Ottobrunn: Den Adventskalender mit Jutesäckchen benutzt die Familie jedes Jahr wieder.

Den Adventskalender mit Jutesäckchen benutzt die Familie jedes Jahr wieder.

(Foto: Sebastian Gabriel)

Auch ohne Baum werden viele Kerzen bei der Ottobrunner Familie an den Weihnachtstagen für eine festliche Atmosphäre sorgen. Und eine Art Braten wird am "Christmas Day", also am ersten Weihnachtsfeiertag, auch auf dem mit dem hübschen Geschirr von Campbells Großmutter gedeckten Tisch stehen. Allerdings vegetarisch, weil Alex sich seit ein paar Monaten sehr engagiert bei den "Fridays for future"-Aktivitäten, sich für die Umwelt einbringt und in dem Zusammenhang Vegetarier geworden ist: "Nut Roast" soll es mittags geben, ein typisches britisches Gericht mit Gemüse und vielen Nüssen, von der Optik einem Vollkorn-Kastenbrot ähnelnd. "Danach gehen wir spazieren oder Langlaufen", sagt Campbell.

Wieder geht es darum, sich gegenseitig Zeit zu widmen, gemeinsam etwas zu unternehmen. Da die Familie mit Campbells Eltern in einer Art Mehrgenerationenhaus unter einem Dach wohnt, feiert die Familie an Heiligabend gemeinsam. Am "Boxing Day", also dem zweiten Weihnachtsfeiertag, geht es ganz nachhaltig weiter. Dem Brauch nach ist da laut Campbell Reste-Essen angesagt. "Und man macht noch mehr Sport."

Sollten sich Alex oder seine Eltern doch einmal nach einem glitzernden, funkelnden, vielleicht ein bisschen überladenen Weihnachten sehnen, können sie zu Alex' Grandma nach England fahren. Dort steht ein großer Plastikweihnachtsbaum mit vielen Kugeln, es gibt Geschenkeberge für Alex' Cousin. "Ich genieße das dann dort schon", sagt der 16-Jährige. "Ich denke mir dann aber nicht: Ach, hätten wir es doch auch so", sagt er. Beste Voraussetzungen also für ein glückliches, zufriedenes Weihnachtsfest.

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