Raumfahrt:Über Skandinavien ins All

Raumfahrt: Einblick in das wohl wertvollste Start-up im Raum München: der schwedische Botschafter Per Thöresson (zweiter von rechts) mit Astronautin Amelie Schönenwald (daneben) und Geschäftsführer Josef Fleischmann (rechts).

Einblick in das wohl wertvollste Start-up im Raum München: der schwedische Botschafter Per Thöresson (zweiter von rechts) mit Astronautin Amelie Schönenwald (daneben) und Geschäftsführer Josef Fleischmann (rechts).

(Foto: Tim Koenig/Isar Aerospace/Tim Koenig/Isar Aerospace)

Bei einem Besuch des schwedischen Botschafters konkretisiert Isar Aerospace seine Pläne für den ersten Raketenstart und unterstreicht, dass die Ottobrunner Firma demnächst umziehen muss. Wohin, will Geschäftsführer Josef Fleischmann dagegen nicht verraten.

Von Patrik Stäbler, Ottobrunn

Hinter der Spiegeltür mit den zwei Warnschildern - eines die Videoüberwachung, das andere die Notwendigkeit von Schutzschuhen betreffend - liegt ein steter Lärmpegel in der Luft, während am Boden geschäftiges Treiben herrscht. Drei Männer mühen sich an einer brusthohen Kabelrolle ab, zwei andere blicken gedankenverloren auf einen der vielen Monitore, die hier allenthalben stehen. Von der gut zwanzig Meter hohen Decke der Werkshalle hängt eine Ukraine-Flagge herab, darunter sieht man Dreh- und Fräsmaschinen, einige Schritte weiter mehrere 3-D-Drucker. Zwischen all diesen Gerätschaften eilen Männer umher - weibliche Beschäftigte sucht man dagegen vergeblich. So sieht es also aus in den Produktionshallen von Isar Aerospace in Ottobrunn, einem der hoffnungsvollsten Raumfahrt-Start-ups des Landes. Und: die aktuell wohl begehrteste Firma im Landkreis München, um deren Ansiedlung eine Reihe von Gemeinden buhlen.

An diesem Vormittag jedoch soll es primär nicht um die Zukunftspläne von Isar Aerospace gehen - jenem 2018 von drei Absolventen der TU München gegründeten Unternehmen, das eine Trägerrakete namens Spectrum entwickelt, um damit schon bald Satelliten ins All zu transportieren. Vielmehr hat sich der schwedische Botschafter Per Thöresson angekündigt. Er will hier einen Blick hinter die Kulissen werfen und danach mit Josef Fleischmann, einem der Gründer des Start-ups, Nick Priborsky von der Swedish Space Corporation (SSC) sowie der Reserve-Astronautin Amelie Schönenwald über "Die Raumfahrt von morgen" diskutieren.

Die Veranstaltung ist Teil einer sechsmonatigen Deutschlandtour durch alle 16 Bundesländer, die Schweden im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft absolviert. Den Auftakt machen dabei Ottobrunn und Isar Aerospace, was für sein Unternehmen eine große Ehre sei, sagt Josef Fleischmann - und auch eine Chance, bestehende Partnerschaften zu vertiefen.

"Die europäische Raumfahrtindustrie ist an einem neuralgischen Punkt", betont der 32-jährige Geschäftsführer. Der Angriffskrieg gegen die Ukraine habe die Zusammenarbeit mit Russland für die Branche schwierig gemacht. Dazu kämen die Probleme der Europäischen Weltraumorganisation Esa beim Bau ihrer neuen Trägerrakete Ariane 6. "Es gibt aktuell also gute Möglichkeiten für die private Raumfahrtindustrie", glaubt Fleischmann. Und genau diese will sein Unternehmen nutzen: Noch in diesem Jahr - genauere Angaben macht Isar Aerospace nicht - will das Start-up von der norwegischen Insel Andøya aus erstmals eine Rakete auf einen Testflug ins All schicken. Im Weiteren werde man dann auch einen zweiten Weltraumbahnhof in Französisch-Guayana nutzen, sagt Fleischmann.

"Für uns ist es ein Muss umzuziehen"

Das Ziel von Isar Aerospace ist, den Transport von hauptsächlich kleinen Satelliten ins Weltall deutlich günstiger anzubieten als die Konkurrenz - unter anderem indem man auf eine weitgehend automatisierte Fertigung und auf vergleichsweise kleine Raketen setzt. Nach eigenen Angaben strebt das Unternehmen einen Preis von 10 000 Euro je Kilogramm an; die Nutzlast von Spectrum soll bei 1000 Kilo liegen. Einen kleinen Eindruck, wie die Trägerrakete dereinst aussehen wird, bekommt man beim Rundgang durch die Produktionshalle im abgetrennten Montagebereich, wo ein Modell eines Tanks lagert. Das aus Carbonfasern gefertigte Teil hat die Form eines Zylinders und einen Durchmesser von zwei Metern; die gesamte Rakete soll knapp 30 Meter hoch werden. Ihre Komponenten erprobt Isar Aerospace am Standort im niederbayerischen Reischach, das komplette Triebwerk wird auf einem Prüfstand der SSC im nordschwedischen Esrange getestet - der Grund, weshalb Schweden seine Deutschlandtour in Ottobrunn startet.

Raumfahrt: Astronautin Amelie Schönenwald und Botschafter Per Thöresson im Gespräch.

Astronautin Amelie Schönenwald und Botschafter Per Thöresson im Gespräch.

(Foto: Tim Koenig/Isar Aerospace/Tim Koenig/Isar Aerospace)

Dort wiederum verfügt Isar Aerospace derzeit über zwei Standorte. Da ist erstens der Firmensitz an der Caroline-Herschel-Straße in direkter Nachbarschaft von IABG, Airbus und Co. Dort arbeiten circa 200 Beschäftigte, während es in der Produktion etwa ein Drittel davon sind. Sie ist aktuell im Gewerbegebiet zwischen der Staatsstraße und dem Landschaftspark Hachinger Tal beheimatet - noch. Denn mittelfristig will das stark wachsende Unternehmen seine beiden Ottobrunner Standorte auf einem neuen, größeren Firmengelände vereinen. "Schauen Sie nur hier raus", sagt Josef Fleischmann im Besprechungsraum und zeigt auf das Fenster, hinter dem sich die Produktionshalle erstreckt. "Hier ist alles voll."

Auch in zwei weiteren Hallen, die man nebenan angemietet habe, werde bis Mitte dieses Jahres kein Platz mehr sein. "Für uns ist es ein Muss umzuziehen", betont der Geschäftsführer. Nur wohin? Bei dieser Frage hat Isar Aerospace die Qual der Wahl. So bemühen sich mehrere Gemeinden eifrig um die Ansiedlung des Raketenbauers, darunter Taufkirchen, Haar, Feldkirchen und Ottobrunn. Laut Fleischmann gibt es insgesamt "fünf, sechs" potenzielle Standorte. "Aktuell sind wir noch in Gesprächen." Zur Frage, bis wann eine Entscheidung fallen wird, will der Geschäftsführer nichts sagen.

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