Ottobrunn:In jedem Anfang wohnt ein Mord

Stefanie Gregg und Ingeborg Struckmeyer veröffentlichen Kurzkrimi-Band

Von Udo Watter, Ottobrunn

Ein paar Anfangssätze. Mehr nicht. "Sie schlug die Tür hinter sich zu, lief die Treppe hinunter aus dem Haus. Ohne sich noch einmal umzusehen." Oder: "Eine Dreiecksgeschichte, es war eine ganz klassische Dreiecksgeschichte. Aaron, Marion und ich. Beim Klassentreffen sah ich ihn nach zwanzig Jahren wieder und ich konnte nicht anders als ihn mit dem Jungen von früher zu vergleichen." Die Autorinnen Stefanie Gregg und Ingeborg Struckmeyer haben, ausgehend von diesen und anderen literarischen Eröffnungen, jeweils ganz unterschiedliche Plots entwickelt. Entstanden ist so ein Band mit 20 Kurzgeschichten ("Liebe, Mord und ein Glas Wein"), die auf zehn Anfangssätzen basieren - beide Schriftstellerinnen gaben je fünf vor - und der diesen Herbst im Edition Oberkassel Verlag erschienen ist.

Ein originelles Prinzip, das Struckmeyer und Gregg da ausheckten, als sie sich auf einer mehrtägigen Schreibauszeit in Freilassing kennen lernten, und das sie in zahlreiche literarische Miniaturen umsetzten, die oft einen düsteren, abseitigen oder gar mörderischen Charakter atmen. Kein Wunder, sind die Ottobrunnerin Gregg und die in München lebende Struckmeyer doch Mitglieder beim Verein "Mörderische Schwestern", einem Netzwerk deutschsprachiger Autorinnen, Verlegerinnen und Buchhändlerinnen, welches von Frauen geschriebene Krimis fördert. "Wir haben uns gleich gut verstanden", erzählt Gregg. Sie ließ sich von Struckmeyer, die schon langjährige Erfahrungen mit Kurzgeschichten und Kurzkrimis hatte, gerne inspirieren. "Man muss schnell auf den Plot kommen und pointiert sein", erklärt Gregg. Dass sie, die zuvor primär Romane geschrieben hat, die kleinere literarisch Form auch beherrscht, zeigt sie freilich in "Liebe, Mord und ein Glas Wein".

Ottobrunn, Autorin Stefanie Gregg,

Schreibt über abseitige und skurrile Seiten des Lebens: Stefanie Gregg.

(Foto: Angelika Bardehle)

Sowohl ihr als auch Struckmeyer gelingt es, den Leser schnell und dramaturgisch packend in die Handlung eintauchen zu lassen, den Plot mit angemessenem Tempo zu dirigieren, mal lakonisch, mal poetisch, bis zur (oft bösen) Pointe. Die Erzählpforte, die durch den Anfangssatz einen Spalt weit aufgestoßen wird, führt dabei auf ganz unterschiedliche Wege: In eingangs erwähnter Dreiecksgeschichte wählt Gregg eine Frauen-Ich-Perspektive, Struckmeyer schreibt aus der Perspektive eines Mannes. In beiden Fällen zeitigt die Ménage à trois böse bis fatale Konsequenzen, aber doch auf sehr unterschiedliche Weise. Greggs Version heißt "Hupsala - Scheiße, Mann!" und wartet mit guten Dialogen und einer bitterbösen Pointe auf.

Fesselnd auch ihre dritte Geschichte "Wir lieben unsere Kunden", bei dem eine Frau nächtens in das Schlafzimmer eines Mannes eindringt und ihm eine Pistole in den Mund schiebt: "Mach nur einen Mucks und ich ziehe ab." Der Mann, ein triebgesteuertes Macho-Arschloch, überlegt schlotternd, welche seiner früheren Bettbekanntschaften wohl dahinter stecke, bis ihm etwas passiert: "Um seinen Rücken spürte er eine seltsame Wärme. Er hatte sich vollgepinkelt. Nur eine Feststellung. Weder Scham noch Ekel. Für jedes andere Gefühl war die Angst zu groß." Schön.

Autorinnenduo Friedlind Lipsky (rechts) und Ingeborg Struckmeyer

Ingeborg Struckmeyer.

(Foto: Florian Peljak)

Auch in "Der Legionär" gelingen ihr fesselnde Sätze, etwa als sie den traumatisierten und einsam umherirrenden Protagonisten über sein Verhältnis zu Frauen nachdenken lässt: "Er wollte die Nähe, aber er konnte sie nicht ertragen. Er hatte Angst, sie könnten seine Träume sehen." Dramatische Verdichtungen - ob mörderischer, erotischer oder romantischer Natur - spielen natürlich in jeder der 20 Geschichte eine Rolle. Struckmeyer, die unter anderem mit der Kirchheimer Autorin Friedlind Lipsky unter dem Pseudonym Frida Mey zwei Kriminalromane ("Manchmal muss es eben Mord sein", "Radieschen von unten") veröffentlicht hat, wartet auch mit manch packender Geschichte auf: In "Ein neues Leben" etwa sucht eine vom Schicksal gezeichnete Frau einen Mann auf, an dem sie sich nach Jahren rächen will - der Leser wird zum Komplizen ihrer Vergeltungsfantasien - doch letztlich geschieht etwas Unerwartetes, was auf abseitige Weise auch befriedigt. Auch in "Das Ende des Traums" zeigt sie ihre Versiertheit, einen knapp verdichteten Plot in eine überraschende Pointe münden zu lassen.

Nicht unerwartet sind die Geschichten nicht alle von gleicher Qualität. Punktuell beschleicht einen das Gefühl, dass inhaltlich ein bisschen zu viel hineingepackt wurde und der ein oder andere Dialog wirkt ein wenig konstruiert - aber generell sind die Erzählungen lesenswert und auf oft skurrile und hintergründige Weise originell. Und dass es den beiden Spaß gemacht hat, aus vorgegebenen Anfängen etwas zu entwickeln und dabei spezielle Fantasien in der Literatur wahr werden zu lassen (etwa einen perfekten Mord), merkt man ihnen ebenfalls an. "Das wahnsinnig Anstrengende eines Romans fällt weg", sagt Gregg. Für die in Ottobrunn lebende Autorin läuft es zur Zeit gut: Gerade erst hat sie auf der Frankfurter Buchmesse aus ihrem 2015 veröffentlichten Roman "Duft nach Weiß" gelesen, der in diesem Jahr auch in gedruckter Form erschienen ist. Und kommenden März wird sie eine Road Novel ("Mein schlimmster schöner Sommer") beim renommierten Aufbau-Verlag veröffentlichen. Das literarische Morden dürfte sie aber - ebenso wenig wie Struckmeyer - auch künftig nicht lassen.

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