Ottobrunn:Falscher Amok-Alarm am Gymnasium

Ottobrunn, Gymnasium, Foto: Angelika Bardehle

Am erst kürzlich eröffneten Gymnasium Ottobrunn erleben Schüler angstvolle Minuten.

(Foto: Angelika Bardehle)

Vermutlich ein technischer Defekt löst das Warnsystem aus. Bis die Polizei die Situation klärt, durchleben Schüler und Lehrer Minuten der Angst.

Von Bernhard Lohr, Ottobrunn

Es sind Momente, die Leni Reiniger wohl nicht vergessen wird. Die Schülerin wurde mit ihren Klassenkameraden der 6 e kurz vor 11 Uhr aufgeschreckt. Eine Durchsage hallte durchs Schulhaus, in der Schüler und Lehrer aufgefordert wurden, sich wegen einer akuten Gefahrenlage in den Zimmern einzuschließen. Daraufhin klickten in dem erst kürzlich eröffneten Ottobrunner Gymnasium die Schlösser.

Ein sogenannter Amokalarm war ausgelöst worden. 15 Minuten später erlebten die Schüler in dem nach modernen pädagogischen Konzepten errichteten Bau gespenstische Szenen. "Polizisten sind dann mit Pistolen durch unsere Lernlandschaft durch", erzählt die Schülerin.

Es war ein Fehlalarm. Die Schüler waren zu keinem Zeitpunkt in Gefahr. Doch die Sechstklässlerin, die rückblickend das Geschehen im Beisein ihrer Mutter schildert, durchlebte ein Wechselbad der Gefühle, bis nach 40 Minuten per Durchsage Entwarnung gegeben wurde. Kurz nachdem das Band mit der automatisierten Alarm-Durchsage abgelaufen war, hatte die Schulleitung schon versucht, die Situation einzuordnen.

In einer Durchsage wurde laut Schilderungen ein möglicher Fehlalarm angedeutet; gefolgt von einer Aufforderung, der Verantwortliche solle sich melden. Polizeisprecher Peter Beck sagte, man habe schnell auf einen technischen Fehler getippt, weil die Technik nicht angezeigt habe, wo der Alarm ausgelöst worden sei. Trotzdem sei man natürlich in Mannschaftsstärke mit 20 Fahrzeugen angerückt. Die Schule wurde weiträumig abgesperrt, Polizisten durchstreiften das Gebäude - bis die Lage endgültig geklärt war.

Für einige Schüler waren das angstvolle Minuten. Laut Erzählungen brachen Schüler in Tränen aus. Leni Reiniger sagt, dass sie etwas weniger Angst gehabt habe, als die Polizisten per Handzeichen signalisiert hätten, dass alles in Ordnung sei. Schulleiter Achim Lebert zeigte sich betroffen von dem Vorgang. "Ich hätte nie gedacht, dass so was überhaupt passieren kann." Er war dabei, als vor Monaten die technische Anlage geprüft wurde und der auf Band vorbereitete Text für einen möglichen Amok-Alarm im Haus unzählige Male zur Probe abgespielt wurde. Doch nun lief das Band mit der Ansage ab, ohne dass Gefahr bestand.

Das sei für die Schüler ein belastendes Ereignis gewesen, sagt Lebert. Einige Schüler hätten sich hinterher vom Unterricht befreien lassen. Sie hätten unter der Bedingung gehen können, dass sie zu Hause jemanden haben, mit dem sie das Erlebte besprechen können. Am Nachmittag waren Techniker in der Schule, um nach der Ursache für den Fehlalarm zu forschen.

Dass Schulen sich mittlerweile auch auf Amoksituationen vorbereiten, hat mit den Ereignissen in Erfurt, Winnenden und auch in Ansbach im Jahr 2009 zu tun. Wie Ludwig Unger, Sprecher des Kultusministeriums, erläutert, müssen Schulen jedes Jahr ihre Sicherheitskonzepte auch auf solche Szenarien hin überprüfen und dies auch dem Ministerium melden. Bei dem neuen Schulbau in Ottobrunn wurde laut Architekt Gerd Lauer schon in der Planungsphase gemeinsam mit der Polizei ein Konzept entwickelt. In Ottobrunn gibt es in den Klassenräumen ähnlich wie bei den Feuermeldern eigene Notfallknöpfe.

Die Klassenzimmer können verriegelt werden

Klassenzimmer können schnell von innen verriegelt werden. Architekt Lauer sagt, diese Sicherheitsaspekte habe man mit der Idee einer offenen Lernlandschaft vereinbaren können. Auch die Geschäftsleiterin des Zweckverbands weiterführende staatliche Schulen im Südosten des Landkreises, Patricia Hüfner, sagt, bei aller Offenheit sei es natürlich ein Schulhaus mit Türen, in dem schon aus Brandschutzgründen im Notfall Sektoren abgeriegelt werden könnten.

Anders als ein Feueralarm wird aber ein Amokalarm nicht geprobt. Die Schüler seien dennoch über solch ein Szenario grundsätzlich informiert, sagt Schulleiter Lebert. Dieser hat nach dem Erlebnis in Gesprächen erfahren, dass solche folgenreiche Fehlalarme, die Schüler ohne Not in Ängste versetzen, gar nicht so selten vorkommen. Berichte gibt es unter anderem aus Baden-Württemberg, wo in Konstanz an zwei Schulen am selben Tag solch ein Alarm ausgelöst wurde.

Im März 2015 löste ein Anruf einer Frau, die von einem Mann mit Waffe nahe der Schule fabulierte, einen Fehlalarm in Garching aus, der Schüler und Lehrer am Werner-Heisenberg-Gymnasium in Unruhe versetzte. Es war nichts dahinter. In Ottobrunn geht man derzeit von einem technischen Problem aus. Ministeriumssprecher Ludwig Unger hat keine Zahlen parat, wie viele Pannen dieser Art in Bayern passieren. Er spricht von einem schwierigen Spagat: "Keine Schule ist eine Festung, eine Schule soll aber ein geschützter Ort sein."

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