Süddeutsche Zeitung

Konzert:Ein Name mit Klang

Ottobrunn entdeckt Ermanno Wolf-Ferrari. In dem nach ihm benannten Kulturzentrum wird dessen Oper "Il segreto di Susanna" aufgeführt

Von Claudia Engmann, Ottobrunn

Ein klarer Fall: Graf Gil war ausgegangen. Er kommt zu seiner frisch angetrauten, hübschen Gattin Susanna nach Hause zurück, dort riecht es nach Zigarettenqualm. Das lässt nur einen Schluss zu: Sie hat einen rauchenden Liebhaber! Der Gatte rast vor Eifersucht.

In Zeiten rauchfreier Restaurants und Kneipen mutet es etwas kurios an, wie das Rauchen thematisiert wird: Lauscht man den Arien der Susanna in Ermanno Wolf-Ferraris einaktiger Opera Buffa "Il segreto di Susanna", zu deutsch "Susannens Geheimnis", kommt dem Laster eine Dimension der Freude, der Sinnlichkeit und der Freiheit zu. "O Freude, die Wolke mit halb geschlossenen Auge zu verfolgen" singt sie, "Der Duft der mich streichelt, genießen möchte ich deine Sinnlichkeit." Die einaktige Komische Oper, am 4. Dezember 1909 im Münchner Hoftheater in deutscher Sprache uraufgeführt, zählt zu den großen Erfolgen des deutsch-italienischen Komponisten Ermanno Wolf-Ferrari.

Auf der ganzen Welt wurde das von ihm als Intermezzo bezeichnete, etwa 45-minütige Werk gespielt. Zum einen waren Einakter damals Mode, wie die Initiatorin des Abends im Ottobrunner Wolf-Ferrari-Haus (sic!), Sopranistin Eleni Ioannidou, einleitend erläuterte. Das Werk besticht durch seine melodiösen dramaturgisch genialen Arien und Rezitative. Nicht unwesentlich für die weltweite Aufnahme in die Spielpläne dürfte auch die dafür erforderliche kleine Besetzung mit einem Sopran, einem Bariton und einer stummen Rolle, dem Diener, gewesen sein.

Der Komponist Ermanno Wolf-Ferrari, eigentlich Hermann Wolf, war Sohn des Malers August Wolf. Dieser reiste im Auftrag der Grafen Schack, in dessen Münchner Villa noch heute Werke von Wolf zu besichtigen sind, zu Studien nach Italien und verliebte sich dort in die Venezianerin Emilia Ferrari. War der Sohn Ermanno zunächst noch in die Fußstapfen seines Vaters getreten, und hatte in Italien Malerei studiert, wechselte er 1892 bis 1895 an die Akademie der Tonkunst in München und studierte Kontrapunkt bei Joseph Rheinberger und Dirigieren bei Ludwig Abel. 1895 kehrte er nach Venedig zurück und leitete von 1896 an einen deutschen Chor in Mailand. Nachdem seine in Italien durchgefallene Komposition Cenerentola 1902 in Bremen triumphalen Erfolg hatte, zog der Komponist zur Jahrhundertwende wieder nach München zurück. Dort wurden seine Erfolgsopern "Die neugierigen Frauen" 1903 (Le donne curiose) und die "Die vier Grobiane" 1906 (I quattro rusteghi) in deutscher Fassung uraufgeführt, mit denen er sich einen Namen als Erneuerer der Opera Buffa machte. Ihnen folgte 1909 die Uraufführung von "Susannens Geheimnis". 1915 und dann wieder von 1921 bis 1931 zog es den Komponisten in die damals noch unberührte Natur von Hohenbrunn und Ottobrunn, wo er sich seine Villa "Vita Nova" in der heutigen Ottobrunner Mozartstraße erbaute. 1931 zog er nach Krailling-Planegg. Er starb 1948 in Venedig. 1985 wurde das Ottobrunner Veranstaltungszentrum nach ihm benannt. Der Initiative der griechischen Sängerin Elenie Ioannidou war es nun zu verdanken, dass es im Ottobrunner Wolf-Ferrari-Haus zu einem Abend mit Werken des Namensgebers kam. Seit einigen Jahren schon beschäftigt sich die Sängerin mit dessen Musik, nachdem sie während des Studiums, unter anderem an der Mailänder Scala die Partitur von "Susannens Geheimnis" zunächst zur Seite gelegt hatte: das Sujet sagte ihr nicht zu. Doch mittlerweile hat sie für die Musik des Spätromantikers Feuer gefangen. Ihr Anliegen: Neugier auf die Werke Wolf-Ferraris zu wecken.

Mit dem Abend ist ihr das gelungen. Neben dem stimmlich und schauspielerisch die Rolle geschmackvoll ausfüllenden amerikanischen Bariton Robert Gardner spielte und sang sie hervorragend die Susanna. Die Oper wurde begleitet von einem eigens gegründeten Kammerorchester unter Leitung von Massimiliano Murrali, da gab es keine Patzer, kein Vertun, nur wunderbaren Klang. Den stummen Diener verkörperte der Schauspieler und Tänzer Carlos Carrasquilla mit schalkhafter Nonchalance.

Im ersten Teil des Programms führte die Pianistin Yuko Tajlima mit Klavierstücken aus op. 14 und dem Impromptu Nr. 2 aus op. 13 in die musikalische Welt Wolf-Ferraris ein, begleitete auch die Sopranistin Claudia Aracelli-Quiros und den Tenor Oscar della Torre bei Stücken aus dem Rispetto op. 11. Sehr überzeugend der Münchner Kammerchor Bel-Canto unter Leitung von Andreas Stadler mit den acht Chören a capella op. 2. Regisseur Samir Yacoob ließ die exzellente Oboistin Amandine Riou in einer Caféatmosphäre auftreten. Die Sänger fungierten als Besucher, Projektionen von Bildern Wolf-Ferraris und seiner Zeit mit rauchenden Menschen stimmten bereits auf die zweite Hälfte des Programms mit "Susannens Geheimnis" ein.

Was sich doch noch zu einem Happy End wandelt: Nicht ein Liebhaber hat den verdächtigen Tabakgeruch hinterlassen, sondern sie selbst hat sich heimlich aus Langeweile das Rauchen angewöhnt. Das war ihr Geheimnis.

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Quelle:
SZ vom 22.06.2015
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