Ottobrunn:Chinesisch lernen

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Yanjie Mei arbeitet als Berufseinstiegsbegleitung an der Mittelschule Riemerling. Sie hat in Deutschland Pädagogik und Deutsch als Fremdsprache studiert. (Foto: Claus Schunk)

Yanjie Mei bietet Sprachkurse für Kinder chinesischer Herkunft an. Auch für Erwachsene aus China gibt es Veranstaltungen, um die deutsche Mentalität besser zu verstehen - wie etwa den Umgang mit Fehlern

Von Nadja Tausche, Ottobrunn

Die eigenen kulturellen Wurzeln kennenzulernen festigt die Identität, meint Yanjie Mei. Wenn man wisse, wo man herkommt, könne man sich außerdem besser in die Gesellschaft einbringen. Um das zu erreichen, hat Mei am vergangenen Wochenende das Bildungszentrum zur Förderung der chinesischen Sprache und Kultur im Evangelischen Jugendhaus Ottobrunn eröffnet. Jedes Wochenende sind dort verschiedene Kurse geplant, darunter Sprachunterricht für Kinder chinesischer Herkunft. "Ich will, dass die Kinder die chinesische Sprache lernen und praktizieren", sagt Mei. Der Bedarf sei da: Viele Eltern aus China wollen, dass ihren Kindern in einem professionellen Unterricht die chinesische Sprache, Schrift und Kultur beigebracht werden.

"Ganz entscheidend ist, dass man die eigenen Wurzeln nicht kappt"

Dass die Menschen sich mit ihrer Kultur auseinandersetzen, sei nicht nur für die Menschen selbst, sondern auch für die Gemeinde Ottobrunn wichtig, sagt Bürgermeister Thomas Loderer (CSU). Natürlich sollen die Menschen Ottobrunn als ihre Heimat sehen - "aber ganz entscheidend ist, dass man die eigenen Wurzeln nicht kappt", sagte er bei der Eröffnung des Bildungszentrums am vergangenen Samstag. Nur so könnten die Menschen einen Beitrag für die Gemeinde Ottobrunn leisten. Insgesamt leben in Ottobrunn Menschen mit 110 bis 120 verschiedenen Nationalitäten. Die Zahl der Bürger mit chinesischer Herkunft unter ihnen wächst: Lebten im Jahr 2015 noch 59 Bürger mit chinesischer Staatsangehörigkeit in Ottobrunn, sind es 2017 laut Einwohnermeldeamt schon 82 Bürger.

Für sie bietet Mei die Kurse an. Mei arbeitet als Berufseinstiegsbegleitung an der Mittelschule Riemerling, sie hat in Deutschland Pädagogik und Deutsch als Fremdsprache studiert. 2006 ist sie aus China nach Deutschland gekommen. Weil sie weiß, wie sehr sich die deutsche von der chinesischen Kultur unterscheidet, bietet sie am Bildungszentrum zusätzlich zu den Sprachkursen für Kinder auch Kurse für Erwachsene an. In einem davon lernen die Teilnehmer das Prinzip der Übergangsklassen an Schulen kennen, in denen Kinder mit einer anderen Muttersprache als Deutsch besonders gefördert werden. In einem anderen Angebot geht es um chinesisch-deutsche Verhaltensweisen. Zum Beispiel unterscheide sich der Umgang mit Problemen in den beiden Ländern sehr, sagt Mei: Für viele Chinesen sei es ungewohnt, dass Probleme und Fehler direkt angesprochen werden. "In China bedeutet direkte Konfrontation, das Gesicht zu verlieren."

Die Gemeinde freue sich sehr über solche privaten Initiativen

Für die Kurse interessieren sich Menschen aus Ottobrunn genauso wie von außerhalb der Gemeinde. Yuan Ding wohnt in Neubiberg, ihre beiden Kinder können zwar chinesisch sprechen - Lesen und Schreiben müssen sie aber noch lernen. Dazu will sie die Kinder, vier und acht Jahre alt, jede Woche in den Sprachkurs des Bildungszentrums schicken. Auch Marcus Zießler will seine dreijährige Tochter für den Sprachkurs anmelden, die Jüngste sei mit eineinhalb Jahren noch zu jung. Es sei ihm wichtig, dass die Kinder mit der chinesischen genauso wie mit der deutschen Kultur aufwachsen, sagt Zießler: Seine Frau kommt aus der chinesischen Region Hangzhou, er kommt aus der Nähe von Mainz. Sie redet mit den Kindern chinesisch, er deutsch, miteinander reden die beiden englisch. Als sie für fünfeinhalb Jahre zusammen in China gewohnt haben, feierten sie Weihnachten und Ostern - jetzt wohnen sie im Münchner Stadtteil Laim und lassen sich auch mal Meeresfrüchte aus China importieren.

In Ottobrunn gibt es auch andere Organisationen, die Werte einer anderen Kultur vermitteln und die Integration fördern wollen. Dazu gehören der Deutsch-Islamische Kulturkreis und der Helferkreis Asyl. Der Fokus sei bis jetzt stark auf Flüchtlinge gerichtet, sagt Stefanie Marrero, die Integrationsbeauftragte der Gemeinde. "Es gibt aber noch viele andere Kulturen, die das Gemeindeleben beeinflussen." Die Gemeinde freue sich sehr über derartige Initiativen wie die Yanjie Meis, sagt Marrero - ihre Gründung gehe aber nicht von der Gemeinde aus, sondern von Privatpersonen.

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Bis vor Kurzem boten die Volkshochschulen im Landkreis nur sporadisch Kurse an, in den vor allem einfaches Reisevokabular vermittelt wurde. Mittlerweile wollen mehr Menschen die Sprache lernen, um die Kultur besser zu verstehen. In Haar gibt es sogar ein Angebot für Kinder.

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So läuft auch die Finanzierung des Bildungszentrums für chinesische Kultur nicht über die Gemeinde. Mei hat sechs Lehrerinnen eingestellt. Deren Lohn sowie die Mietkosten für das Evangelische Jugendhaus finanziert sie über die Kursbeiträge. Zusätzlich zu den bestehenden Kursen hat Mei für die Zukunft noch weitere Angebote geplant: So will sie in den Ferien mit den Kindern wandern gehen und Museen besichtigen, um ihnen auch die deutsche Kultur näherzubringen.

© SZ vom 02.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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