Zugeklebt, zurechtgeknickt, zusammengestaucht. So ergeht es Pappe, die sich in jedem Haushalt findet, etwa als Verpackungsmaterial oder Sammelkiste für Altpapier. Der Künstler Thomas Guber holt diesen verschwenderisch genutzten Werkstoff aus seiner Unscheinbarkeit im Alltag hervor und gibt ihm eine neue Wertigkeit. Dabei verblüfft, wie täuschend echt die Materialien in seinen Gemälden erscheinen. Man meint, das Klebeband von der Pappe abziehen zu können. Noch bis 20. Juli sind die Bilder und Objekte von Guber unter dem Titel „Fragile – handle with care“ in der Galerie „Treffpunkt Kunst" des Kunstvereins Ottobrunn zu sehen.
Guber, der aus Landshut stammt, ging 2018 in den Vorruhestand, um sich mehr der Kunst zu widmen. Er arbeitete damals schon autodidaktisch und wurde ein Jahr später in den Bund Bildender Künstler aufgenommen, was ihm Anspruch, Ansporn und Herausforderung zugleich ist. Der 65-Jährige kombiniert scheinbar nicht zusammengehörige Dinge wie einen toten Fisch mit einer Todesanzeige, wodurch er dem Tier eine Identität verleiht. Seit etwa fünf Jahren arbeitet er mit dem Werkstoff Pappe, seit neuestem baut er kleine Würfelboxen, in die er Landschaften aus noch kleineren Würfeln setzt.
Guber beschäftigt, was Menschen anrichten, indem sie sich alles untertan machen wollen. Das spürt man auch an seinen kurzen Bemerkungen. Die vordergründigen Motive in seinen Werken verbergen einen sozialkritischen Kern im Hinblick auf Umwelt und gesellschaftliches Zusammenleben. Am erschreckendsten ist das 3-D-Objekt „Maurice“ im Kellergeschoss der Galerie: ein kleiner Versandkarton mit vier münzengroßen Löchern im Deckel. Durch sie blickt – das fällt erst beim Herangehen auf – ein Affe mit traurigen Augen. Klappt man den Holzdeckel des Kartons hoch, sieht man, wie der Schimpanse in der zu engen Kartonbox kauert. Er hat seine Beine angezogen und stützt seinen Kopf auf die übereinandergelegten Arme. Guber deutet auf die blauen Augen. Es sind nicht nur eingesperrte Tiere, auf deren Schicksal er mit seinem Werk hinweist. Es sind auch unschuldige Menschen.
Auf vielen Bildern zeigt Guber Tierschicksale, klagt die Verwendung von Schusswaffen an oder weist mit „Achtung Schieflage“ (Öl auf Leinwand, 2022) darauf hin, dass auf der Erde vieles in Unordnung ist, die Menschen es sich aber schönreden. Auch dieses Bild hat Guber zuvor als Modell aufgebaut, abfotografiert und die Umrisse auf die Leinwand übertragen, damit die Schatten ebenso stimmen wie bei Kartons die aufgeklappten Laschen. Dem gelernten Orthopädie- und Maschinenbautechniker sind Exaktheit bei Proportionen, Schatten und Materialdarstellung ebenso wichtig wie eine vieldeutige Botschaft. Kunstvereinsvorsitzender Reiner Binsch brachte Gubers Arbeiten bei der Vernissage so auf den Punkt: „Verpackung als Kunstwerk, aber nicht riesig wie bei Christo, sondern klein und subtil“. Das stimmt, und das macht die Ausstellung so sehenswert.
Die Ausstellung von Thomas Guber ist noch bis 20. Juli in der Galerie Treffpunkt Kunst in der Rathausstraße 5 in Ottobrunn zu sehen; geöffnet ist Donnerstag und Freitag von 15 bis 18 Uhr, Samstag von 10 bis 13 Uhr. Der Künstler ist anwesend.